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Prozessbericht zur Gerichtsverhandlung gegen Peter Fitzek

Selbsternannter König zu achtmonatiger Haftstrafe verurteilt

Das KRD-Gelände in Wittenberg; Foto: Projekt GegenPart am 11.07.2022 in Wittenberg

Am Amtsgericht Wittenberg fand am 13.07.2023 eine Verhandlung gegen Peter Fitzek statt, den Gründer und selbsternannten Herrscher des Phantasiestaates Königreich Deutschland (KRD). Fitzek wird vorgeworfen, eine Sicherheitsmitarbeiterin des Landkreises angegriffen und zwei Soldaten, die ihr zu Hilfe kamen, als „Faschistenschweine“ beschimpft zu haben. Aktuell erfährt das KRD wegen Grundstückskäufen und Expansionsplänen erneut eine große mediale Aufmerksamkeit (mehr dazu hier… ) (und hier…). Dabei macht das KRD aus den zugrundeliegenden antisemitischen Verschwörungsnarrativen mittlerweile keinen Hehl mehr (mehr dazu hier…). Zudem ist Fitzek mehrfach vorbestraft, unter anderem wegen Fahren ohne gültige Fahrerlaubnis und Beleidigung (mehr dazu hier… ).

Kurz nach Beginn der Verhandlung betraten 2 Männer aus dem reichsideologischen Milieu den vollen Gerichtssaal, die sich als Zivilschutz gemäß des Genfer Abkommens vorstellten. Auf den Hinweis des Richters, dass bereits alle Plätze belegt seien, forderte Fitzek seine Anhänger:innen auf, Platz für die Männer zu machen, woraufhin zwei Personen der Aufforderung des „Königs“ folgten.

In seinem Eingangsstatement verlas Fitzek eine Erklärung, laut der „Wir“ (gemeint ist der königliche Plural) „uns auf diesen Prozess eingelassen haben, damit gerichtlich geprüft wird, ob das KRD ein Staat ist“. In Fitzeks Rechtsverständnis sollte dies auch dazu dienen zu klären, ob er diplomatische Immunität beanspruchen könne und damit ein Prozesshindernis vorläge. Der Richter beantwortete dies recht kurz: seiner Auffassung nach existiere das KRD nicht, zudem sei das Amtsgericht Wittenberg für völkerrechtliche Fragen nicht zuständig. Fitzek wollte dies nicht akzeptieren, versuchte einen Monolog über ein von ihm erstelltes Gutachten über die Staatlichkeit des KRD zu halten, woraufhin ihm der Richter das Wort entzog. Fitzeks Anwalt stellte daraufhin einen auf das Gutachten bezogenen Beweisantrag der abgewiesen wurde. In der Antragsbegründung war eine durchaus spannende Paradoxie zu finden: der Strafverteidiger sprach von 5200 Staatsangehörigen, doch in dem Gutachten ist von 776 Staatsangehörigen die Rede. Ob dies nun auf Unachtsamkeit zurückzuführen ist oder ob Fitzek und sein Strafverteidiger sich selbst nicht Souverän in dem Kategoriensystem bewegen, das dem Antrag zugrunde liegt, ist zwar kaum nachzuvollziehen, jedoch zumindest eine beachtenswerte Unsauberkeit.

Archivbild: Peter Fitzek bei einer NPD-Demonstration am 07.11.2015; Foto: Projekt GegenPart

Auffällig war auch die Unterschiedlichkeit von Fitzeks Sprache: in seinen schriftlichen Erklärungen nutzte er das königliche „Wir“, wenn er jedoch frei sprach, die „Ich“-Form. In seiner Einlassung zu den ihm vorgeworfenen Sachverhalten schilderte Fitzek in üblicher Manier zunächst lang und breit die Vorgeschichte. So wollte er einen Termin um einen Führerschein des Landkreises Wittenberg – nicht der BRD – zu beantragen, denn gegen den Landkreis habe er nichts, nur die Bundesrepublik wolle er verlassen. Als ihm die Mitarbeiterin den Einlass verweigerte und ihm erklärte, dass es keine Eingangsstempel gäbe, ging er an ihr vorbei um einen Termin beim entsprechenden Sachbearbeiter zu vereinbaren. Die Frau folgte ihm und versuchte, so Fitzek, ihn „zurückzuziehen“ woraufhin er sie „weggeschoben“ habe. In seiner Schilderung wirkte er in Teilen recht laut und aufgebracht.

Die Geschädigte schilderte den Vorfall in weiten Teilen ähnlich wie Fitzek, jedoch erwähnte sie einige von ihm unterschlagene Details: so verweigerte sie ihm den Einlass mit Verweis darauf, dass aktuell Terminvereinbarungen nur via E-Mail möglich seien, was Fitzek nicht akzeptieren wollte. Auch ihre Aufforderung die geltende Maskenpflicht zu beachten ignorierte er geflissentlich. Als sie den Angriff genauer schilderte und dabei erwähnte Fitzek habe sie getreten, nahm er dies zum Anlass, wohl um ihre Aussage in Zweifel zu ziehen, als „Kampfsportexperte“ aufzustehen und mehrere Tritte zu demonstrieren. Außerdem berichtete die Frau, sie habe nach dem Angriff Hand- und Beinverletzungen gehabt sowie einen Schock erlitten. Als die Zeugin entlassen wurde antwortete Fitzek auf die Frage des Richters, ob er noch Fragen an sie habe: „wir haben ja noch eine Instanz“.

Die beiden Soldaten, die ebenfalls als Zeugen auftraten schilderten den Sachverhalt ähnlich. Während der zweiten Zeugenaussage kam es zu einem Zwischenfall mit einem der „Zivilschutz“-Männer. Dieser wurde von einem Justizbeamten aufgefordert die Nutzung seines Telefons im Gerichtssaal zu unterlassen. Der Richter stellte ihn vor die Wahl entweder sein Telefon auszuschalten oder den Gerichtssaal zu verlassen. Als er der Aufforderung nicht nachkam wurde er des Raumes verwiesen, woraufhin der Mann dem Richter vorwarf „das Völkerrecht zu bestreiten“.

In seinem Abschlussplädoyer betonte der Staatsanwalt, dass Fitzek sich konsequent weigere, sich den Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu beugen, was sowohl an seiner Weigerung eine Maske zu tragen zum Ausdruck kam, als auch darin, dass er sich weigerte einen Termin via E-Mail zu vereinbaren. Mit Blick auf seine Vorstrafen und die noch ausstehende Bewährung Fitzeks betonte er, dass eine Geldstrafe nicht in Betracht komme, da weitere Straftaten zu erwarten seien.

Fitzeks Verteidiger forderte wie erwartet einen Freispruch. Der „König“ selbst verlas eine Erklärung, in der er recht aufgebracht betonte, dass was „wir“ geschildert haben die Wahrheit sei, alles andere sei Lüge. Zudem betonte er, dass „ich nie eine Frau schlagen würde, das wäre mir wesensfremd“ – auch hier ist der Wechsel von der „Wir“- zur „Ich“-Form auffällig. Abschließend betonte er einerseits, dass ihn niemand aufhalten könne, bot aber gleichzeitig auch an, sich einem Lügendetektortest zu unterziehen um zu beweisen, dass „wir die Wahrheit sagen“.

Der Richter verurteilte Fitzek zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten ohne Bewährung. Dies begründete er ähnlich wie die Staatsanwaltschaft mit Fitzeks Weigerung sich an Regeln zu halten – zudem merkte er auf zurückliegende Verurteilungen an, dass er nachweislich kein Problem damit habe Frauen anzugreifen. Noch während der Urteilsverkündung packte Fitzek lautstark seine Unterlagen, mehrere Aktenordner und Bücher, darunter auch die „Verfassung“ seines „Königreichs“, in eine Discountertüte und verließ den Saal. Wenige Minuten später steckte er seinen Kopf noch einmal durch die Tür des Gerichtssaals woraufhin zwei Personen, eine von ihnen seine Partnerin, auf sein Geheiß den Gerichtssaal verließen.

Nach der Verhandlung stand eine Gruppe von etwa 10-12 KRD-Anhänger:innen, die den Prozess besuchten vor dem Gerichtssaal, dort wurde der Ausgang des Verfahrens von höherrangigen KRD-Mitgliedern eingeordnet. Unter anderem fiel die Aussage, dass ja meist in erster Instanz ein Urteil gesprochen werde, das von höheren Instanzen wieder aufgehoben wird. Dies unterstreicht noch einmal wie wenig Respekt Fitzek und seine Anhänger:innen vor der deutschen Justiz haben.

In einem am 14.07. veröffentlichten Videostatement wurde seine Verurteilung als „das Urteil eines kleinen Amtsrichters“ herabgestuft. Auch in diesem Video wechselt Fitzek mehrmals zwischen „Ich“- und „Wir“-Form und korrigiert sich dabei auch selbst. Dieser Umstand wirft die Frage auf, wie ernst Fitzek sich selbst eigentlich nimmt, oder aber inwiefern er selbst in der Lage ist sein eigenes Lügenkonstrukt aufrechtzuerhalten. Wie erwartet legte Fitzek gegen das Urteil Berufung ein.