Projekt Gegenpart Projekt Gegenpart
Das Internetportal für Dessau und Umgebung
Träger
Beratung und Unterstützung lokaler Akteure
Kooperationspartner & Initiativen gegen Rechts
Aktionsplan für Demokratie und Toleranz
Veranstaltungstips
Der antirassistische Newsletter für Dessau und Umgebung
Die Chronik >Sagt nicht, Ihr hättet von nichts gewußt!<

Untersuchungsausschuss 11.Februar 2008 / Teil 3 

ehemaliger Staatsschützer Swen Ennullat erneut vor dem Ausschuss

„Nach meinen letzten Aussagen habe ich überlegt, ob ich überhaupt noch etwas sage. Ich bin zur Schutzpolizei versetzt wurden.“
Swen Ennullat

„Nach meinen letzten Aussagen habe ich überlegt, ob ich überhaupt noch etwas sage. Ich bin zur Schutzpolizei versetzt wurden.“, beginnt der ehemalige Staatsschützer Swen Ennullat sichtlich geknickt seine Ausführungen. Außerdem beklagt er, dass Polizeikollegen mittlerweile dazu angehalten würden, von privaten Unterredungen mit ihm Gesprächsnotizen anzufertigen.

„Sag jetzt, das stimmt alles nicht und Du machst Karriere.“

Zunächst kommt der Ausschuss auf Ennullats Befragung durch Rainer Nitsche zu sprechen. Der Zeuge sagt aus, dass er zu einem anvisierten Gesprächstermin mit dem Rektor für 5 Tage in einem Kurzurlaub an der Ostsee geweilt habe und danach wieder bereit gewesen wäre, sich den Fragen Nitsches zu stellen. Nitsche habe ihm bei seiner ersten Befragung zudem dazu angehalten, von dem Gesprächsprotokoll Abstand zu nehmen. „Sag jetzt, das stimmt alles nicht und Du machst Karriere.“, fasst der Zeuge seine damaligen Eindrücke zusammen.

„Niemand wollte mehr mit einem reden.“
Swen Ennullat

„Den schicken wir nach Wolfen, damit er auf die Fresse fliegt.“

„Ab diesem Zeitpunkt wurde die Arbeit zusehens schwieriger.“, sagt Ennullat zum ersten Artikel über das Gesprächsprotokoll, der am 12. Mai 2007 im Berliner Tagesspiegel erschienen sei. Ausdrücklich lobt der Befragte vor dem Ausschuss den Tagesspiegel-Korrespondenten Frank Janssen, der sich für die Staatsschützer eingesetzt habe. Die drei  Staatsschützer wären dann in der Behörde nach dem Erscheinen des Artikels mit einer unkollegialen Grundstimmung konfrontiert gewesen: „Niemand wollte mehr mit einem reden.“ Der Zeuge datiert eine Pro-Glombitza-Unterschriftenaktion, die der Beamte Gutewort (mehr dazu hier…) initiiert haben soll, ebenso in diesen Zeitraum. Ennullat sagt zudem, dass er „ein Verbot mit der Presse zu sprechen“ bekommen habe. Ferner soll der Vorgesetzte Rainer Benedix in einer Besprechung bezüglich Ennullats Versetzung geäußert haben: „Den schicken wir nach Wolfen, damit er auf die Fresse fliegt.“

„Das MI möchte ja, dass ich meine Zulassung selbst wieder zurück ziehe.“
Swen Ennullat

„Meine Ausbildung, die ich in den letzten Jahren genossen habe, hat das Land eine Menge Kohle gekostet.“
Swen Ennullat

„Ich finde mich wieder auf der Autobahnpolizei.“
Swen Ennullat

Ennulatt gibt zudem zu Protokoll, dass auch er mit dem Polizeibeamten Klaus-Dieter Liebau vom Innenministerium ein Einzelgespräch geführt habe, in dem dieser ihm erklärt habe, dass ein Aufstieg in den gehobenen Dienst für ihn nicht in Frage komme. Ennullatt habe sich dann dafür entscheiden, sich den Weg an die Polizeiakademie einzuklagen und habe schließlich am 29. Juni 2007 eine einstweilige Verfügung erwirkt. Am 04. Juli habe es daraufhin erneut ein Gespräch mit Liebau gegeben in dem dieser ihm mitgeteilt habe, dass über seinen beruflichen Werdegang noch nicht abschließend entschieden sei. In dieser Unterredung soll Liebau zu ihm außerdem geäußert haben, dass er „gegen unzählige Beamtenpflichten“ verstoßen habe. Inzwischen habe er erneut Klage einreichen müssen, um sein Studium durchsetzen zu können: „Das wird wohl die unendliche Geschichte.“  Am. 21. Januar 2008 habe er sich in diesem Kontext erneut einem psychologischen Eignungstest unterziehen müssen. Dazu wären ausschließlich „Pseudokandidaten“ eingeladen worden und nicht etwa tatsächliche Mitbewerber für das Polizeistudium aus Sachsen-Anhalt. „Das MI (Ministerium des Innern; Anm. d. Red.) möchte ja, dass ich meine Zulassung selbst wieder zurück ziehe.“, so Ennullat. Außerdem resümiert der Zeuge frustriert: „Meine Ausbildung, die ich in den letzten Jahren genossen habe, hat das Land eine Menge Kohle gekostet.“ Und für die heutige Situation muss er konstatieren: „Ich finde mich wieder auf der Autobahnpolizei.“ 


der Landtag in Magdeburg

„Gott sei dank haben die Unterzeichner mit Empörung reagiert.“, leitet Ennullat einen weiteren Komplex seiner Einlassungen ein, die nun für teils heftige Reaktionen im Ausschuss sorgen. Er habe sich im November 2007 auf der Polizeiführungsakademie mit zwei weiteren Kollegen aus Sachsen-Anhalt über den Fall Oury Jalloh unterhalten. Nach einer der letzten Hauptverhandlungen in diesem Fall am Dessauer Landgericht (mehr dazu hier...) habe er erfahren, dass es von diesem Privatgespräch unter Kollegen offensichtlich ein Protokoll geben soll: „Dass Protokoll wurde im Polizeirevier Dessau ausgelegt.“ Ennulatt konkretisiert, dass das Papier im Bereich des Dienstgruppenleiters ausgelegen haben soll. Der Zeuge überreicht das Protokoll dem Ausschuss, der es zunächst in Augenschein nimmt.

„Sie fürchtete wenn sie es nicht tue, bedeutet dies ihr Karriereende.“
Swen Ennullat


 „Da war ich wie vor den Kopf geschlagen.“, sagt Ennullat zur Existenz der Gesprächsnotiz. Er habe sich im November mit seinen Kollegen Herr Adam und Frau Müller über den Fall Jalloh unterhalten. Frau Müller habe ihm auf Nachfrage bestätigt, dass sie das Protokoll zunächst gar nicht unterschreiben wollte. Schließlich habe sie es dennoch gemacht: „Sie fürchtete wenn sie es nicht tue, bedeutet dies ihr Karriereende.“ Sie habe lange weinend auf der Couch gesessen, mit sich gerungen und sich schließlich doch dafür entschieden. Außerdem sagt der Zeuge aus, dass ein Beamter aus dem Innenministerium den Kollegen Adam telefonisch angewiesen habe, ein Protokoll von dem Gespräch zu fertigen. Dieser habe die Notiz dann zu Papier gebracht und die Kollegin Müller dann telefonisch angewiesen, dieses zu unterzeichnen.   

“Ich muss jetzt mal sagen, dass ist eine völlig neue Qualität.“
Siegfried Borgwardt

“Ich muss jetzt mal sagen, dass ist eine völlig neue Qualität.“, bringt der CDU-Abgeordnete Borgwardt das Erstaunen des gesamten Ausschusses auf den Punkt. Schließlich verliest der Ausschussvorsitzende Jens Kolze das Protokoll in der Sitzung. Der CDU-Politiker verliest zudem ein Aktenvermerk aus dem hervorgehe, dass der Beamte Adam das Protokoll persönlich im Innenministerium abgegeben haben soll. 

„Jeder der mal Mist gebaut hat, kam zum Schluss ins Polizeirevier Dessau.“
Swen Ennullat

Burkhardt fragt den Zeugen nach dem Inhalt der Notiz. Ennullat bestreitet zunächst, wortwörtlich gesagt zu haben, dass die Polizei Schwarze in der Zelle verbrennen würde. Außerdem könne er ohnehin zum Fall Oury Jalloh nichts sagen, da er dafür keine Aussagegenehmigung vorliegen habe. „Jeder der mal Mist gebaut hat, kam zum Schluss ins Polizeirevier Dessau.“, sagt der ehemalige Staatsschützer weiter. Außerdem würde die halbe Polizei in Sachsen-Anhalt den Oury Jalloh-Prozess intensiv verfolgen. Der Zeuge gibt zudem an, dass seines Wissens im Polizeirevier Dessau außer den Todesfällen Jalloh und Bichtemann (mehr dazu hier…) ein weiterer Toter zu beklagen gewesen sei. An dieser Akte habe er als Praktikant im Fachkommissariat 2 einmal gearbeitet. Er kenne die Ermittlungsakten zu dem Fall Jalloh nur sporadisch, weil er in Vergangenheit im FK4 die Gefährdungsanalysen vor Jalloh-Demonstrationen erstellt habe. Zudem wisse er darüber hinaus nur, dass sich der zuständige Staatsanwalt Preissner, der den Fall Jalloh bearbeite, sich darüber wundere, dass vernommene Polizeibeamte vor Gericht immer wieder lügen würden.

“Mit Jogginghose in der Kantine.“, beschreibt Ennullat auf Nachfrage das besagte Ambiente des Gespräches mit den Kollegen in der Polizeiakademie.

„Wir werden ein Supergespräch führen, sie müssen nur Teile ihre Klage zurückziehen.“

„Das Ergebnis stand eh von vornherein fest.“

Von Holger Stahlknecht darauf angesprochen, kommt der Zeuge auf ein Gespräch zurück, dass er am 27. November 2007 mit dem Abteilungsleiter Polizei im Magdeburger Innenministerium, Klaus-Dieter Liebau, geführt habe. Dieser Termin im Rahmen der Auswahlkommission (diese legt fest, welche Beamte aus Sachsen-Anhalt an die Führungsakademie nach Hanoversch. Minden entsandt werden; Anm. d. Red.)  sei anberaumt worden, nachdem seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Dessau Erfolg gehabt habe. „Wir werden ein Supergespräch führen, sie müssen nur Teile ihre Klage zurückziehen.“, soll Liebau dabei zu dem ehemaligen Staatsschützer geäußert haben. Ennullat sagt dazu frustriert: „Das Ergebnis stand eh von vornherein fest.“ Außerdem berichtet der Zeuge dem Ausschuss von seiner Befragung durch Rainer Nitsche. Dieser soll dabei geäußert haben: „Ja Ja, die Wahrheit, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.“, um Ennullat damit die Möglichkeit einzuräumen, vom Inhalt des Gesprächsprotokolls zurück zutreten.

„Da sage ich, da läuft was ganz schief.“
Swen Ennullat

Zu seinem psychologischen Eignungstest im Rahmen seines Studiums sagt der Zeuge: „Da sage ich, da läuft was ganz schief.“. Damit spielt Ennullat auf das Testsituation, bei der unüblicherweise ein Psychologe anwesend gewesen sei, und die entsprechenden Ergebnisse an. Diese zitiert der Zeuge in Passagen im Ausschuss. Viele der Gremienmitglieder kommentieren das mit einem Kopfschütteln, welches Unverständnis zum Ausdruck bringt.      

„Mir verschlägt es die Sprache.“
Gudrun Tiedge          

„Dieses Verhalten ist eines Rechtsstaates unwürdig.“ 
 Swen Ennullat       
 
„Mir verschlägt es die Sprache.“, sagt Gudrun Tiedge hinsichtlich der Atmosphäre, mit der Ennulatt bei seinem Studium zu kämpfen habe. „Ich antworte jetzt lieber nicht, vielleicht wird es ja aufgeschrieben.“, antwortet der Zeuge sichtlich konsterniert mit ironischem Unterton. Die Politikerin konfrontiert den Zeugen mit einer Passage aus dem Nitsche-Bericht. Darin steht, dass den drei Staatsschützern keine dienstrechtlichen Vergehen nachzuweisen wären. Tiedge will daraufhin wissen ob dies so zu verstehen sei, dass er nie davon ausgegangen sei, das der Rektor der Polizeihochschule dienstrechtlich gegen ihn ermittle. Dies verneint der Zeuge und gibt zu Protokoll, dass Nitsche ihn nie über den Status der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt habe: „Dieses Verhalten ist eines Rechtsstaates unwürdig.“

„Für Krisenmanagement ist das Innenministerium zuständig.“ 
 Swen Ennullat 

„Sowas haben wir noch nicht erlebt.“

Zum Abgeordneten Kosmehl sagt Ennullat hinsichtlich der Gesprächsnotiz seiner Privatunterhaltung in der Polizeiakademie: „Für Krisenmanagement ist das Innenministerium zuständig.“ Er habe sich gewünscht, dass man mit ihm darüber geredet hätte. Die Gewerkschaftsvertreter, die bei Ennullats Unterredung mit dem Beamten Liebau am 04. Juli 2007 zugegegen gewesen wären, hätten geäußert: „Sowas haben wir noch nicht erlebt.“ Außerdem gibt der Befragte an, erst in der letzten Woche Einsicht in seine Personalakten bekommen zu haben. In diesen wären zudem die letzten 20 Seiten nicht nummeriert gewesen. „Angeboten wurde mir eine Polizeistation mit zwei Leuten.“, sagt Ennullat zu den Plänen seiner weiteren beruflichen Verwendung in der Polizeidirektion. „Ich bin der Meinung, dass ich das wusste.“, antwortet der Zeuge auf die Frage, ob er davon Kenntnis hatte, dass sein Vorgesetzter Gratzik das Gesprächsprotokoll an den Justiziar Findeisen weitergeleitet habe. Er hätte diese Vorgehensweise zudem gebilligt.

„Sie saß wohl weinend auf der Couch, weil sie so etwas nicht machen wollte.“

„Sie saß wohl weinend auf der Couch, weil sie so etwas nicht machen wollte.“, sagt der Zeuge zum SPD-Mann Bernward Rothe und meint damit die Reaktion der Polizeibeamtin Müller, nachdem sie aufgefordert worden sei, die Gesprächsnotiz von der Privatunterredung in der Polizeiakademie zu unterzeichnen.

„Ich habe nichts im gehobenen Dienst zu suchen, weil man Personen des öffentlichen Lebens nicht anzeigt.“

Der Abgeordnete Borgwardt möchte wissen, wie das Landgericht Dessau an Gesprächsnotiz aus der Akademie gekommen sei und wie wiederum der Zeuge Ennullat an dieses Schreiben gelangt sei. Diesbezüglich kann der Zeuge zunächst nur auf den Zeugen Gratzik verweisen. Der Zeuge erinnert sich an seine Sicherheitsüberprüfung, die für sein Studium notwendig wäre, durch den Geheimdienstbeauftragten der Polizeidirektion Dessau, Rainer Benedix: „Ich habe nichts im gehobenen Dienst zu suchen, weil man Personen des öffentlichen Lebens nicht anzeigt.“ Damit habe der Beamte auf eine Anzeige Ennullats gegen die Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt angespielt. Die Genehmigung, die er bis dato noch inne hatte, in sicherheitsrelevante Dinge Einblick zu erhalten, wurde ihm in diesem Zuge auch entzogen, schriftlich wurde ihm dies jedoch nie bestätigt.

"Wieso arbeitest du noch für die Leute?“

Gudrun Tiedge fragt den Zeugen, wie er selbst seine Zukunftsaussichten in der Polizei einschätze. „Gute Frage. Mein Vater hat die Frage anders formuliert. Er hat gefragt: Wieso arbeitest du noch für die Leute?“, so der ehemalige Staatsschützer. 

Nachdem der Zeuge den Saal verlassen darf betritt erneut Sven Gratzik den Plenarsaal der Landesregierung. Die Ausschussmitglieder möchten von ihm wissen, woher er das Gesprächsprotokoll aus den Akten des Jalloh-Prozesses erhalten habe. Gratzik entgegnete daraufhin: „Das hätte jeder Beamte haben können.“, da es im Dessauer Polizeirevier ausgelegen habe. Als ihm dieser Umstand bekannt geworden sei, habe sein Rechtsanwalt den dortigen Revierleiter angerufen, um diesen zu bitten, dass es unterbleiben solle solche vermeintlich persönlichen Äußerungen Ennullats dort auszulegen. Bei diesem Telefonat schien der Revierleiter auch sofort zu wissen, um welches Schreiben es ginge.

weiterlesen...

News

 

projektgegenpart ist umgezogen

 

weiter...

3. Workshop für Bürgerbündnisse und lokale Akteure: "Vor Ort aktiv gegen Rechtsextremismus – gemeinsam oder einsam?"

weiter...

Amtsgericht Burg: Rechte Schläger wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt

weiter...

Neues von der Kampagne "Kein Bock auf Nazis"

weiter...

Verlegung der ersten Stolpersteine am 19. Mai 2008 in Dessau-Roßlau

weiter...

1708 Opfer rechter Gewalt in Ostdeutschland

weiter...

Spendenaufruf für Zeitzeugenarchiv

weiter...

gemeinsamer Spendenaufruf für Oury Jalloh

weiter...






News > Archiv