„ …, dass der Grund ganz offensichtlich und ausschließlich darin liegt, dass er von seinen Mördern als ein Obdachloser wahrgenommen wurde“
Zur Einweihung des Gedenksteins für Hans-Joachim Sbrzesny am 01. August 2023 in Dessau
Genau 15 Jahre nach dem brutalen menschenverachtenden Mord an Hans-Joachim Sbrzesny, wurde auf Anregung der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt Anhalt/Bitterfeld/Wittenberg in Kooperation mit der Stadt Dessau-Roßlau und dem Alternativen Jugendzentrum Dessau e.V. ein Gedenkstein für Hans-Joachim Sbrzesny eingeweiht.
Bis zu 70 Menschen versammeln sich an diesem Dienstag unter einer Eiche vor dem Dessauer Hauptbahnhof, um Hans-Joachim Sbrzesny zu gedenken. In der Nacht zum 01. August 2008 wurde der damals 50-jährige als vermeintlich Obdachloser von zwei Neonazis auf einer Parkbank vor dem Dessauer Hauptbahnhof ermordet.
Der Facharbeiter aus Halle, Hans-Joachim Sbrzesny, war immer wieder von Arbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit betroffen und lebte damals in einer Wohneinrichtung der Paul Riebeck Stiftung. Am Abend des 31. Juli 2008 macht er sich mit dem Zug auf den Weg in die etwa 50 Kilometer entfernte Stadt Dessau. Dort legt er sich irgendwann in dem Park am Hauptbahnhof auf eine Bank und schläft ein. Gegen ein Uhr nachts wird er von zwei Unbekannten geweckt und direkt und unvermittelt ins Gesicht geschlagen. Am Boden liegend treten und schlagen sie auf ihn ein; mit Fäusten, Tritten und einem Mülleimer, bis dieser an seinen Verletzungen stirbt. Die beiden Täter waren zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach, unter anderem wegen Raub und gefährlicher Körperverletzung, vorbestraft. Gegenüber der Polizei äußern die beiden Täter alkoholisiert und blutverschmiert noch am Tatort, dass sie dem ihnen Unbekannten nur helfen wollten; vor Zynismus und Menschenverachtung nur so strotzend. Musik von Rechtsrock-Bands und Bilder von Hakenkreuzen auf ihren Handys, rechte Szenekleidung und eine „White-Power“ Tätowierung, sowie die Teilnahme an NPD-Veranstaltungen weisen Sebastian K. und Thomas F. eindeutig als Rassisten und Neonazis aus, deren Hass und Verachtung sich in dieser Nacht an Hans-Joachim Sbrzesny entluden. Von Bekannten und Freunden als Überlebenskünstler und kontaktfreudig beschrieben, war er gern unterwegs auf der Suche nach einem selbstbestimmten Leben, das in dieser Nacht endete.
An Hans-Joachim Sbrzesny, sein Leben, sein Sterben und alle anderen Opfer rechter Gewalt, gedachte die Veranstaltung am 01. August 2023 im Park am Hauptbahnhof Dessau. Moderiert wurde das Gedenken durch Marco Steckel von der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt und musikalisch begleitet vom Saxophonisten Michael Schult von der Musikschule Kurt Weil.
Jacqueline Lohde, die Bürgermeisterin der Stadt Dessau, fand einfühlsame, aber auch deutliche Worte: „Wir haben uns heute hier versammelt, um einen Gedenkstein für Hans-Joachim Sbrzesny einzuweihen und damit einen Erinnerungsort zu schaffen, an dem wir auf ihn aufmerksam machen. Der Erinnerungsort befindet sich an dem Ort, wo er vor 15 Jahren umgebracht wurde. Also genau da, wo seine Mörder ihn nicht mehr sehen wollten: nämlich im öffentlichen Raum.“ Damit nimmt die Bürgermeisterin nicht nur Bezug auf die konkrete Tat, sondern macht auch deutlich, dass wohnungslose Menschen immer wieder Diskriminierung und Ausgrenzung bis hin zu tödlicher Gewalt erfahren müssen. „Obdach- und Wohnungslose sind besonders stark von Gewalt betroffen, da ihr Leben weitgehend ungeschützt verläuft, im öffentlichen Raum, 24 Stunden am Tag. Seit 1989 wurden über 600 Wohnungslose in Deutschland ermordet, insbesondere unter den Fällen, bei denen die Täter nicht selber aus dem Obdachlosenmilieu stammen, befinden sich zahlreiche Fälle von Hasskriminalität. Einer dieser Fälle ist der Mord an Hans-Joachim Sbrzesny.“
Auch 15 Jahre nach der Tat ist Hans-Joachim Sbrzesny immer noch nicht als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Zwar wurden die beiden Täter wegen Mordes verurteilt, aber laut dem Dessauer Landgericht „handelt es sich bei Hans-Joachim Sbrzesny um ein „Zufallsopfer“ – lediglich die „schlechte Laune“ der Täter habe sie zum Angriff auf den ihnen unbekannten Sbrzesny motiviert“, so Jacqueline Lohde weiter. Dass hier aus guten Gründen auch eine völlig andere Einschätzung getroffen werden kann, betont auch die Bürgermeisterin: „Sbrzesny war unseres Erachtens kein Zufallsopfer. Er wurde ausgesucht und angegriffen, weil er als jemand wahrgenommen wurde, den man wegen seiner mutmaßlichen Obdachlosigkeit schlagen, quälen und sogar töten darf. Der Hass gegen Obdachlose ist Teil der Ideologie Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und ein zentraler Bestandteil rechter Ideologie. Die Anwendung von Gewalt bis hin zum Mord wird als legitim angesehen, um sogenanntes „unwertes Leben“ zu vernichten. Das war ein Kernelement der NS-Ideologie im 2. Weltkrieg und ist auch heute noch ein Kernelement des Rechtsextremismus.“ Sie kommt zu dem Schluss, „dass der Grund ganz offensichtlich und ausschließlich darin liegt, dass er von seinen Mördern als ein Obdachloser wahrgenommen wurde.“ In der Broschüre „Hans-Joachim Sbrzesny – Mord an einem scheinbar Obdachlosen“ der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt heißt es dazu: „Gegenüber den Hinterbliebenen wäre die Anerkennung [des rechten Tatmotivs] ein Zeichen des Respekts und des Anstands. Zugleich wäre es ein Signal an Betroffene und potenziell Betroffene, dass rechte Gewalt erkannt und ernst genommen wird. Es wäre auch ein Signal für den Willen, vor den Folgen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu warnen. Diese Folgen können am Fall Sbrzesny exemplarisch für viele weitere Fälle rechter Gewalt in der BRD aufgezeigt werden.“
An dieser Stelle ist diesen klaren Worten kaum noch etwas hinzuzufügen und so werden im Anschluss an die Rede der Bürgermeisterin zahlreiche Blumen und Kränze am neuen Gedenkstein für Hans-Joachim Sbrzesny niedergelegt. Schweigend, anteilnehmend und erinnernd.
Abschließend stand vor Ort noch Babette Kühnel als Gesprächspartnerin des Projektes „Safe the Place“ zur Verfügung, welches Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen unterstützt. Und somit wurde auch dem Vorsatz entsprochen, dass Gedenken mehr bedeutet als „nur“ Erinnern. Denn ein würdiges Gedenken heißt Erinnern, Solidarität und Verändern.
Wer sich noch weiter über Hans-Joachim Sbrzesny und dem rechten Mord an ihm informieren will, kann dies in der Broschüre: „Hans-Joachim Sbrzesny – Mord an einem scheinbar Obdachlosen“ ( https://verwaltung.dessau-rosslau.de/kultur-tourismus/gedenkkultur-in-dessau-rosslau.html) und auf der Homepage für Todesopfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt (https://www.rechte-gewalt-sachsen-anhalt.de/todesopfer/hans-joachim-sbrzesny).
Unterstützung finden Sie unter anderem bei der Beratungsstelle für Betroffene rechter Gewalt (https://awo-spi.de/projekt/beratungsstelle-fuer-betroffene-rechter-gewalt-anhalt-bitterfeld-wittenberg) und dem Projekt „Safe the Place“ für Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen (https://www.faw.de/dessau/projekte/safe-the-place).
Artikel und Fotos: Projekt GegenPart