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Untersungsausschuss 11.Februar 2008 / Teil 2

nach dem Ex-LKA-Chef wird Sven Gratzik erneut vom Ausschuss befragt

Der 37jährige ehemalige Leiter des Dessauer Staatsschutzes wurde vom Gremium bereits in der öffentlichen Sitzung im Dezember 2007 erstmals gehört (mehr dazu hier...).

„Ich bin nicht der einzige Polizeiführer in Sachsen-Anhalt, der für sein Engagement gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit schikaniert wurde.“
Sven Gratzik

„Herr Bischoff hat es einmal so formuliert, ob wir die einzigen waren (die ehemaligen Dessauer Staatsschützer Gratzik, Ennullat und Kappert; Anm. der Red. ) die die Fahne hochgehalten haben. Nein, waren wir nicht.“, beginnt der Zeuge seine umfangreichen Einlassungen. „Ich bin nicht der einzige Polizeiführer in Sachsen-Anhalt, der für sein Engagement gegen Rassismus, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit schikaniert wurde.“, sagt Gratzik mit eindeutiger Offenheit. Zunächst benennt er noch einen Fall, der nach seinem Weggang aus dem Dessauer Staatsschutz bekannt geworden sei und mit dem sich der 10. Parlamentarische Untersuchungsausschuss noch befassen wird. Er habe am 06. Juni 2007 in seinem Briefkasten ein Schreiben eines Bürgers vorgefunden, der über Schießübungen mutmaßlicher Rechtsextremisten auf dem Gelände einer ehemaligen Munitionsfabrik (WASAG) bei Wittenberg berichtet. Der damaligen Polizeidirektion Dessau-Roßlau wird vorgeworfen, diesem Hinweis nicht intensiv nachgegangen zu sein (mehr dazu hier...) und (hier...).

„Irgendwie kommt mir das Protokoll verändert vor.“ 
Sven Gratzik


Gratzik zeigt dem Ausschuss Fotos. Darauf sieht man ein Hakenkreuz, SS-Runen, ein durchschossenes Plastikrohr und eine Munitionsdose für Platzpatronen. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, dass insbesondere was die Nazisymbole anbelange, in der Polizei davon die Rede sei, dass das alles „kalter Kaffee“ sei.  „Das sieht für mich nicht so aus, wie zehn Jahre alt.“, so Gratzik dazu. Er wäre in dem Fall zudem bereits vom zuständigen Oberstaatsanwalt Preissner vernommen wurden, da Opferverbände Strafanzeige wegen des Verdachtes der Strafvereitelung im Amt (mehr dazu hier...) erstattet hätten. Bei dieser Vorladung habe er auch das Schreiben des Bürgers  wieder zu Gesicht bekommen, dass er so nicht in Erinnerung gehabt hätte: „Irgendwie kommt mir das Protokoll verändert vor.“  Vor allem der Zusatz „nicht zu den Ermittlungsakten nehmen“ sei für ihn nicht verständlich. „Aus dem Protokoll geht hervor, dass es sich um aktuelle Schießübungen handelt.“, ist sich Gratzik sicher. „Ich hätte sie sicherlich entfernt.“, sagt der Zeuge zu den SS-Runen auf dem WASAG-Gelände. Inzwischen sei dies nach seinen Informationen wohl geschehen.

„…und wo ist das Feuerzeug?“ // „Bei mir kommt da keine Heiterkeit auf.“
Sven Gratzik

Sven Gratzik berichtet dem Ausschuss von einem weiteren Fall im Zusammenhang mit dem Feuertod Oury Jallohs (mehr dazu hier...), der in den folgenden Tagen auch in überregionalen Medien noch für viel Aufregung und heftige öffentliche Debatten führen sollte.  Der Zeuge berichtet, dass es bei einer Einweisung in ein neues digitales Gewahrsamsbuch, an der auch Beamte des gehobenen und höheren Dienstes teilgenommen haben sollen, zunächst darum gegangen sei, Symbole zu erläutern, die in dem Buch zur Anwendung kommen sollten. Als Beispiel nennt Gratzik u.a. eine Spritze. Ein Beamter soll dann gefragt haben: „…und wo ist das Feuerzeug?“ Danach wäre in der Runde Heiterkeit aufgekommen. „Bei mir kommt da keine Heiterkeit auf.“, so Gratzik.


Sven Gratzik vor dem Untersuchungsausschuss


Nun äußert sich der Zeuge zu Aussagen seiner ehemaligen Vorgesetzten, die diese vor dem Ausschuss getätigt haben sollen. Die  Angabe der Kriminaloberrätin Heike Heusmann (mehr dazu hier...) , während seiner Zeit als Staatsschutzleiter wären insgesamt 23 Personalwechsel wegen seines „schlechten Führungsstils“ zu verzeichnen gewesen, bezeichnet Gratzik, wenn sie es denn so geäußert habe, als „Verletzung der Fürsorgepflicht“. Gratzik räumt ein, dass es eine Reihe von Personalfluktuationen in seinem Kommissariat gegeben habe. Darunter seien aber u.a. fünf nur zeitweise abgeordnete Studenten, zwei Abordnungen zum Bereich „szenekundige Beamten Fußball“, eine Schwangerschaft, mehrere Praktikanten , zwei Beamte gegen die der Verdacht auf Straftaten im Amt bestanden habe und ein Kollege, der „ein Problem mit Schwarzafrikanern“ gehabt haben soll.

Holger Stahlknecht (CDU) interveniert an dieser Stelle und zieht in Zweifel, dass die bisherigen Aussagen Gratziks durch die heutigen Beweisthemen gedeckt seien. Gudrun Tiedge (Linke) hält die Angaben des ehemaligen Staatsschützers durchaus für legitim im Sinne der Geschäftsordnung.

„Wenn Herr Postler gesagt haben soll: Der musste doch nur klingeln.` , halte ich das inzwischen für Ironie.“
Sven Gratzik

Gratzik erläutert, dass er zudem eine Gegendarstellung zu seiner Beurteilung durch die Polizeidirektion Dessau beantragt habe, die bis heute nicht erfolgt sei. Außerdem habe er mehrere Versionen seiner Personalakte  gesehen.  Er erzählt dem Ausschuss erneut, dass er Mitte April 2007 von einem Informanten aus der rechten Szene von seiner Versetzung ins Polizeirevier Bitterfeld erfahren habe. Außerdem habe er mit seinem Kollegen Swen Ennullat im Juli 2007 seine persönlichen Sachen aus dem Staatsschutzräumlichkeiten holen wollen. Der neue Leiter des Kommissariats, Lindner, habe ihnen darauf den Zutritt mit dem Hinweis verwehrt, dass dies eine Anweisung des Kollegen Benedix sei. „Wenn Herr Postler gesagt haben soll: Der musste doch nur klingeln.`, halte ich das inzwischen für Ironie.“, so Gratzik dazu. Dieses „unklare Betretungsverbot“ habe auch dazu geführt, dass sein Kollege Ennullat an einer Besprechung im Dezernat 11, dass auf einer völlig anderen Etage in der Polizeidirektion(PD) ansässig sei, nicht hätte teilnehmen können. „Auf jedem Fall ist mir danach eine feindselige Stimmung entgegengeschlagen.“, so der ehemalige Staatsschutzleiter  zur Situation in der PD, nachdem die Behördenleitung alle Führungskräfte über das Gedächtnisprotokoll der drei Staatsschützer informiert habe.  Er habe außerdem den Antrag gestellt, den polizeiinternen Intranet-Eintrag der Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt, in dem sie ihre Sicht der Dinge dargestellt haben soll, zu ändern. Darauf habe es keine Reaktion gegeben.

Zudem geht Gratzik nochmals auf den Status der Nitsche-Ermittlungen ein. Dazu wirft der 37jährige Auszüge aus dem Disziplinargesetz des Landes an die Wand. Außerdem spielt Gratzik eine Tonaufnahme der Landespressekonferenz ab, auf der Rektor Rainer Nitsche seinen Bericht vorstellte. Nitsche habe dort geäußert, dass er alle Beteiligten, also auch Gratzik, mehrfach gehört habe und dann zu einem Ergebnis gekommen sei. Dies, so Gratzik, stimme für seine Person jedoch nicht.

„Mich würde schon interessieren, vielleicht auch von Ihrem Zeugenbeistand, was sie hier eigentlich machen?“
Holger Stahlknecht

„Das sehe ich durchaus auch als Fürsorgepflichtsverletzung.“
Sven Gratzik

„Mich würde schon interessieren, vielleicht auch von Ihrem Zeugenbeistand, was sie hier eigentlich machen?“, so Holger Stahlknecht und bezweifelt erneut, dass die Aussagen Gratziks dazu beitragen könnten, mögliche Fürsorgepflichtsverletzungen seiner Vorgesetzten aufzuklären. Gudrun Tiedge sieht da jedoch einen Zusammenhang. Schließlich unterbricht der Ausschuss die öffentliche Sitzung, um in einem nichtöffentlichen Teil zu klären, was der Zeuge zum Beweisthema aussagen könne. Gratzik gibt nach der kurzen Pause an, dass er erst durch die Landespressekonferenz erfahren habe, dass Nitsche auch gegen die drei  Staatsschützer mögliche dienstrechtliche Verfehlungen geprüft habe und nicht nur Verwaltungsvorermittlungen angestrengt habe. „Das sehe ich durchaus auch als Fürsorgepflichtsverletzung.“, so Gratzik dazu. Das wären „heimliche Ermittlungen“ gegen seine Person. Außerdem habe Nitsche damals öffentlich bekundet, dass eine Rückkehr der 3 Beamten in den Staatsschutz möglich sei. Der Leiter in der Polizeiabteilung des Innenministeriums, Klaus-Dieter Liebau habe dies in einem persönlichen Gespräch mit ihm jedoch ausgeschlossen. Der Polizeiführer soll am 04. Juli 2007 zu ihm in diesem Zusammenhang gesagt haben: „Das unterliegt einer Restriktion.“  Gratzik gibt auch an, sich in der Folge immer wieder mit Initiativbewerbungen beworben zu haben, auch für Staatsschutzposten. „Entweder die Arbeit macht Spaß oder man verdient viel Geld.“, soll sein Vorgesetzter Kriminaldirektor Norbert Postler laut Gratzik einmal gesagt haben. Er habe sich für den Spaß entschieden und sich deshalb auch wieder beim Staatsschutz beworben.

„Die 3 F`s – formlos, fristlos, fruchtlos.“
Sven Gratzik

Er habe zudem am 01. August 2007 eine Dienstaufsichtsbeschwerde an Innenminister Hövelmann weitergeleitet. Das Ergebnis: „Die 3 F`s – formlos, fristlos, fruchtlos.“, so Gratzik.    

„Ich habe schon den Eindruck, dass diese Ermittlungen intensiv geführt werden.“
Sven Gratzik 

Ihm sei zudem bekannt, dass gegen zwei der drei ehemaligen Staatsschützer nach wie vor staatsanwaltschaftlich ermittelt werde. In diesem Zusammenhang wäre er bereits zweimal als Zeuge vernommen worden: „Ich habe schon den Eindruck, dass diese Ermittlungen intensiv geführt werden.“ Außerdem habe er den Datenschutzbeauftragten des Landes kontaktiert, um den Umgang mit seinen Personalakten prüfen zu lassen. Ihm sei diesbezüglich von der Polizeidirektion mitgeteilt worden, dass seine Personalakte niemand ausgehändigt bekomme. Dass diese nun doch in den Akten des Untersuchungsausschusses gelangt sei, findet Gratzik nicht schlimm, aber dass er über diesem Vorgang nicht informiert worden sei, findet er „nicht nett“. Zudem habe er auf Nachfragen auch keine Auflistung über seine personenbezogenen Daten erhalten, was eigentlich selbstverständlich hätte sein sollen.

Ausschussvorsitzender Jens Kolze eröffnet die Befragung des Zeugen und möchte vom 37jährigen zunächst wissen, welcher Natur die Veränderungen in seiner Personalakte seien. Er gibt an, dass diese ergänzt worden sei und die letzten Blätter zudem nicht durchnummeriert seien. Außerdem wären seine Anträge auf Nebenverdienst hinzugefügt worden. „Zumal ich in Halle nicht mal ein Zimmer hatte, ich habe mich in die Kantine gesetzt.“, so Gratzik zu seinem Dienstantritt in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd. Die offizielle Begründung für diesen Umstand habe in der Polizeistrukturreform gelegen, so Gratzik.

„Ich frage jetzt mal provokativ: Haben Sie das als Retourkutsche gesehen?“
Gudrun Tiedge

Gudrun Tiedge möchte zunächst etwas zur ständigen Rufbereitschaft im Staatsschutz Dessau wissen: „Ich frage jetzt mal provokativ: Haben Sie das als Retourkutsche gesehen?“ Gratzik gibt an, dass es zunächst ein Angebot seinerseits gewesen sei: „Ruf mich mal an, wenn was ist.“ Dies sei dann aber so ausgeartet, dass er wegen jeder Kleinigkeit im Bereich der Polizeidirektion angerufen worden sei. Daraufhin habe er das Angebot wieder zurück ziehen wollen, weil er auch Zeit privat für sich haben wollte. Infolgedessen habe Herr Glombitza den Bereitschaftsdienst angeordnet. „Es sollte eine Art Führungsrufbereitschaft werden.“, so der Zeuge dazu. Es wäre die Kollegin Heusmann gewesen, die die Bereitschaft auf die Beamten Gratzik, Kappert und Ennullat beschränkt habe. Mit drei Personen eine Bereitschaft rund um die Uhr abzudecken hält Gratzik für nicht machbar. Auf Nachfrage Guido Kosmehls bestätigt der 37jährige, dass die Rufbereitschaft zunächst als befristete Maßnahme angedacht gewesen sei und nach zwei Monaten hätte beurteilt werden sollen, ob die Maßnahme Sinn ergebe.

„Selbst Straftäter können da rein, in Begleitung. Ich durfte da in Begleitung nicht rein.“
Sven Gratzik 

Die Linke-Abgeordnete Tiedge hält Gratzik nun eine Aussage des Zeugen Gutewort (mehr dazu hier...) vor in der dieser im Zusammenhang mit dem Betretungsverbot angegeben habe, dass Gratzik nominell bis zum August 2007 Leiter des Dessauer Staatsschutzes gewesen sei. „Da bringt der gute Herr Gutewort gut etwas durcheinander.“ so Gratzik dazu. Zu diesem Zeitpunkt sei er schon offiziell nach Köthen versetzt gewesen. „Selbst Straftäter können da rein, in Begleitung. Ich durfte da in Begleitung nicht rein.“, sagt der Zeuge weiter. Auf Nachfrage gibt der Zeuge ferner zu Protokoll, dass er ein anderes Hausverbot nur im Falle eines Kollegen kenne, der über 200 Privattelefonate dienstlich abgerechnet habe.

„Es ging um das Gedächtnisprotokoll, über nichts anderes.“
Sven Gratzik 

Tiedge hält Gratzik nun die Aussage Georg Findeisens vor (mehr dazu hier...), in dem der Justiziar der PD Dessau-Roßlau angibt, das Gedächtnisprotokoll von ihm am 20. März 2007 in der Zeit zwischen 16 und 18.00 Uhr überreicht bekommen zu haben. Dies sei nicht möglich, so Gratzik, da er sich an diesem Tag zu dieser Zeit auf dem Weg nach Magdeburg befunden habe und dafür bei Bedarf Zeugen benennen könne. Gratzik bleibt bei seiner Darstellung, Findeisen das Protokoll Ende Februar/Anfang März 2007 überreicht zu haben.  Zudem habe Findeisen vor dem Ausschuss angegeben, sich um den Gesundheitszustand Gratziks Sorgen gemacht zu haben und ihm homöopathische Mittel überreicht zu haben. Außerdem habe Findeisen ausgesagt, das Gratzik Alkohol trinke: „Aber ich wusste nicht, ob es ein Alkoholproblem ist oder ob man aus Sorge trinkt.“, zitiert Tiedge Findeisens Äußerungen aus den Akten. „Ich biete dem Ausschuss an, mich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, ob ich alkoholkrank bin.“, so Gratzik dazu. Er habe durchaus schlecht schlafen können, vor allem wegen den Äußerungen Glombitzas. Er habe sich die Frage gestellt, ob er in den letzten zwei Jahren alles falsch gemacht habe. Außerdem gibt Gratzik an, dass die Version des Gedächtnisprotokolls die Herr Findeisen gegeben habe, bis auf die Unterschriften und „eventuell zwei Sätzen“ identisch mit dem Papier gewesen sei, was letztlich in der Behörde im Umlauf gewesen sei. Das Gespräch mit Findeisen zum Protokoll habe ungefähr zwischen 30 Minuten und einer Stunde gedauert: „Es ging um das Gedächtnisprotokoll, über nichts anderes.“

„Das werfe ich mir heute ehrlicherweise vor.“
Sven Gratzik 

„Ich persönlich war der Auffassung, Herr Findeisen weiß, was er damit machen soll.“
Sven Gratzik 

„Ich glaube die Versuche gingen von mir aus.“, so der Zeuge zur Frage, ob es Vermittlungsversuche von Georg Findeisen zwischen den drei Staatsschützern und Glombitza gegeben habe. Findeisen hätte in Gratziks Vorstellungen als Vermittler dienen sollen, dieser habe aber nur abgewehrt: ‚Ruf ihn doch selber an.‘ „Das werfe ich mir heute ehrlicherweise vor.“, so Gratzik rückblickend zum Umstand, dass er das Protokoll nicht sofort an die Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt überreicht habe. „Nein“, so der ehemalige Staatsschützer zur Frage, ob er Findeisen gebeten habe, den Inhalt des Gesprächsprotokolls für sich zu behalten. Vielmehr habe er zu Findeisen gesagt, dass dieser dieses Exemplar des Schreibens für sich behalten solle. „Ich persönlich war der Auffassung, Herr Findeisen weiß, was er damit machen soll.“, so Gratzik. Er habe damals gedacht, dass der Justiziar außerhalb des Dienstweges mit dem Protokoll zur Polizeipräsidentin gehen würde. Tiedge hält dem Zeugen außerdem vor, dass Findeisen ausgesagt habe, dass der Umgang der drei Staatsschützer mit Glombitza im Gespräch „provozierend“ gewesen sei. „Das ist schön, dass er das denkt, ich weiß nicht was daran provozierend gewesen sein soll.“, so Gratzik.  „Ist er noch Ihr Freund?“, will Tiedge wissen und spielt damit auf das jetzige Verhältnis zu Findeisen an. „Er war nie mein Freund.“, antwortet Gratzik. Vielmehr hätten sie dienstlich einen gemeinsamen Draht gehabt und ein gutes Arbeitsverhältnis.

„Ich habe es mir gewünscht, ich habe es nicht gesagt. Das war mein Fehler.“
Sven Gratzik

Holger Stahlknecht befragt den Zeugen zur Übergabe des Gesprächsprotokolls an Findeisen und möchte wissen, ob Gratzik davon ausgegangen sei, dass der Justiziar dieses dienstlich weiterleite oder ob er seinen Kollegen um ein solches Vorgehen gebeten habe. „Ich habe es mir gewünscht, ich habe es nicht gesagt. Das war mein Fehler.“, so der 37jährige. Außerdem sagt Gratzik, angesprochen auf die nicht unterschriebene Variante des Protokolls, dass es in der Verwaltung üblich sei, mit „Nebendrucken“ zu arbeiten. Gratzik betont nochmals, dass er vor allem deshalb das Protokoll auf dem normalen Dienstweg nicht an die Polizeipräsidentin weitergeleitet habe, da er mit seiner unmittelbaren Vorgesetzten Heusmann kein gutes Verhältnis gehabt hätte. Er bereue heute, der Präsidentin damals das Papier „nicht auf den Tisch geknallt“ zu haben.

„Mir ist kein Unterschied bewusst.“, antwortet Gratik auf die Frage des Abgeordneten Borgwardt, ob sich das Protokoll das er damals Georg Findeisen überreicht habe, von dem in der Akte unterscheide.  Außerdem betont der ehemalige Staatsschützer, dass er die Sache nicht an die große Glocke hängen wollte, sondern die Frage polizeiintern klären lassen wollte.

„Das ist eine Behauptung von Herrn Loichen.“
Sven Gratzik

Konfrontiert mit der Aussage des Polizeibeamten Loichen (mehr dazu hier...), der vor dem Ausschuss gemutmaßt hatte, dass die Staatsschützer das Gesprächsprotokoll an die Presse weitergeleitet haben sollen, sagt Gratzik: „Das ist eine Behauptung von Herrn Loichen.“ Er habe das Protokoll nicht an die Presse gegeben. Auch den Aussagen Loichens, dass das Gesprächsprotokoll nur einem übersteigerten Profiliierungswillen der Staatsschützer geschuldet sei und das Papier auf Grund einer nicht erfolgten Beförderung gar zurückdatiert worden sei, um dem Leitenden Polizeidirektor zu schaden, weist Gratzik entschieden von sich.

„Meine Beförderungsaussichten dürften nach diesem Ausschuss bei Null liegen.“
Sven Gratzik

Bernward Rothe (SPD) hält dem Zeugen die Aussage seines Kollegen Postler (mehr dazu hier...)  vor in der dieser angegeben habe, dass Gratzik für den Posten des Staatsschutzleiters nur für eine begrenzte Zeit vorgesehen gewesen wäre. Der Zeuge erinnert sich an ein diesbezügliches Gespräch mit der Polizeipräsidentin. Diese habe in der Unterredung u. a. davon gesprochen, dass man die politische Kriminalität mit Spezialisten oder mit „polizeilichen Maßnahmen in der Breite“ bekämpfen könne. „Ja, Revierleiter hätte ich auch gemacht.“, so Gratzik zur Frage des SPD-Mannes, ob er nach Bekanntwerden des Protokolls im März 2007 eine Umsetzung auf einen Posten außerhalb des Zentralen Kriminaldienstes beantragt habe. „Meine Beförderungsaussichten dürften nach diesem Ausschuss bei Null liegen.“, so Gratzik weiter.


Mitglieder der Partei Die Linke im Untersuchungsausschuss

„Das war mir aber vorher klar.“, interpretiert der Zeuge auf Nachfrage des FDP-Politikers Kosmehl den Inhalt eines Gespräches, dass er im August 2007 mit dem Polizeibeamten Wels (mehr dazu hier..) geführt habe. Dieser soll damals im Zusammenhang mit Gratziks Status in der Behörde das bekannte Bosmann-Urteil als vergleichende Situation erwähnt haben. Demnach würde er in der Auseinandersetzung zwar Recht erhalten, aber im Anschluss wolle niemand mehr mit ihm arbeiten. Außerdem habe er mit dem Leiter Polizei im Innenministerium, Klaus-Dieter Liebau, ein Gespräch geführt und diesen dabei gebeten, Einblick in den Nitsche-Bericht zu bekommen. Dieser habe die Bitte mit der Begründung abgelehnt, dass nur gegen Glombitza und nicht gegen seine Person ermittelt werde. Zu dem mit Nitsche vereinbarten zweiten Gesprächstermin sei er womöglich im Krankenstand gewesen. Danach habe sich der Rektor der Polizeihochschule bei ihm nie wieder gemeldet.

„Aus dieser Affäre gehen Sie nicht als der gute Polizist hervor.“ // „Das ist alles PDS-Gerede.“

Auf Nachfrage Gudrun Tiedges konkretisiert Gratzik, dass die Unterredung mit Liebau am 04. Juli 2007 stattgefunden habe. In diesem Gespräch habe ihm der hochrangige Polizeibeamte offeriert, dass eine Rückkehr in den Staatsschutz für ihn ausgeschlossen sei. „Aus dieser Affäre gehen Sie nicht als der gute Polizist hervor.“, soll Liebau außerdem wörtlich zu ihm gesagt haben. Dass habe er als Drohung verstanden. Später habe noch ein weiteres Gespräch mit Liebau stattgefunden, in dem dieser Gratzik Vertrauensbruch vorgeworfen haben soll. Schließlich habe er sich nochmals mit Liebau unterhalten. Dabei soll es auch um die Statistik der politisch motivierten Kriminalität in Sachsen-Anhalt gegangen sein. „Das ist alles PDS-Gerede.“, soll Liebau dabei hinsichtlich der Vorwürfe, die Statistik könne  geschönt worden sein, geäußert haben. Außerdem habe der Leiter Polizei davon gesprochen, dass den drei Staatsschützern wenn man es wolle, mindestens „50 Dienstvergehen“ nachzuweisen wären. Die Äußerungen Hans-Christoph Glombitzas hätten in den Gesprächen mit Liebau nie eine Rolle gespielt. Gratzik sei hier klar gewesen, dass eine zukünftige Verwendung im Bereich Staatsschutz undenkbar sei.

„Ich habe manchmal den Eindruck, die Führung hat die Ministerialbürokratie übernommen.“
Sven Gratzik

Gratzik habe während dieser Zeit mehrfach um ein Gesprächstermin mit dem Innenminister persönlich gebeten, was ihm aber verwehrt worden sei. Zum Abschluss seiner Aussage stellt sich Gratzik ausdrücklich vor den Innenminister Hövelmann, dem sein Engagement bei der Bekämpfung rechtsextremer Kriminalität abzunehmen sei, sagt aber auch: „Ich habe manchmal den Eindruck, die Führung hat die Ministerialbürokratie übernommen.“

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