Chronik

Angekündigte Großdemonstration aus dem verschwörungsoffenen Querdenkermilieu fällt mickrig aus

Dessau-Roßlau (Innenstadt)

Eigentlich hatten sich die Gruppierungen, mit hin die so genannten „Handwerker für den Frieden“ (mehr dazu hier…) und der verschwörungsideologische Personenzusammenschluss „Familien- und Wirtschaftsinitiative Dessau-Roßlau“ (mehr dazu hier…), die am 21. September 2025 großspurig zur Großdemo „Für Frieden und unsere Wirtschaft“ auf dem Dessauer Marktplatz aufgerufen hatten, viel mehr erwartet. Am Ende waren es laut Mitteldeutscher Zeitung (MZ) gerade einmal 500 Menschen – und dies trotz des enormen Aufwandes und eingedeckt der Tatsache, dass die Demoteilnehmenden aus ganz Sachsen-Anhalt und darüber hinaus angereist sind. Schließlich hatten die Organisatoren keine Kosten und Mühen gescheut, in der gesamten Region von Aken bis Bitterfeld-Wolfen mit großen Werbebannern für die versammlungsrechtliche Veranstaltung geworben. Wie schon letztes Jahr in Wittenberg (mehr dazu hier…) konnte der bundesweite Trend nicht gestoppt werden, dass dem verschwörungs- und rechtsoffenen Querdenkermilieu nach dem Ende der Pandemie die Leute ausgehen. Da hilft es auch nicht, auf ein neues Agendasetting bestehend aus Russlandsolidarität, der Instrumentalisierung der längst ausgestandenen Energiekrise oder dem Vorwurf des Politik- und Regierungsversagens zu setzen. Längst sind die Zeiten vorbei, als die „Handwerker für den Frieden“ auf dem Dessauer Marktplatz fast 2.000 Menschen mobilisieren konnten (mehr dazu hier…).
Optisch-phänomenologisch dominierte der erwartbare Schüttelmix: Fahnen des rechtsextremen „Compact-Magazins“ (mehr dazu hier…) mit der Aufschrift „Ami go home“ wehten neben der schwarz-weiß-roten Reichsfahne (mehr dazu hier…), Plakate mit der Aufschrift „Kriegstreiber raus aus Deutschland und an die Front“ wechselten sich mit „Erkenntnissen“ a la „Windkraft vergiftet Trinkwasser und Boden“ ab und deutlich als AfD-Sympathisanten zu erkennende Teilnehmer liefen einmütig neben eindeutigen Neonazis, zum Beispiel von der Kleinstpartei „Der III. Weg“, die in ihrem Post zur Demo, wohl zur Irritation der Organisatoren, nicht vergaß zu erwähnen: „Rußland ist der volksfeindliche Aggressor. Doch genauso ist unser Feind das eigene, liberal-kapitalistische Raubtier-System das uns ausblutet und jede Zukunft raubt. Zwei Mächte, die Europa zerstören wollen – wir stellen uns ihnen entgegen.“ Und wie schon vor einigen Tagen (mehr dazu hier…), diskreditiert „Der III. Weg“ im gleichen Social-Media-Beitrag den Dessauer Stadtrat Paul Nolte auf das heftigste.
Und auch inhaltlich wurde gleich zu Beginn klar, woher der Wind weht. Schon zu Beginn der Kundgebung plärrt es aus dem Mikrofon: „Lasst Euch von Reportern der so genannten Qualitätsmedien nicht provozieren und das Wort im Mund umdrehen. Es werden auch einige, uns wohlgesinnte, alternative Medien vor Ort sein.“ Da verwundert es kaum, dass die gesamte Versammlung vom verschwörungsideologischen YouTube-Kanal „STNews“ live ins Netz gestreamt wird. „Heute ist der Weltfriedenstag der UNO. Gibt es einen besseren Tag für den Frieden und den Erhalt unserer Wirtschaft?“, sagt Torsten Hanisch aus Wittenberg. Hanisch ist in der regionalen Szene bekannt, hat die verschwörungsideologische Gruppierung „Reformation 2.0“ in der Lutherstadt mitbegründet, die sich inzwischen selbst zerlegt und gespalten hat (mehr dazu hier…). In der Tradition der – vorwiegend – westdeutschen Friedensbewegung der 1980iger Jahre stand die Inszenierung mit Sicherheit nicht (mehr dazu hier…). Hanisch ist sich indes sicher, dass die Liebe zu Deutschland, zur Familie zur deutschen Kultur und Sprache nur auf einen Weg führt: „Das macht uns zu Deutschen, nicht zu EU-Bürgern.“ Und später schwadroniert er weiter: „Für mich gibt es entweder Lumpen, die unserem Land schaden wollen oder rechtschaffende, anständige Menschen die für unser Deutschland stehen.“ Für Hanisch gehören die politisch Verantwortlichen in diesem Land wohl zur ersten Kategorie, er malt in düstersten Farben ein dystopisches Szenario: „(…) Deutschland rast mit Höchstgeschwindigkeit Richtung Untergang, nicht nur wirtschaftlich. Wir spüren es alle, man treibt uns Richtung Krieg mit Rußland (…), aber diesen werden wir nicht gewinnen können. Der Staat ist pleite (…), die Energiewende ist gescheitert und macht uns arm, die Wirtschaft und die Fachkräfte wandert ab und im Ausland wird über Deutschland gelacht. Die illegale und von gepamperten NGO`s gesteuerte Massenmigration zerstört unsere Nation und unsere Kultur. Der Bildungs- und Gesundheitsnotstand sind beschämend (…), die soziale Marktwirtschaft, die Deutschland stark gemacht und aufgebaut hat und für die wir 1989 auf die Straße gegangen sind, ist heute nur noch eine von der EU gesteuerte, sozialistische und bürokratische Kontrollwirtschaft.“ Und weiter geht es mit der Kritik „an die da Oben“: „Sie erfinden eine Gendersprache die keiner braucht und keiner haben will, sie erfinden 195 neue Geschlechter, sie erfinden Krankheiten aus dem Nichts und dazu gleich die passenden Impfstoffe (…), sie erfinden Hass und Hetze, die Omas gegen Rechts, den Kampf gegen Rechts und gegen alle die nicht ihrer Meinung sind, sie erfinden steuerfinanzierte Partei- und Vorfeldorganisationen und NGO´s für ihre Propaganda, sie erfinden den menschengemachten Klimawandel, sie erfinden ein angebliches Killergas namens CO2 und verdienen damit Milliarden, sie erfinden das Verbrenner-Aus und damit den Untergang der Wirtschaft, sie erfinden die Energiewende und verschandeln und verseuchen unsere Landschaft, sie erfinden Brandmauern, Sanktionen, Feindbilder und Bedrohungen (…), sie erfinden eine neuer Art von Wirtschaftshilfe für Radwege in Peru und Genderscheisshäuser in der Wüste Gobi, sie erfinden die Freiheitlich-Demokratische Grundordnung um das Grundgesetz zu umgehen.“
Dieses gesamte Potpourri des Kulturkampfes von Rechts in Aufzählungsform, gepaart mit Verschwörungsnarrativen und Reichsideologie, ist genauso verrückt wie besorgniserregend und hat nichts mit berechtigter Kritik, zum Beispiel an den identitätspolitischen Verwirrungen der letzten zehn Jahre, gemein. Selbstentlarvend stellt Torsten Hanisch schließlich fest: „Ideologie und Idiotie liegen ganz eng beieinander.“ Es ist zu befürchten, dass er diesen Satz nicht auf sich und seine „Bewegung“ bezogen hat.
      

Foto: Projekt GegenPart am 10. September in Dessau-Ziebigk
Quellen: Mitteldeutsche Zeitung vom 22. September 2025;
https://www.flickr.com/photos/presseservice_rathenow/albums/72177720301636741/ gesehen am 19.12.2025; eigener Bericht