Kundgebung aus dem rechten Spektrum
Was ein Artikel in der Onlineausgabe der Mitteldeutschen Zeitung vom 05.01.24 schon erahnen ließ, sollte sich am 08. Januar 2024 vor dem Umweltbundesamt in Dessau schließlich bestätigen. Dort hatte der Bauernverband Sachsen-Anhalt e. V. nämlich explizit darauf hingewiesen, dass er diese Demo nicht angemeldet habe und sich an diesem bundesweiten Protesttag auf Halle und Magdeburg konzentrieren wolle. Neonazis, Rechtsextremisten und Verschwörungsideologen machten ca. die Hälfte der insgesamt ca. 250 Teilnehmenden aus, die gestern in der Hans-Heinen Straße zusammengekommen waren. Schon der Demoaufruf mit dem sperrigen Titel „Zusammen die Ampel stoppen – Bauern stärken – bezahlbares Leben – Zusammen sind wir stark – Für Frieden und Freiheit“ deutete darauf hin, dass hier mitnichten der Protest gegen den stufenweise geplanten Abbau der Agrardieselsubventionen im Vordergrund steht. Das der Aufruf schließlich in einer Telegram-Gruppe, inklusive Tik Tok-Mobilisierungsvideo, verbreitet wurde, die ganz klar der Dessauer Querdenkerbewegung und deren rechts- und verschwörungsoffenen Montagsmahnwachen zuzurechnen ist, ließ dann keine Fragen mehr offen. Da verwundert es auch nicht mehr, dass die Demo just aus diesem Spektrum angemeldet wurde und schon deshalb formal und inhaltlich wenig mit einem „Bauernprotest“ zu tun hatte.
Der geneigte Demobeobachter wurde dann auch genauso „klassisch“ wie erwartbar mit einer russlandsolidarischen Flagge begrüßt, die trotz oder gerade wegen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine eine „deutsch-russische Freundschaft“ das Wort redet und so Putins Propaganda- und Desinformationskampagnen bis in den letzten Winkel von Sachsen-Anhalt trägt. „Klassisch“ auch deshalb, weil in der hiesigen Querdenkendenszene und den angeschlossenen „Montagsmahnwachen“ die hahnebüchende Verschwörungsnarrative rund um die Coronapandemie auserzählt waren bzw. sich dazu keine Leute mehr auf der Straße mobilisieren ließen. Stattdessen werden dort nun fast monothematisch Woche für Woche die berichtigten Sorgen der Menschen vor Inflation und Energiekrise verstärkt oder der menschengemachte Klimawandel geleugnet. Aber auch das hat in den letzten Monaten bei den Leuten nicht mehr wirklich verfangen, eine neues Trittbrettthema musste her und instrumentalisiert werden – und schließlich wurden die Bauern dafür „auserkoren“. Die Dessauer Querdenker haben dafür übrigens gestern logistische und personelle Unterstützung von ihren Gesinnungsgenossen aus Wittenberg bekommen, die dort unter dem Label „Reformation 2.0“ in Erscheinung treten, sich immer weiter radikalisiert haben und auch in der bundesweiten Verschwörungsszene gut vernetzt sind. Aus Wittenberg kam auch ein PKW, der mit einem riesengroßen Aufkleber Werbung für die inzwischen mausetote, rechtsextreme Kleinstpartei „Widerstand 2020“ aus der Coronaleugnerszene machte.
Die Redebeiträge auf der Demo waren zumeist gekennzeichnet durch einen braunen Schuttelmix aus rechtsextremen Umsturzfantasien, übelsten Ampelbashing und der Erzählung von den so genannten Volksverrätern – gemeint sind hier gewählte Abgeordnete der demokratischen Parteien die mit dieser Bezeichnung diskreditiert und delegitimiert werden sollen. Dieser Sound dürfte auch den ebenfalls anwesenden Neonaziaktivisten wie Ringo T. oder Alexander Weinert, der immer wieder namentlich als Führungsperson im Verfassungsschutzbericht benannt wurde, gefallen haben. Letztere ließ es sich indes nicht nehmen, sich mit seinem Firmentransporter mit dem rechtsextremen Heckscheibenaufkleber „Todesstrafe für Kinderschänder“ in die Demowagenreihung zu begeben.
Diesen Grundsound konnte ein einzelner Bauer aus Anhalt, der in seinem Redebeitrag dann wirklich auf die Nöte und Sorgen seines landwirtschaftlichen Familienbetriebes einging, nur bedingt überdecken.
Und natürlich durften die regionalen AfD-Strukturen, deren sachsen-anhaltinischer Landesverband vom Verfassungsschutz seit kurzem als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird, nicht fehlen. Neben dem anwesenden AfD MdB Kay-Uwe Ziegler, der sei Wahlkampftransporter und ein großes AfD-Transparent gleich mitgebracht hatte, war auch Daniel Roi (AfD MdL) vor Ort. Der AfD-Landtagsabgeordnete aus Bitterfeld-Wolfen machte sich in seinem kurzen Redebeitrag in sarkastischer und völlig empathieloser Form nicht nur über die Fährblockade von Bundeswirtschaftsminister Habeck lustig, sondern versuchte mit Verweis auf das „offene Mikrofon“ einen weiteren Vertreter der Bauernschaft zu einem Statement zu bewegen. Doch es kam niemand nach vorn.
Wie die MZ berichtete, hatte sich am 08.01.2024 ein Konvoi von ca. 90 Traktoren und anderen Fahrzeugen aus Oranienbaum startend auf den Weg zum Bundesumweltamt gemacht, dort eine Runde gedreht und sei dann wieder weggefahren. Vielleicht haben sie ja geahnt, dass mit Rechtsextremisten kein Stall auszumisten ist. Ebenfalls am 08. Januar 2024 fand in der Region eine rechts- und verschwörungsoffene Demonstration in Wittenberg und ein vor der rechtsextremen AfD organisierte Fahrzeugcorso im Landkreis Anhalt-Bitterfeld statt.
Fotos: Projekt GegenPart am 08. Januar 2024 in Dessau
Quelle: eigener Bericht