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Ein König vor Gericht

Dass der selbsternannte Souverän vom „Königreich Deutschland“, der bereits mehrfach verurteilte Peter Fitzek aus Wittenberg, am 29. Juli 2024  in einer Berufsverhandlung (mehr dazu hier…) vor dem Landgericht Dessau-Roßlau steht, lässt sich nur schwer übersehen. So lugt aus einer Tasche die Gründungsurkunde des „Königreichs“ ebenso hervor, wie die vermeintliche Verfassung des Phantasiestaates. Die zahlreich erschienenen Anhänger von Fitzek tragen schwere Kisten voller Akten und warten vor dem Sitzungssaal 18 auf Einlass. Schnell wird ob des großen Medieninteresses und der mitgebrachten Anhängerschaft klar, dass der angedachte Saal viel zu klein ist. Kurzerhand leitet die Justizangestellte alle Interessierten in den Saal 28 um, der bietet Platz für alle.

Zu Beginn wird der Vorsitzende Richter Thomas Knief, der übrigens in der Vergangenheit schon Verfahren gegen Peter Fitzek vorsaß, mit einem Antrag des beigeordneten Pflichtverteidigers Rechtsanwalt Voss konfrontiert. Der Angeklagte beantragt für ihn zusätzlich einen Wahlverteidiger vor Gericht zu zulassen. Die Kammer kommt dem nach kurzer Beratung nach. Bei dem Verteidiger der Wahl handelt es sich um Frank Hannig, der mit Fug und Rechts als Szeneanwalt bezeichnet werden kann. Hannig, Volljurist ohne aktuelle Anwaltszulassung, hat so einen Ableger der rechtsextremen Gruppierung Pegida mitbegründet und musste sich erst kürzlich mit einem Geldwäscheverdacht gegen sich herumschlagen.  In der Vergangenheit vertrat er zudem zahlreiche Rechtsextremisten und Neonazis, darunter den Lübcke-Attentäter Stephan E. .

Bei einer so illustren Vita wollte Peter Fitzek offensichtlich nicht zurückstecken und antwortete auf die obligatorische Frage zur Person: „Unsere Identität ist nicht Peter Fitzek, wir sind Peter der I. im Königreich Deutschland.“ Richter Knief paraphrasiert danach zunächst das Urteil aus der Vorinstanz, wonach der Angeklagte wegen Körperverletzung und Beleidigung im Juli 2023 vom Amtsgericht Wittenberg zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten ohne Bewährung verurteilt wurde. Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass Fitzek eine Sicherheitsmitarbeiterin des Landkreises tätlich angegriffen und zwei Soldaten, die ihr zu Hilfe kamen, als „Faschistenschweine“ beschimpft haben soll.

Fitzek sieht den Gerichtsaal als Bühne

Um es gleich vorwegzunehmen, weiter kam das Landgericht an diesem Verhandlungstag nicht wirklich, Beweisaufnahme oder Zeugenvernehmungen – Fehlanzeige. Das lag vor allem an einer so genannten Einlassung von Peter Fitzek, oder wie es sein Wahlverteidiger Frank Hannig ausdrückte, an einer „Zuständigkeitsrüge“. Zur gebotenen Show gehörte es wohl auch, dass Hannig den Angeklagten nun fortlaufend immer „mit seine Majestät“ oder „seine Hoheit“ ansprach. Was dann folgte, war eine krude Aneinanderreihung von reichsideologischen Versatzstücken, gepaart mit Geschichtsrevisionismus und einer gehörigen Portion NS-Relativierung. Die sage und schreibe 180-minütige Monologisierung von Peter Fitzek, nur unterbrochen durch eine kurze Mittagspause, war wirr und der geneigte Prozessbeobachter hatte Mühe, zu folgen. Das war konzeptionell auch offensichtlich so gewollt. Es kann nur spekuliert werden, warum sich der Vorsitzende Richter darauf einließ. Vielleicht, so eine eher euphemistische Einschätzung, wollte Thomas Knief nur keinen Revisionsgrund liefern.

„Das Landgericht ist nicht zuständig, gegen ein Staatsoberhaupt eines souveränen Staates zu verhandeln“, bringt Fitzek seine Hauptthese auf den Punkt und stolziert aus seiner Einlassung zitierend zum Richtertisch. Wie noch mehrmals an diesem Tag, als er vermeintliche Pässe oder Bordingcards des „Königreichs“ dem Richter zur Inaugenscheinnahme vorlegt.  Der Staatsanwalt sieht das erwartungsgemäß ganz anders: „Ich bin nicht der Meinung, dass Herr Fitzek eine Immunität als angebliches Staatsoberhaupt genießt.“ Der Vorsitzende Richter lässt es augenzwinkernd dennoch zu: „Dann soll er seine vorbereitete Einlassung vorlesen, sonst wird er noch unglücklich.“ Das lässt sich der Angeklagten nicht zweimal sagen und macht nach einem Zitat von Gustav Heinemann, dass er gekonnt verschwurbelt hat, munter weiter: „Das Königreich Deutschland im Verband ist sowohl ein Staat, eine Weltanschauungsgemeinschaft, ein Verein als auch eine Stiftung.“ Wenig später führt Fitzek aus: „Als Repräsentant und Schöpfer des Staates Königreich Deutschland wollen Wir jedem Individuum einen fördernden, fürsorglichen und sicheren Rahmen gemäß der universalen Schöpfungsgesetze bieten. Nur ein solcher Rahmen kann dauerhaften Frieden in der Welt schaffen.“ Gerade in letzterem Zitat kommt die Rolle die Fitzek für sich selbst auserkoren hat deutlich zum Tragen: Er möchte ein religiöser Messias sein. Dafür spricht auch, dass er immer wieder von einem „göttlichen Plan“ spricht der für ihn vorgesehen sei. Dazu ist er sich nicht zu blöd, auch aus der Tora zu zitieren. Nach einer schier unendlichen Exegese ins Reich des “Völkerrechts“ und der „Staatenimmunität“ und einer harschen Kritik an das „Bankenkartell“, gemeint ist hier in Fitzeks Duktus die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) die ihm immer wieder seine illegalen Bank- und Versicherungsgeschäfte untersagt hat und entsprechende Razzien veranlasste, kommt er schließlich zum reichsideologischen Kern, Geschichtsrevisionismus inklusive.

Zur Entstehungsgeschichte des „Königreichs“ gibt er selbstentlarvend zu Protokoll: „Das Endergebnis der Verhandlungen waren die im August 2009 erteilten Gemeinnützigkeitsbescheide, welche als Vereinbarung zwischen dem Gründer der Vereinigung NeuDeutschland und der bundesrepublikanischen Besatzungsverwaltung, mit dem Ziel der konsensualen unechten Sezession in möglicher Rechtsnachfolge für das Deutsche Reich von 1871 bis 1918 und seiner Bundesstaaten, zu werten ist. Diese Rechtsnachfolge sollte gemäß der Vereinbarung dann greifen, wenn sich das Reich wieder flächendeckend oder wenigstens in (erheblichen) Teilen organisieren ließe.“  An anderer Stelle spricht Fitzek vom „Weimarer Diktatfrieden der Siegermächte“ und davon, dass „die Bundesrepublik das sogenannte Dritte Reich fortführe“. Auch bei der Beurteilung der Justiz hält er mit einem NS-Vergleich nicht hinter dem Berg: „Wie im Dritten Reich nach 1933 werden auch die Gerichte so strukturiert, dass die Agenda der destruktiven Kräfte als Recht und Gesetz dargestellt wird. Wenn der Staat den Boden des Rechtes verlässt, wird Widerstand zur heiligen Pflicht.“ Ein ganzer Blumenstrauß an Belegen für Peter Fitzeks rechtsextremen Ideologiefragmenten, die der selbsternannte Souverän zusätzlich mit antisemitischen Versatzstücken auflädt: „Gemäß Art. 78 Absatz 4 (gemeint ist hier die „Verfassung“ des Königreichs; Anm. MBT Anhalt) stehen allein dem Staat das Münzregal und die Geldschöpfung zu. Damit kann sich der Staat nicht verschulden und ist gegenüber der kriminellen internationalen Hochfinanz frei.“ Und ein, zumindest alltagsrassistische Argumentationsfigur, darf natürlich auch nicht fehlen: „Ausländer werden klar erkennbar gegenüber der deutschen Bevölkerung bevorzugt (…).“ Leicht zerknittert konstatiert Fitzek schließlich: „Das System können wir nicht verändern, wir haben es lange genug versucht. Wir haben es schon als OB-Kandidat oder für den Bundestag versucht. Und wenn man die Wahrheit sagt, bekommt man 0,7 Prozent der Stimmen.“ Die Kammer sagte zu, bis zum nächsten Verhandlungstag über den Antrag des Angeklagten zu entscheiden. Peter Fitzek kündigte indes an, das Gericht mit weiteren Anträgen zu überraschen.

Beschäftigungstherapie für das Gericht

Wie nicht anders zu erwarten, lehnte das Gericht am 2. Verhandlungstag, der am 31. Juli 2024 stattfand, Peter Fitzeks Antrag auf Nichtzuständigkeit ab, denn das „Königreich Deutschland“ ist kein souveräner Staat und daher kann sich der Angeklagte auch nicht auf eine wie immer geartete Immunität berufen.  Auch weitere, skurrile Beweisanträge zum „Staatsvolk“, dem „Staatsgebiet“, der „Staatsgründung“ und der „Staatsgewalt“ wurden abgeschmettert. In der heutigen Hauptverhandlung erhob Peter Fitzek zudem den schweren Vorwurf, die Polizei habe Akten gefälscht um ihm zu schaden und inszenierte sich so als vermeintliches Justizopfer. Diese durchsichtige Strategie ging jedoch noch nicht auf und endlich konnte am Nachmittag die Beweisaufnahme beginnen.  Unter anderem wurde die Zeugin die Geschädigte, gehört. Die Security-Mitarbeiterin des Landkreises Wittenberg schilderte, wie Fitzek sie im Frühjahr 2022 gegen eine Wand gestoßen und mit dem Fuß getreten haben soll.

Der dritte Verhandlungstag am 21.08. war geprägt vom Warten. Bereits der Beginn der Verhandlung verzögerte sich um mehr als eine Stunde, die der König und seine Anhänger dafür nutzen mit eigens mitgebrachter Bürotechnik noch einige Last-Minute ausdrucke vorzubereiten, die dann doch nicht benötigt wurden. Mit der eigentlichen Verhandlung setzte sich das groteske Schauspiel der vergangenen Termine fort. Schlussendlich versuchten Fitzek und Hannig den Gerichtssaal als Bühne zu nutzen, die der Vorsitzende Richter ihnen mal mehr und mal weniger bereitwillig zugestand. Generell ging es vor allem darum, die Verlässlichkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen und die Idee einer Verschwörung gegen den Angeklagten zu untermauern – so wurde mehrfach behauptet, die von Fitzek beleidigten Soldaten hätten aufgrund von Befehlen gelogen um den König hinter Gitter zu bringen. Fitzeks eigenes Agieren war dabei von der für ihn charakteristischen Selbstüberschätzung geprägt. Er versuchte als gelernter Koch dem Richter seinen Job zu erklären. Als dem König schließlich das Wort entzogen wurde, entschieden sich Fitzek und Hannig für einen Befangenheitsantrag gegen den vorsitzenden Richter, der das unwürdige Schauspiel vorerst beendete.

Scheingefecht statt Inhalt

Noch bevor der vierte Verhandlungstag am 29. August 2024 beginnt, versammeln sich die Anhänger von Peter Fitzeks Phantasiestaat vor und im Saal 18 des Landgerichts Dessau-Roßlau, einige davon tragen das Logo des „Königreichs“ auf dem T-Shirt oder dem Hemd. Kurz vor der Eröffnung der Hauptverhandlung installieren Fitzeks Sekretär – von dem wird im weiteren Verlauf noch zu sprechen sein – zusammen mit einem Assistenten und vor den eher ungläubigen Blicken der Justizangestellten Drucker- und Scannertechnik auf der Anklagebank. Auf der anderen Seite sitzen diesmal gleich zwei Staatsanwälte die erst einmal erleben, wie der Vorsitzende Richter Thomas Knief den Angeklagten zunächst barsch unterbricht: „Sie sind jetzt nicht dran!“

Mit den nonchalanten Worten: „Die Kunst der Paginierung hat das Königreich erreicht“ führt der Vorsitzende dann einen erneuten Befangenheitsantrag gegen seine Person und die beiden Laienrichter (Schöffen) ein. Das 24-seitige Dokument will der Richter aber so ohne weiteres nicht vom Angeklagten vorgelesen wissen: „Das Sie hier großen Wert darauf legen sich zu produzieren ist doch klar.“ Nach einige Rechtsdisputen, unter anderem darum ob vom dritten Verhandlungstag womöglich nicht erlaubte Tonaufzeichnungen von der Hauptverhandlung gemacht worden seien, und mit der Einschränkung, dass die Schöffen nun von der Befangenheit ausdrücklich ausgenommen sind, wird der Antrag von Fitzek schließlich vorgetragen – und der hat es in sich. Im Kern unterstellt Fitzek dem Richter, gerade in der Befragung der Zeugin Christina L. am dritten Verhandlungstag „manipulativ und voreingenommen“ agiert zu haben, nicht nach vermeintlich entlastenden Aspekten gesucht zu haben und stellte zudem die „geistige Gesundheit“ Thomas Kniefs in Frage“. Gerade bei letztere Behauptung konnte man förmlich sehen, wie einem der Schöffen vor Erstaunen der Mund offenstand. Als „Beweis“ für die Unfähigkeit des Richters solle dabei dienen, dass der Vorsitzende am 3. Verhandlungstag das Datum des Übergriffs in der Wittenberger Landkreisverwaltung mehrfach in der Befragung der Zeugin L. verwechselt habe und die Kammer sich hartnäckig weigere, angeblich entlastendes Videomaterial nicht als Beweismittel zu zulassen. Der Angeklagte spricht immer wieder von einem „unqualifizierten Richter“ und garniert diesen Vorwurf mit einem verwirrenden Zitat: „Im Königreich Deutschland würde so ein Richter zugleich sein Richteramt verlieren.“ Überdies behauptet Peter Fitzek erneut, dass die Zeugin L. vom Staatsschutzbeamten M. regelrecht manipuliert worden wäre: „Die Frau wurde vorbereitet und hat ihre Aussagen auswendig gelernt.“  Überdies wirft Fitzek in seinem Antrag, obwohl vorher anders vereinbart, den Schöffen „Desinteresse“ vor und das diese der Komplexität des Prozesses offenbar nicht folgen könnten.

Schließlich wird vom Wahlverteidiger Frank Hannig der Beweisantrag gestellt, die Videoaufzeichnungen aus der Landkreisverwaltung Wittenberg vom Tattag in die Hauptverhandlung einzuführen. Die Staatsanwaltschaft hat dazu eine dezidierte Meinung: „Das ist kein Beweisantrag im rechtlichen Sinne, auch weil hier Fristen nicht eingehalten worden seien. Selbst wenn es einer wäre ist er bedeutungslos, weil es nicht relevant ist, was gegen 09:55 Uhr draußen vor der Tür der Landkreisverwaltung passiert sei.“ Hannig schiebt dann noch zwei Anträge zur Anhörung des Polizeibeamten M. (polizeilicher Staatsschutz) hinterher. Dieser wäre zwingend zu vernehmen um die Diskrepanz zu klären, warum die Zeugin M. angeblich gegenüber über dem Staatsschützer angegeben habe vor Peter Fitzek Angst zu haben und sich daran am 3. Verhandlungstag nicht mehr erinnerte bzw. eine Nachfrage dazu sogar verneinte. Und zum anderen sei der Polizist zu laden um zu klären, ob er Zeugen „beeinflusst“ und „instruiert“ habe, bei der Beschreibung der in Rede stehenden Beleidigung den Ausdruck „Faschistenschweine“ zu verwenden.

Nach einer kurzen Unterbrechung in dem das „Staatsvolk“ des angeblichen „Königreichs“ auf den Zuschauerrängen angeregt über die Bezahlung von „eingelegten Tomaten und Zucchinis“ in der „staatseigenen“ Währung „E-Mark“ fachsimpelte oder die Herausforderungen der Schweine- und Entenzucht auf 10.000 Quadratmetern erörterte, ging es weiter. Thomas Knief verkündete, dass über den Befangenheitsantrag gegen die Kammer ein anderer Richter entscheidet. Die eingereichten Beweisanträge werden nachrangig beschieden. Als Fitzek und sein Sekretär sich in die Terminfindung für den nächsten Verhandlungstag einmischen wollten, reagiert Knief leicht ungehalten: „Wenn Ihnen andere Staatsgeschäfte wichtiger sind als dieser Termin, ist das Ihr Problem.“

Der Ausufernde Prozess kommt zum Ende

Dass der 5. Verhandlungstag am 16. September 2024 schließlich auch der Letzte werden würde, war zu Beginn noch nicht abzusehen. Aber schön der Reihe nach. Mit 25 Unterstützer:innen waren so viele „Jünger“ aus dem „Königreich Deutschland“ am Start wie zuvor an keinem Prozesstag. In den hinteren Sitzreihen wurde dann auch wieder gefachsimpelt, dass es nun problemlos möglich sei, mit einem Pass auf den als Staatsangehörigkeit „Königreich Deutschland“ stünde in ein Flugzeug einzusteigen. Denn den „BRD-Pass“ habe man ja schon längst nicht mehr. Penibel wird zudem von drei gleich KRD-Unterstützer:innen die Verhandlung via Stenographie im Wortlaut dokumentiert.

Der Richter Thomas Knief sagt, dass er wieder neue Beweisanträge auf seinem Schreibtisch hatte. Einer davon beinhaltet, das Protokoll der Hauptverhandlung der Verteidigung und dem Angeklagten auszuhändigen. „Formal ist das Protokoll noch nicht fertig“, lautet die knappe wie präzise Antwort des Kammervorsitzenden. Überdies worden alle anderen Beweisanträge, auch vom 4. Verhandlungstag, als unbegründet oder formal unzureichend zurückgewiesen. Das betraf u. a. die Augenscheinnahme des Tatorts, ein physikalisches Gutachten zu den Verletzungen der Securitymitarbeiterin, das Verlesen von Dokumenten die beweisen sollten, dass Peter Fitzek ausgebildeter Kampfsportler ist oder die eingeforderte Aussage des Staatsschutzbeamten. Ein Antrag, den Peter Fitzek selbst vortrug, hatte es besonders in sich. Er beantragte ein so genanntes „Vorlageverfahren“ beim Bundesverfassungsgericht laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Ergo ging es wieder um die Frage, ob Fitzek als Oberhaupt des Phantasiestaates Staatsimmunität genieße. Der Angeklagte sagt dazu: „Zum 12. Staatsjubiläum des Königreich Deutschlands wäre es doch schön, wenn sich das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigt.“ So wie die Staatsanwaltschaft lehnte auch die Kammer dieses prozessverschleppende Ansinnen ab.

Dann wird vom Richter der 127 Einträge umfassende Auszug aus dem Zentralregister (Strafregister) des Angeklagten vorgetragen. Neben allein 23 Einträgen wegen Fahrens ohne Führerschein, finden sich darunter Delikte wie Beleidigung, Körperverletzung, Urkundenunterdrückung, Verstoß gegen das Waffengesetz oder unerlaubte Versicherungsgeschäfte.

„Wir sind für unseren Teil fertig“, sagt dann Thomas Knief und meint das als Aufforderung an den Wahlverteidiger Frank Hennig, mit seinem Plädoyer zu beginnen. Der Szeneanwalt beginnt erwartbar: „Eine bessere Welt zu erschaffen zusammen mit 6.000 Staatsangehörigen ist das Ziel des Angeklagten. Wir reden hier nicht von irgendwelchen Reichsbürgern.“ Ohne Kontext kritisiert er zudem die staatlichen Coronamaßnahmen und die Impflicht harsch: „Wir können dem nicht mehr trauen was wir wähnten es wäre die Wahrheit.“ Dem Staat unterstellt Hannig ein besonderes Verfolgungsinteresse an seinem Mandanten, anders wäre die Zuständigkeit der Staatsschutzabteilung wohl nicht zu erklären: „Man hätte eine derart unklare Körperverletzung nicht angeklagt, wenn hier nicht Peter I sitzen würde.“ Die Ermittlungs- und Verfahrensmethoden des Staatschutzes vergleicht der Rechtsbeistand mit Stasimethoden. Überdies versucht er immer wieder, die Glaubwürdigkeit der Geschädigten und Zeugin H. in Zweifel zu ziehen. In seiner Logik sei nicht jede Berührung gleichzeitig eine Verletzung und stellt darauf ab, dass ja schließlich bei H. keine sichtbaren Verletzungen attestiert werden konnten. In despektierlicher Art macht er sich so über die psychologischen Folgen die die Tat für die Zeugin hatte, lustig: „Sie hat sich auf gut deutsch 14 Tage frei erschwindelt.“ Schließlich beantragt Hannig für diesen Tatkomplex Freispruch, weil kein Vorsatz erkennbar gewesen wäre.  Zum 2. Tatkomplex, der Beleidigung der Bundeswehrsoldaten, versucht der Wahlverteidiger erneut, die Bezeichnung „Faschist“ als zulässige Sachaussage zu labeln die keinen Beleidigungstatbestand mit Herabwürdigungscharakter erfülle: „Der Einsatz der Bundeswehr im Inland könnte in der Logik des Angeklagten faschistisch sein. Dazu bringt er sogar das bekannte Urteil gegen den AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke in Anschlag, der ja gerichtsfest als „Faschist“ bezeichnet werden kann. Sollte „Faschistenschweine“ gefallen sein, das räumt der Verteidiger selbst ein, wäre indes eine Strafbarkeit gegeben. Aber dafür gäbe es keine Beweise und der Angeklagte habe verneint, dies je gesagt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft dagegen sieht alle Tatmerkmale für beide Komplexe als vollumfänglich erfüllt an und geht mit einer beantragten Gesamtfreiheitsstrafe von 1,6 Jahren weit über das erstinstanzliche Urteil hinaus, auch und gerade, weil Peter Fitzek die Taten in seiner Bewährungszeit begangen hat. Zudem wird beantragt, dass der Angeklagte die Kosten des Verfahrens trägt.         

Zweistündige Kurzbiografie

Das Peter Fitzeks letzte Worte mithin sein Plädoyer geschlagene 130 Minuten dauerte, verwundert ob seines überbordenden Sendungsbewusstseins niemanden. „Im Prinzip war ich so isoliert, dass ich kein soziales Umfeld hatte“, steigt der Angeklagte in seine Kindheit ein und zeichnet von sich und dieser Lebensphase ein düsteres Bild. Seine Eltern habe er demnach gehasst und lieber Frösche seziert und „Bücher über Strontiumisotope“ gelesen als sich mit Gleichaltrigen abzugeben. In seiner Kindheit habe er sich dann auch jenes dicke Fell angeeignet, dass ihn heute auszeichne und deshalb könne er gut mit Kritik und Verrissen in den Medien leben. „Ab 1989 habe ich dann vorurteilsfrei Bücher zur Selbstoptimierung und Meditation gelesen, magische Dinge“, beschreibt Fitzek seinen Weg in die Esoterik genau so offen wie unreflektiert. Da, so ist sich der Reichsideologe heute sicher, habe sich dann sein in der Schule erworbenes, naturwissenschaftliches Weltbild in Luft ausgelöst. Die nächste Station sei dann im Jahr 2000 die Eröffnung eines kleinen Ladengeschäfts in der Wittenberger Innenstadt gewesen: „Da wollte ich den Menschen mitteilen, was mit Bewusstseinsveränderungen möglich ist.“ Er ist stolz darauf seit 27 Jahren keine Krankenversicherung zu brauchen: „In dieser Zeit bin ich zu göttlichen Erkenntnissen gekommen. Was kann ich für einen Beitrag leisten für Gott und die Menschen.“ An anderer Stelle bedient Fitzek ganz klar verschwörungsideologische Erzählungen, wenn er davon spricht, dass die Covid 19-Pandemie ein „Great Reset“ sei. Er ist sich auch nicht zu schade, die Behandlung der Uiguren durch die chinesische Regierung mit aktuellem und hiesigen Politik- und Verwaltungshandeln zu vergleichen: „Da geht es auch hier hin, in die Tyrannis.“ Danach fabuliert Fitzek geschlagene 15 Minuten über das Geldsystem, zeigt seine Alternativwährung „Engelsgeld“, mit der er 2004 in Wittenberg an den Start ging, im Verhandlungssaal herum und ging in diesem Zusammenhang auch auf die Theorien Silvio Gesells ein, der mit Fug und Recht als Antisemit bezeichnet werden kann. Dazu passt dann auch diese Aussage des Angeklagten: „Es gibt eine Elite die über das Geldsystem bestimmen. Mir ist Geld völlig egal, ich diene nur Gottes Geld. Wir brauchen alle Freiheit vom, wie ich es nenne, satanischen Geldsystems.“ Als Richter Thomas Knief dazwischen geht und bestimmt fragt, was diese Ausführungen eigentlich mit dem Berufungsverfahren zu tun hätte, antwortet Peter Fitzek: „Meiner Ansicht nach leben wir nicht in einer Freiheitlich-Demokratischen Grundordnung.“  

Sichtlich lauter und aufgewühlter spricht der Angeklagte dann von den angeblichen Machenschaften der BaFin, die er nur „das Bankenkartell“ nennt und zur Überraschung nicht weniger Prozessbeobachter davon, dass „die versucht haben mich um die Ecke zu bringen, mich zu ermorden.“ Auch die Selbstviktimisierung treibt er wieder voran, wenn er angesichts seines Strafregisters sagt: „Da wird jeder Scheiß erfunden um mich zu kriminalisieren.“ Mit seiner Verachtung für das Justizsystem hält Fitzek nicht hinter dem Berg: „Das ist ein Strafbefehl – scheißegal, es ist vom Amtsgericht- scheißegal.“ Später sagt er dazu noch aggressiv-kämpferisch: „Ich habe die Schnauze voll von diesem juristischen System.“  Besonders wurmt ihn dabei der aus seiner Sicht völlig haltloser Vorwurf des Fahrens ohne Führerschein, er schlägt mit der Hand auf die Anklagebank und brüllt förmlich: „Wie kann das sein, dass macht mich wütend.“ Mit gleich zwei NS-Vergleichen sorgt Fitzek für Irritationen. Zum einen sagt er zur bundesrepublikanischen Jetztzeit: „Wo sind die sechs Jahre zwischen 1933 und 1939 heute, die Weichen sind schon gestellt, mal sehen wo das hinführt.“ Wenig später sagt er zu den eingesetzten Bundeswehrsoldaten in der Wittenberger Landkreisverwaltung: “Wie in der NS-Zeit.“

Nach einer Unterbrechung verkündet Richter Thomas Knief das Urteil. Die Berufung wird abgewiesen und damit eine erstinstanzliche Entscheidung des Amtsgerichts Wittenberg wegen Körperverletzung und Beleidigung aus dem Juli 2023 bestätigt. Dieses verurteilte Peter Fitzek zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe. Der Vorsitzende begründet dies damit, dass sich das Geschehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit so abgespielt habe. Dabei sei es auch unerheblich, dass der Tritt gegen die Geschädigte H. nicht zweifelsfrei nachzuweisen war. Auch das Drücken oder Schubsen gegen die Wand bleibe eine Körperverletzung. Auch sei der Beleidigungstatbestand erfüllt, dafür reiche es Bundeswehrsoldaten als „Faschisten“ zu bezeichnen. Dem vom Wahlverteidiger aufgeführten Vergleich mit dem so genannten Höcke-Urteil sei hier strukturell nicht anwendbar. Die Forderung der Staatsanwaltschaft bezeichnete der Richter demnach „als völlig überzogen“. Der Angeklagte hat seine Kosten zu tragen, die der Staatsanwaltschaft übernimmt die Staatskasse. Im Nachgang wurde bekannt, dass Peter Fitzek Revision gegen das Urteil beim Oberlandesgericht Naumburg eingelegt hat. Also, Fortsetzung folgt…