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Freedom and equal rights Voice e. V. Dessau

 

Dessau, 10.7.2003

OFFENER  BRIEF
"Meine Sicht auf die Kriminalität in Dessau"

Sehr geehrter  Damen und Herren,
liebe Bürgerinnen Dessaus,

nach nunmehr einem Jahr in der Bundesrepublik Deutschland - zum größten Teil in Dessau (seit dem 31.7.02) - hatte ich genug Gelegenheit den Alltag von Asylanten zu beobachten und zu erleben, denn auch ich bin Asylant. Eine Feststellung stich für mich heraus: in den Augen der großen Mehrheit der Deutschen bedeutet Immigration automatisch Kriminalität oder ist wenigstens eine wichtige Ursache für dieses Übel. Schlimmer noch, besonders auf Schwarzafrikaner wird mit dem Finger gezeigt, als wären sie die Hauptursache für Kriminalität. Im Folgenden möchte ich, ohne irgend eine Form von Kriminalität an sich beschönigen zu wollen, einige Gründe und eine mögliche Lösung für dieses Problem aufzeigen, das uns alle betrifft.
Tatsächlich sind die meisten der rechtlich beschuldigten Schwarzafrikaner Asylbewerber, wie ich, die beim Bundesamt für Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ihre Anträge eingereicht haben und die nicht auf ihren Wusch, sondern auf den dieses Bundesamtes in einem bestimmten Landkreis untergebracht wurden. Mir geht es hier um die Stadt Dessau, in der ich lebe, und um das Land Sachsen-Anhalt, wo die Kriminalitätsrate keineswegs die höchste im Bundesdurchschnitt, aber natürlich auch nicht schönzureden ist.
Ohne die Straftaten mancher Asylbewerber rechtfertigen zu wollen, möchte ich die Aufmerksamkeit des einen oder anderen auf die Hintergründe dieser Handlungen, die wir alle verurteilen, lenken.
Tatsächlich beschränkt sich das Leben der angeklagten Straftäter ausschließlich auf Essen und Schlafen mit der Begründung, dass sie Asylbewerber seien. In Dessau haben Asylbewerber nicht die Möglichkeit an einem Deutschkursus teilzunehmen, da weder das Sozialamt, noch das Arbeitsamt hierfür Unterstützung gewähren. Wenn der Interessierte diese Unterstützung durch eine karitative Organisation oder, wie in meinem Fall, durch die Kirche erhält, wird ihm in der Stadtbibliothek die Ausleihe von Büchern verwehrt.
Ich stelle mir die Frage, welche Integration und welches Verhalten die Behörden von uns erwarten, ohne uns die sprachlichen Grundlagen zu vermitteln. In meinen Augen wäre dies eine Kleinigkeit, aber der wichtigste Schritt, den die Behörden gehen müssten.

Den Asylbewerbern und Angeklagten wird jede Art von rechtschaffener Arbeit verwehrt, wie jeder gesunde und fähige Mensch sie sich wünscht, dafür müssen sie von Zeit zu Zeit die Stadt reinigen - bei jeder Witterung, zu jeder Jahres- und Uhrzeit - ohne ansehen ihrer Befähigung und Qualifikation. Für mich ist dies nichts anderes als eine Erniedrigung. Bedeutet es, dass wir der deutschen Gesellschaft und der deutschen Wirtschaft nicht nützlich sein können, weil wir Asylbewerber sind? Wie sonst könnte das Leben von so vielen gesunden, kräftigen jungen Menschen auf nichts als Essen und Schlafen reduziert werden.
Man könnte mir antworten, dass viele der Beschuldigten oder Asylbewerber nicht den erwarteten Kriterien für eine bestimmte, intellektuelle Arbeit entsprechen. Das ist völlig richtig. Aber auch sie haben Talente: im kulturellen oder sportlichen Bereich, die sie gerne zur Geltung bringen würden.
Leider gibt es keine Institutionen, die in diesem Bereich tätig sind.
Ich denke, dass uns Asylbewerbern bzw. potentiellen Kriminellen, als die wir wahrgenommen werden, sehr viel unproduktive und zermürbende Untätigkeit erspart bleiben könnte, wenn wir Gelegenheit für unsere persönliche Entfaltung durch eine ehrbare Arbeit oder eine kulturelle oder sportliche Betätigung bekommen würden. Dies wäre um so hilfreicher für uns, als wir hier sind, weil wir auf Grund einer imminenten Todesgefahr aus unseren jeweiligen Ländern geflohen sind.
Außerdem würde diese Entfaltung mit Sicherheit dazu beitragen, dass sich die Zahl der Asylbewerber verringern würde, die tagsüber durch den Stadtpark ziehen, und ebenso die Zahl derer, die tatsächlich straffällig werden.

Kommen wir zu den tatsächlichen kriminellen Handlungen zurück, im Besonderen den Drogenhandel, der mit Sicherheit den Hauptteil der Delikte ausmacht. Mit Bedauern stelle ich fest, dass die meisten Angeklagten Schwarzafrikaner sind. Ohne diese Tatsache beschönigen zu wollen, möchte ich bemerken, dass dies nur die sogenannte Spitze des Eisberges darstellt, denn die im Stadtpark verkaufte Droge wird weder in Schwarzafrika noch in Dessau hergestellt - sondern wo? Haben die Schwarzafrikaner die Drogen bei ihrer Einreise in die Bundesrepublik mitgebracht? Hinter dem Drogenhandel vor Ort stehen wichtige Drahtzieher, denen man das Handwerk legen sollte, um die Zufuhr zu stoppen. Sollten diese Hintermänner nicht angreifbar sein, muss ich mit großem Bedauern feststellen, dass die ganze Situation einem Katze-und-Maus-Spiel ähnlich sieht.
Mein persönliches Gefühl ist, dass die Polizei mit einer gewissen Inkonsequenz im Kampf gegen die Drogen vorgeht: regelmäßig erfahren wir, dass es im Stadtpark zu Festnahmen kommt und die Festgenommenen am darauffolgenden Tag wieder freigelassen werden. Ich denke, dass dies Wiederholungstäter bestärkt.

Ich kann auch nicht umhin, die Vorgehensweise der Polizei bei Festnahmen in und außerhalb des Parks zu beanstanden, denn sie ist nichts anderes als eine Art der Menschenjagd - mit Hunden und Fahrzeugen - und ist nur mit der Jagd auf internationale Terroristen vergleichbar. Außerdem können die zahllosen, unmotivierten Identitätskontrollen bei Schwarzafrikanern - um den Park herum, aber auch in der Nähe unserer Heime - von uns nur als eine weitere Erniedrigung und als einen Mangel an Respekt gegenüber unserer Menschenwürde empfunden werden. Hinzu kommt, dass wir täglich Opfer rassistischer, fremdenfeindlicher Akte werden.
Zusammenfassend denke ich persönlich folgendes: einerseits würde die Arbeit der Polizei in dieser schwierigen Mission erfolgreicher sein, wenn sie konsequenter aber auch mit mehr Taktgefühl und Diskretion durchgeführt würde. Andererseits kommt man im Kampf gegen die Drogen nicht an der Lösung der Gründe und Hintergründe dieser besonderen Kriminalitätsform vorbei, anderenfalls wird man das Problem nicht lösen, sondern nur buchstäblich an einen anderen Ort verlagern.

In der Hoffnung, mit meiner Ansicht zu diesem Problem, ihre Aufmerksamkeit geweckt zu haben, möchte ich meinem Wunsch Ausdruck geben, zu der Lösung dieses schwierigen Problems, der Kriminalität, beigetragen zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Armand Manga Atangana
Schwarzer Weg 2
06842 Dessau

Stellvertretender Vorstandsvorsitzender
FREEDOM &EQUAL RIGHT VOICE e.V.
Sektion Dessau

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