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250 Menschen folgen am 15. Januar 2024 dem Kundgebungsaufruf „No AfD“ vom Bündnis Dessau Nazifrei

Protest fand in Hör- und Rufweite des AfD-Büros statt

Diese „erste Wortmeldung des demokratischen Dessau-Roßlaus“, die das Bündnis Dessau Nazifrei in seinem Aufruf ankündigte, kann für hiesige Verhältnisse als voller Erfolg verbucht werden. 250 Menschen mit einer so kurzen Mobilisierungszeit von nicht einmal 24 Stunden vor das Dessauer Rathaus zu bekommen ist schon außergewöhnlich. Dieser Umstand zeigt zudem eindrucksvoll, dass der Leidensdruck bei vielen so hoch ist, dass selbst Minustemperaturen und einsetzender Schneeregen kein Hinderungsgrund mehr sind, um gegen Rechts klare Kante zu zeigen. Der auf der Kundgebung mittels eines Pappschildes gezeigte Slogan „Nie wieder ist jetzt!“ scheint Ansporn und appellative Aufforderung zugleich zu sein.

Anlass, wie könnte es auch anders sein, war das vom Correctiv-Netzwerk aufgedeckte informelle Strategietreffen von Rechtsextremisten, Neonazis, führenden AfD-Funktionären und der Werteunion im November 2023 in Potsdam, in dem der bekannte IB-Aktivist Martin Sellner aus Österreich über „Remigration“ fabulierte.

„Eine wehrhafte Demokratie ist die Lebensversicherung aller Demokraten“, eröffnet Olaf Wendel vom Bündnis Dessau Nazifrei sein Statement. Die Binsenweisheit, dass sich die AfD inzwischen zur Wortführerin aller extrem rechten Strömungen entwickelt habe die die Demokratie abschaffen wollen, verbindet er mit einem historischen Verweis: „Pläne für eine Remigration, welch eine Wort, das erinnert mich an die Lingua Tertii Imperii (LTI), die Sprache des Dritten Reiches von Viktor Klemperer.“ Mehr sarkastisch als rhetorisch fragt Wendel zudem: „Wohin soll die Reise (die in Potsdam besprochene „Remigration“; Anm. GegenPart) all dieser Millionen Menschen denn gehen? Das zeigt doch eindeutig die faschistischen und menschenfeindlichen Einstellungsmuster.“ Nicht zuletzt verweist er auf eine historische Zufälligkeit, jähre sich doch just heute zum 95igsten Mal der Geburtstag des US-Amerikanischen Bürgerrechtlers Martin Luther King. Seine berühmte „I have an Dream“ – Rede hat viel verändert und hätte wohl noch mehr geändert, wenn er nicht 1968 von einem Rassisten erschossen worden wäre.

Der IG Metall-Gewerkschaftssekretär für die Region Halle-Dessau Lars Buchholz sagt zunächst lapidar: „Mir ist kalt – und das liegt nicht am Wetter.“ Für ihn wiederhole sich Geschichte, und zwar als Farce: „Das hatten wir schon einmal, dass die Gewerkschafter zuerst abgeholt worden.“ Damit spielt er ganz offensichtlich auf die Verfolgung, Deportation und Ermordung politische Gegner im Nationalsozialismus an. Er selbst komme aus einem Betrieb wo 24 Sprachen gesprochen werden und deshalb interkulturelle Kompetenzen immer wichtiger seien. Verschmitzt sagt er dazu zum Abschluss: „Ich bin hier auch Wirtschaftsflüchtling, ich komme aus Brandenburg.“

Für Kathleen Beck von den Jusos Dessau-Roßlau steht indes fest: „Die AfD hat einmal mehr bewiesen, wie rechtsradikal sie ist., es ist fünf vor Zwölf.“ Die SPD-Vertreterin ist aber mit Blick auf die aktuellen Umfrageergebnisse der AfD von einem Umstand felsenfest überzeugt: „Sie ist nicht stärker als wir alle zusammen.“

„Wir können lernen, die gleichen Fehler nicht noch einmal zu begehen“, sagt Jean-Luc Ahlgrimm vom CSD Dessau der zugleich beim Netzwerk GELEBTE DEMOKRATIE aktiv ist. Der Redner stellt dabei auf dem Umstand ab, dass es gerade 100 Jahre her sei das Adolf Hitler für seine Beteiligung an dem Putschversuch am 09. November 1923 (Anklage Hochverrat) zu einer läppischen Strafe verurteilt wurde. Der Rechtsstaat habe sich damals wenig wehrhaft gezeigt, dass müsse heute anders laufen: „Ich fordere ein AfD-Verbot zu prüfen.“

„Ich muss den Jusos hier widersprechen, es ist schon nach Mitternacht. Es ist dunkel in Deutschland, die Nazis sind wieder überall“, sagt die Dessauer Landtagsabgeordnete Cornelia Lüddemann (Bündnis 90/Die Grünen) als solidarische Replik auf Kathleen Beck. Wer habe wissen wollen wie die AfD wirklich tickt und die parlamentarische Demokratie bekämpft und verächtlich macht, habe es schon längst wissen können. Sie folgt damit wohl der Logik, dass das einzig überraschende an den Correctiv-Enthüllungen die (mediale) Überraschung selbst sei.

Das Bündnis Dessau Nazifrei hat weitere Aktionen angekündigt und auch einen „bunt besetzten Rat für Demokratie“ eingefordert. Es bleibt zu hoffen, dass dieser schnellstmöglich zum Laufen kommt – nicht nur in Dessau-Roßlau.