
Rechtsextremer „Ostermarsch“
In der Tradition der – vorwiegend – westdeutschen Friedensbewegung der 1980iger Jahre stand die Inszenierung, die auf dem verschwörungsideologischen YouTube-Kanal „STNews“ am Ostermontag live gestreamt wurde, mit Sicherheit nicht. Auf dem Wittenberger Marktplatz und direkt vor dem Lutherdenkmal hatten sich zwei Dutzend Aktivisten aus dem hiesigen Querdenkermilieu versammelt, die sonst auch allmontäglich durch die Stadt demonstrieren – Spaltung inklusive (mehr dazu hier…). Ob der geringen Teilnehmendenzahl konnte der Eindruck gewonnen, dass jeder und jede einmal ans „offene Mikro“ treten durfte. Die Frustration schien so groß zu sein, dass der eigentlich noch geplanten „Marsch“ abgesagt wurde, es blieb bei einer stationären Kundgebung des kläglichen Häufchens. Dennoch wurden kaum Kosten und Aufwand gescheut. Auf einen extra aufgebauten Großfernseher konnte die rechte Hetzerin Colette Bornkamm-Rink aus Aschersleben in einer Videobotschaft ihre krude Weltsicht verbreiten. Diese Mischung aus reichsideologischen Glaubenssätzen und populistischen Vereinfachungen klang dann beispielsweise so: „Es gibt kein links und kein rechts, es gibt nur oben und unten – und wir sind alle unten. Und die werden uns über die Klinge springen lassen, mit einem müden, müden Lächeln. (…) Das Grundgesetz ist nicht die Verfassung, ansonsten hätte sich der Artikel 146 erledigt. (…) Lasst uns zusammenstehen für Frieden, Freiheit und Souveränität. Und vor allem für Frieden in unserem eigenen Land.“ Da wollte ein gewisser Torsten – alle Redner:innen wurden konsequent nur mit Vornamen vorgestellt – wohl in nichts nachstehen: „Wer nichts mit der kirchlichen Deutung dieses Feiertages anfangen kann, feiert halt das germanische Frühlingsfest – das ist mir persönlich auch lieber.“ Dieser Redner schafft das Kunststück, mit einem veritablen Antiamerikanismus die USA zu kritisieren und dabei Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine mit keinem Wort zu erwähnen: „Wenn man über Krieg spricht, muss man über die USA sprechen. Seit dem 2. Weltkrieg haben die USA versucht, sich die Welt mit ihren imperialistischen Expansionsstreben zu eigen zu machen. Sie haben Regierungen geputscht, Politiker bestochen, Menschen ermordet, Präsidenten exekutiert, Parlamentarier manipuliert, Staaten überfallen, Zivilisten getötet und Länder besetzt – ringsrum um den ganzen Erdball. Überall haben sie ihre Militärbasen hingepflanzt und den Menschen ihre abartigen Meinungen aufgezwungen. Und das alles wurde mit Lügen gerechtfertigt und dient immer der Rohstoffbeschaffung für den militärischen Komplex. Und die jüngsten Beispiele haben wir alle noch im Kopf, dass ist die Zerschlagung Jugoslawiens und die Ereignisse in der Ukraine seit 2014.“ Es mag kaum verwundern, dass ihn dies zu Erzählungen aus dem Reichsbürgermilieu führt: „Deutschland liebe Freunde, ist immer noch von den USA besetzt ist, darf immer nichts alleine entscheiden und die Politiker sind eingesetzte Vasallen von Washingtons Gnaden.“ Doch nun sei schließlich alles anders, denn Trump gilt der Szene als Heilsbringer: „Jetzt ist erstmals ein Präsident und eine Expertenregierung aus den besten Wirtschaftlern und Wissenschaftlern in den USA an der Macht, die dem allen ein Ende setzen könnten. Ein Präsident, der es mit dem so genannten tiefen Staat aufnimmt und einen wahren Politikwechsel zum Wohle der Menschen bewirkt.“ Und der Torsten kann es nicht lassen, noch einmal einen Ausflug in die Wirrungen multipler Verschwörungsidologien zu machen, antisemitische Narrative inklusive: „Und wie reagiert Deutschland, wie reagiert die EU auf die Möglichkeit für den Frieden in der Welt, auf die Möglichkeit zur Souverinität Deutschlands seit 1945 und auf die Stärkung der Nationalstaaten. Vor allem Deutschland und die EU reagieren mit Idotie. (…) Die EU ist eine Ideologie ohne Land, ohne Volk, ohne Wurzeln, ohne Seele, ohne Zivilisation. Die Europäische Union tötet langsam tausendjährige Nationalstaaten. (…) Und die Staatsoberhäupter der EU sind mit wenigen Ausnahmen Lakaien des tiefen Staates und allesamt Schwab-Jünger [ehemaliger Vorsitzender des Weltwirtschaftsforums; Anm. MBT Anhalt] die die Nationalstaaten abschaffen wollen.“ Um das Potpourri an Ressentiments dieses rechten Verschwörungsmilieus zu komplettieren darf natürlich eine Medienschelte im Sinne des alten „Lügenpressse“-Vorwurfs nicht fehlen: „Glaubt ihr wirklich das diese Medien, die uns bei der Corona-Show belogen haben, die uns beim Ukrainekonflikt von hinten bis vorne belogen haben nun beim Kampf gegen den weltweit etablierten, tiefen Staat die Wahrheit sagen. Wer das glaubt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen. Der verdient es auch nicht, in Freiheit zu leben (…) Es gibt 1.500 Zeitungen, 9.000 Radiosender, 1.500 Fernsehsender und 2.400 Verlage die sich im Besitz von nur 3 Konzernen befinden. Und die gehören wem, denjenigen die Trump jetzt bekämpft – sie gehören zum tiefen Staat.“

Foto: Projekt GegenPart am 31.10.2024 in Wittenberg
Quelle: eigener Bericht