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"Herr Ennullat ist nicht geeignet, mit vertraulichen Unterlagen umzugehen. Dabei bleibe ich heute ausdrücklich.“

Untersuchungsausschuss beschäftigt sich in seiner 8. Sitzung erneut mit der Dessauer Polizeiaffäre//Geheimschutzbeauftragter der Polizeidirektion räumt Fehler ein// Gremium befragt Zeugen zur Statistik der politisch motivierten Kriminalität: leitender LKA-Beamter widerspricht Auffassung des Innenministers

Geheimschutzbeauftragter sagt zur Sicherheitsüberprüfung des Beamten Swen Ennullat aus

Für die Mitglieder des 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und einige Zeugen sollte der 31. März 2008 wieder ein langer Tag werden. Bereits zum wiederholten Mal steht dabei zunächst die Dessauer Polizeiaffäre im Mittelpunkt des Geschehens.







(mehr dazu hier...) und (hier...) und (hier...) und (hier...).

Zu Beginn äußert sich zunächst der 56jährigen Polizeibeamten Rainer Benedix zu den Beweisanträgen. Der Befragte gibt an, heute in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost (PD Ost) das Dezernat Einsatz zu leiten und mit diesem Dienstposten u.a. für das Lage- und Führungszentrum zuständig zu sein. Außerdem kleide er seit Februar 2000 im Nebenamt die Funktion des Geheimschutzbeauftragten der PD aus. Gesetzliche Grundlage für dieses Amt sei das Sicherheitsüberprüfungsgesetz Sachsen-Anhalts, in dem u. a. Anweisungen zu geheimen Verschlusssachen geregelt wären. „Die Behörde selbst leitet die Überprüfung ein.“, sagt Benedix zur Zuständigkeit. Für das vorgeschriebene Verfahren der Überprüfung von Staatsschutzbeamten im Fachkommissariat 4 sei also die Direktion verantwortlich. Darüber hinaus gäbe es jedoch eine enge Abstimmung mit der Abteilung 5 (Verfassungsschutz) im Innenministerium. In der Regel würde er den Fragebogen zur Sicherheitsüberprüfung ausfüllen, dazu die Personalakte des entsprechenden Beamten hinzuziehen und diese Unterlagen dann zur Prüfung der Abteilung 5 zur Verfügung stellen. Nach einer Rückmeldung aus dem Ministerium, würde er als Geheimschutzbeauftragter dann eine abschließende Einschätzung vornehmen.

„Eine Ermächtigung kann jederzeit entzogen werden.“
Rainer Benedix

Eine Ermächtigung kann jederzeit entzogen werden.“, sagt der Zeuge zum Status einer bereits ausgestellten Unbedenklichkeitsbescheinigung. Im Fall des ehemaligen Staatsschützers Swen Ennulatt (mehr dazu hier...) wäre es um eine so genannte Konferenzbescheinigung im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes gegangen. Diese wäre für alle Beamten relevant, die zeitweise in einer anderen Dienststelle arbeiten oder ein Studium aufnehmen würden. Die eigentliche Überprüfung Ennullats habe er bereits im Jahr 2004 durchgeführt und Ennullat am 13. Dezember persönlich den entsprechenden Fragebogen überreicht. Danach habe das Ministerium geprüft. „Es lagen keine Bedenken vor“, sagt Benedix zum Ergebnis dieses Verfahrens vor dreieinhalb Jahren. Der Geheimschutzbeauftragte räumt vor dem Ausschuss heute jedoch einen schwerwiegenden Fehler ein, den er erst im Zuge der auszustellenden Konferenzbescheinigung für Ennullat bemerkt habe. „Ich habe es einfach vergessen.“, gibt der 56jährige zu Protokoll und meint damit, dass er es versäumt habe, die turnusmäßige Verlängerung der Unbedenklichkeitsbescheinigung Ennullats vorzunehmen bzw. zu überprüfen. Wegen der obligatorischen Konferenzbescheinigung habe er mit dem ehemaligen Staatsschützer am 10. August 2007 ein Gespräch geführt. Er habe Ennullat in dieser Unterredung mitgeteilt, dass er eine Bescheinigung „auf Grund des Verdachts, dienstliche und andere Internas weitergegeben zu haben“ nicht ausstellen werde: „Ich teilte ihm mit, das mir Verdachtsmomente vorliegen und ich aus meiner Sicht die Konferenzbescheinigung vorläufig nicht ausstelle.“ Ennullat habe ihm dann zu verstehen gegeben, dass er diese Entscheidung anzweifle und seinen Anwalt einschalten würde. „Mir wurde auf diesem Weg gleich unterstellt, dass ich das Studium von Herrn Ennullat verhindern wolle.“, gibt der Zeuge weiter zu Protokoll. Außerdem fügt Rainer Benedix hinzu: „Herr Ennullat ist nicht geeignet, mit vertraulichen Unterlagen umzugehen. Dabei bleibe ich heute ausdrücklich.“

„Es lagen keine Bedenken vor“
Rainer Benedix

„Herr Ennullat ist nicht geeignet, mit vertraulichen Unterlagen umzugehen. Dabei bleibe ich heute ausdrücklich.“
Rainer Benedix

Der Zeuge bestätigt zudem, dass er als Geheimschutzbeauftragter für den ehemaligen Staatsschutzleiter Sven Gratzik ein Betretungsverbot ausgesprochen habe. Dieses sei auf den Bereich des Fachkommissariats 4 beschränkt gewesen. Von dieser Entscheidung habe er damals auch die Polizeipräsidentin und den Leiter der Verwaltung in Kenntnis gesetzt. „Herr Kappert hat zu keiner Zeit ein Haus- oder Betretungsverbot erhalten.“, sagt Benedix zudem.

Guido Kosmehl (FDP) beginnt für den Ausschuss mit der Befragung des Zeugen und möchte zunächst wissen, ob er Ennullat zur Anhörung am 10. August 2007 schriftlich eingeladen habe. Dies verneint Benedix und gibt an, den ehemaligen Staatsschützer mündlich informiert zu haben. Außerdem habe er den Justiziar der PD gebeten, an dieser Unterredung als Zeuge teilzunehmen. „Entspricht dieses Vorgehen dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz?“, hakt Kosmehl zum vorgeschriebenen Verfahren nach. „Sicherlich nicht.“, räumt Benedix ein. Die im Gesetz festgehaltene Erörterung mit dem zu Überprüfenden habe nicht stattgefunden. Der Geheimschutzbeauftragte begründet dieses Vorgehen damit, dass der Vertrauensbruch Ennullats, vor allem seine Aussagen in der Presse, so offensichtlich gewesen wären, dass er eine Anhörung für nicht erforderlich gehalten habe. „Haben Sie Herrn Ennullat die Möglichkeit gegeben und eine Anhörung eingeräumt? Ja oder Nein?“, will es Kosmehl für das Protokoll genau wissen und sagt außerdem leicht ungehalten, dass er das Gesetz ziemlich genau kenne, da er es mit verabschiedet habe. „Nein.“, antwortet Benedix.

„Entspricht dieses Vorgehen dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz?“
Guido Kosmehl 

 „Sicherlich nicht.“
Rainer Benedix

Er habe kurz nachdem er mit Ennullat gesprochen habe, den Personalleiter der PD von seiner Entscheidung in Kenntnis gesetzt: „Da war Eile geboten.“ Auf Nachfrage teilt der Zeuge die Einschätzung des Justiziars Georg Findeisen (mehr dazu hier...), dass die Entscheidung Ennullat die Konferenzbescheinigung nicht zu erteilen, nur einen vorläufigen Charakter gehabt hätte. Daraufhin hält Kosmehl dem Geheimschutzbeauftragten ein Schreiben vom 10. August 2007 an das Innenministerium vor, in dem Benedix den Begriff „vorläufig“ nicht verwendet habe. Der 56jährige sagt dazu, dass er dieses Schreiben wegen Formfehler später für nichtig erklärt habe und am 28. August 2007 ein entsprechendes Rückzugspapier verfasst habe. Er habe in seiner Begründung irrtümlicherweise eine alte Fassung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes zitiert. „Das sind ja keine Formfehler.“, erwidert Kosmehl und meint damit, dass man diese Formulierung nicht mit diesem Fehler erklären könne und zudem erst in dem Schreiben vom 28. August 2007 von einer „vorläufigen“ Nichterteilung die Rede gewesen sei. „Die inhaltliche Änderung, ja wie kam sie  zu Stande? Das kann ich jetzt nicht mehr sagen.“, so Benedix. Guido Kosmehl fragt den Zeugen nun nach einem Schreiben aus dem Innenministerium (Dezernat 21), dass am Vormittag des 10. August 2007, also vor dem Gespräch mit Ennullat, in der PD eingegangen sei. „Dieses Schreiben ist auf Anfrage zu Stande gekommen.“, äußert Benedix. Seines Wissen habe als Grundlage für dieses Papier ein Stellungnahme der Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt gedient, in dem diese sich zu möglichen Dienstpflichtverletzungen der ehemaligen Staatsschützer geäußert haben soll.

„Dieses Schreiben ist auf Anfrage zu Stande gekommen.“
Rainer Benedix

Es ist ja nicht so, dass ich die Presse nicht verfolgt habe.“, antwortet der Geheimschutzbeauftragte auf die Frage, ob er sich über den Fall informiert habe. „Wenn Sie das als vorgefertigte Meinung ansehen wollen, dann ja.“, so Benedix zur Frage Kosmehls, ob er sich vor dem Gespräch mit Ennullat mit dem Justiziar Findeisen über die Nichterteilung der Konferenzbescheinigung unterhalten habe. „Herr Ennullat hat im Prinzip mit niemanden mehr gesprochen und alles über seinen Anwalt gemacht.“, begründet Benedix seine Entscheidung, Findeisen als Zeuge hinzu zu ziehen. „Das unterstellt, dass Herr Ennullat mit den Ergebnissen an die Zeitung gehen würde.“, sagt Kosmehl zur Einlassung des Zeugen, dass er Findeisen vor allem deshalb gebeten habe mit in das Gespräch zu gehen weil er befürchtete, Ennullat könne seine Entscheidung später an die Presse lancieren.

„Es ist ja nicht so, dass ich die Presse nicht verfolgt habe.“
Rainer Benedix

„Herr Ennullat hat im Prinzip mit niemanden mehr gesprochen und alles über seinen Anwalt gemacht.“
Rainer Benedix

 „Das unterstellt, dass Herr Ennullat mit den Ergebnissen an die Zeitung gehen würde.“
Guido Kosmehl 

Gudrun Tiedge (Linke) setzt die Befragung des Geheimschutzbeauftragten fort. „Kennen Sie die Zeugenaussage des Herrn Findeisen?“, beginnt die Abgeordnete. Der Zeuge antwortet, dass er diese im Detail nicht kenne. „Der Herr Ennullat hat die ganze Zeit im Staatsschutz gearbeitet, ohne gültige Sicherheitsüberprüfung?“, kommt die Linke-Politikerin auf das vom Zeugen nicht abgeschlossene Verfahren zurück. „Ich hätte ihn also am 27. September 2005 ermächtigen können, dass ist eine Formsache. Die hat aber nicht stattgefunden.“, präzisiert Benedix seine vorherige Aussage. „Er hat es einfach nicht gehabt [die Ermächtigung; Anm. d. Red.] und die Tätigkeit wurde gemacht.“, sagt der 56jährige. Außerdem ist sich der Zeuge weiterhin sicher: „Ich hätte den Herrn Ennullat am 10. August 2007 in jedem Fall seine Ermächtigung entzogen.“ Außerdem habe er erst 2-3 Tage vor dem Gespräch wegen der Konferenzbescheinigung festgestellt, dass Ennullat damals von ihm nicht ordnungsgemäß ermächtigt worden sei. Er wisse auch nicht mehr, ob er Ennullat oder die Behördenleitung über die Nichtermächtigung informiert habe. Dies hätte mit Sicherheit erfolgen müssen. Benedix betont nochmals, dass die Konferenzbescheinigung für alle Beamten in der Aufstiegsausbildung obligatorisch sei. Dazu habe es am 21. Juni 2007 ein Erlass des Innenministeriums gegeben, in dem Ennullat und die anderen Bewerber namentlich aufgeführt worden seien.

„Der Herr Ennullat hat die ganze Zeit im Staatsschutz gearbeitet, ohne gültige Sicherheitsüberprüfung?“
Gudrun Tiedge

„Ich hätte ihn also am 27. September 2005 ermächtigen können, dass ist eine Formsache. Die hat aber nicht stattgefunden.“
Rainer Benedix

Sind Sie sicher, dass in diesem Erlass Herr Ennullat namentlich genannt wurde?, will Kosmehl wissen. „Herr Ennullat stand mit drauf und noch 3-4 Bewerber aus anderen Behörden.“, antwortet Benedix.

Tiedge hält dem Dezernatsleiter nun die Aussage Findeisens vor, in dem dieser angegeben habe, dass vor allem das problematische Auftreten Ennullats in der Öffentlichkeit dazu geführt habe, die Bescheinigung nicht zu erteilen. Sie könne jedenfalls nicht erkennen, dass dies nach dem Gesetz „tatsächlichen Anhaltpunkte“ wären, um Ennullat die Bescheinigung zu verweigern. „Darauf möchte ich im Moment nicht antworten.“, gibt Benedix zu Protokoll. Tiedge erinnert den Zeugen daran, dass er vor dem Ausschuss antworten müsse. Der Vorsitzende Jens Kolze (CDU) bekräftigt dies ebenso. Schließlich gibt der Zeuge an, dass „eine Presseveröffentlichung in der MZ vom 12. Mai 2007“ in diesem Zusammenhang relevant wäre [der Zeuge meint vermutlich die Erstberichterstattung im Berliner Tagesspiegel; Anm.  der Red.]. „Dieser Sachverhalt hätte schon genügt, ihm diese Sache zu verwehren.“, so Benedix. Schließlich wäre in diesem Artikel das Gesprächsprotokoll „fast wortwörtlich“ veröffentlicht wurden. Er verweist auf den Remissionsweg, den die drei Staatsschützer nicht eingehalten hätten: „Die Presse wird hier als Ultima Ratio angesehen.“ Tiedge fragt hier nach und möchte wissen ob er den belegen könne, dass Ennullat das Protokoll an die Presse gegeben habe.  „Dann ist das sicherlich mit seinem Wissen passiert, aber dass entzieht sich meiner Kenntnis.“, sagt Benedix darauf. Schließlich könne er das nur vermuten.

„Darauf möchte ich im Moment nicht antworten.“
Rainer Benedix

„Die Presse wird hier als Ultima Ratio angesehen.“
Rainer Benedix

Der Geheimschutzbeauftragte gibt an, den Nitsche-Bericht (mehr dazu hier...) nur aus der Presse zu kennen. Daher wisse er auch nicht, dass der Rektor der Polizeihochschule in seiner Untersuchung zu dem Schluss gekommen sei, dass die drei Staatsschützer die Gesprächsprotokolle nicht an die Presse gegeben hätten. „Sie haben also, obwohl ein amtlicher Bericht festgestellt hat, dass Herr Ennullat die Protokolle nicht an die Öffentlichkeit gegeben hat, ihm die Konferenzbescheinigung mit dieser Begründung versagt?“, fragt die Linkspartei-Abgeordnete. „Ja“, so der Zeuge. Schließlich beteuert Benedix vor dem Ausschuss erneut, dass er eigentlich bis zum 10. August 2007 vormittags entschlossen gewesen sei, Ennullat die Bescheinigung zu erteilen. Er habe dann jedoch an diesem Tag auf Nachfrage vom Justiziar Georg Findeisen die Stellungnahme der Polizeipräsidentin bekommen, die diese nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Hans-Christoph Glombitza an das MI gesandt habe. Schließlich wäre ihm erst dann klar geworden, dass er die Bescheinigung nicht ausstellen könne. Auch „die Art und Weise dieses Gespräches“  sei ein Grund dafür gewesen. „Ich unterstelle mal nicht das es der Herr Glombitza war.“, sagt der Zeuge auf die Frage, wer denn seiner Meinung nach das Protokoll an die Öffentlichkeit lanciert haben könnte. 

„Sie haben also, obwohl ein amtlicher Bericht festgestellt hat, dass Herr Ennullat die Protokolle nicht an die Öffentlichkeit gegeben hat, ihm die Konferenzbescheinigung mit dieser Begründung versagt?“
Gudrun Tiedge 


G
udrun Tiedge hält Rainer Benedix nun eine Aussage Ennullats vor, in der er sich zu den Umständen geäußert habe, wie er vom Geheimschutzbeauftragten über den Termin der Unterredung am 10. August 2007 informiert worden sei. Ennullat habe dem Ausschuss berichtet, dass er am 10.08.07 im Landeskriminalamt einen Anruf bekommen habe. „Ich sollte eine Unterschrift leisten.“, zitiert Tiedge Ennullats Einlassung. Benedix bestätigt dies nicht und gibt an, Ennullat am 10. August 2007 telefonisch nicht erreicht zu haben. Außerdem sagt Tiedge, dass Benedix offensichtlich das vorgeschriebene Anhörungsverfahren nicht eingehalten habe. Das sieht der Zeuge anders und bekräftigt zugleich nochmals seinen Fehler, Ennullat nicht vorschriftsmäßig ermächtigt zu haben. „Das ist so ein Schmarr`n.“, kommentiert Guido Kosmehl diese Aussage. Tiedge bleibt dennoch bei ihrer Einschätzung: „An diesem Tag hätten sie keine Entscheidung mitteilen dürfen, weil es nicht gesetzeskonform gelaufen ist.“

„Das ist so ein Schmarr`n.“ (...) "An diesem Tag hätten sie keine Entscheidung mitteilen dürfen, weil es nicht gesetzeskonform gelaufen ist.“
Guido Kosmehl 

Nach diesem Disput über Verfahrensfragen bitten Rainer Benedix um eine Pause, um im Gesetzestext nachzuschauen. Nach einer Unterbrechung setzt das Gremium die Sitzung fort. Der Zeuge sagt aus, dass er sich um „Herrn Ennullat ein neutrales Verfahren zu sichern“ dafür entscheiden haben, nach Paragraph 4 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes den Vorgang an das Innenministerium (MI) abzugeben. „Das muss dann schon von Oben kommen.“, sagt Gudrun Tiedge dazu. Er selbst habe überhaupt nicht die Befugnis, etwas an das MI zu delegieren. „Ich habe meine Befugnisse nicht überschritten, ich habe das ja in Abstimmung mit der Behördenleitung gemacht.“, antwortet Benedix. Es könne sein, dass er am 10. August 2007 dieses Vorgehen mit der Präsidentin abgestimmt habe. Gudrun Tiedge offeriert dem Ausschuss, dass Brigitte Scherber-Schmidt an diesem Tag im Urlaub gewesen sei und ermahnt den Zeugen: „Ich mache es ungern, ich möchte Sie an die Belehrung erinnern.“ Die Linke-Vertreterin hakt nach: „Nun sagen sie uns bitte noch einmal, woran sie die Zuständigkeit des Innenministeriums in diesem speziellen Fall ableiten?“ Der Zeuge bleibt bei seiner Interpretation, dass das Gesetz ein solches Verfahren vorsehe: „Hier ist nichts erfolgt, durch mich nicht.“ Ein rechtswidriges Verhalten seinerseits könne er nicht erkennen.

„Nun sagen sie uns bitte noch einmal, woran sie die Zuständigkeit des Innenministeriums in diesem speziellen Fall ableiten?“
Gudrun Tiedge 

„Hier ist nichts erfolgt, durch mich nicht.“
Rainer Benedix

Außerdem sagt Benedix, dass er von der Unterredung mit Ennullat ein Protokoll erstellt habe. Dies habe er kurz danach angefertigt, wann genau könne er heute nicht mehr sagen. „Wir hatten so einen Fall überhaupt noch nicht. Es war das erste Mal, dass ich eine Versagung erteilen musste.“, so der Geheimschutzbeauftragte. Der Fall an sich wäre ungewöhnlich gewesen. „Ja, absolut“, schätzt Benedix die negativen Folgen ein, die eine Nichterteilung einer Konferenzbescheinigung für den beruflichen Werdegang eines Beamten haben könne. „Waren sie befangen?“, fragt Gudrun Tiedge. Das verneint der Zeuge und führt aus: „Nee, ich versuche sehr neutral zu sein.“ Nochmals von Tiedge zum vorgeschriebenen Verfahren befragt, führt Rainer Benedix aus: „Man kann Punkt und Komma sicherlich strapazieren. Aber im Interesse des Beamten bin ich andere Wege gegangen.“ 

„Wir hatten so einen Fall überhaupt noch nicht. Es war das erste Mal, dass ich eine Versagung erteilen musste.“ 
Rainer Benedix

"Man kann Punkt und Komma sicherlich strapazieren. Aber im Interesse des Beamten bin ich andere Wege gegangen.“ 
Rainer Benedix

Erich Reichert (CDU) will von Rainer Benedix wissen, ob im Verfahren das gestörte Verhältnis zwischen Ennullat und der Behördenleitung eine Rolle gespielt habe, schließlich habe der ehemalige Staatsschützer die damalige Polizeipräsidentin angezeigt. „Dieses Vertrauensverhältnis spielt ja eher im Disziplinarrecht eine Rolle.“, gibt der 56jährige zu Protokoll. Persönliche Kontakte und Befindlichkeiten hätten ihn in seiner Entscheidung nicht beeinflusst: „Ich wollte neutral bleiben, weitestgehend.“

Der SPD-Politiker Norbert Bischoff fragt nach der Dauer der Unterredung mit Ennullat am 10- August 2007. Das Gespräch sei nach 15 bis 20 Minuten beendet gewesen. „Er hat das zur Kenntnis genommen, ohne Kommentar.“, erinnert sich Benedix an die Reaktion Ennullats. „Konnten Sie davon ausgehen, dass das Gespräch vertraulich bleibt?“, fragt der Abgeordnete weiter. Benedix berichtet dem Gremium, dass er Ennullat auf die Vertraulichkeit in der obligatorischen Belehrung hingewiesen habe: „Das habe ich aus dem Grund gemacht, damit es am anderen Tag nicht wieder in der Zeitung steht.“

„Konnten Sie davon ausgehen, dass das Gespräch vertraulich bleibt?“
Norbert Bischoff

Guido Kosmehl setzt hier an und möchte wissen ob er als Geheimschutzbeauftragter bei jedem anderem Gespräch ausschließen könne, dass Inhalte an die Öffentlichkeit gelangen würden. „Ja“, ist Benedix überzeugt. „Mir ist immer noch nicht klar wie Sie dazu kommen, den Paragraph 4 Abs. 1 so heranzuziehen?“, stellt der FDP-Mann dem Zeugen  eine weitere Frage. „Weil ich es so ausgelegt habe.“, entgegnet der Dezernatsleiter. Kosmehl fragt nun nach den inhaltlichen Veränderungen und Widersprüchen in zwei Schreiben Benedixs an das Innenministerium. In einem Schriftsatz am 10. August 2007 habe er der übergeordneten Dienststelle in Magdeburg das Ergebnis der Ennullat-Unterredung mitgeteilt und davon gesprochen, dass der Fall an die zuständige Stelle übermittelt worden sei. In der Version am 28. August 2007, also 18 Tage nach dem Gespräch, wäre in dem Papier plötzlich zu lesen gewesen, dass „diese zuständige Stelle entscheidet.“ Benedix antworten kurz: „Das Schreiben vom 28. August ist für mich relevant in dieser Sache.“ Kosmehl reicht das nicht aus: „Herr Benedix, Sie sind der Geheimschutzbeauftragte der PD Dessau gewesen und damit die Stelle, die entscheidet.“ Der FDP-Politiker möchte vom Zeugen erneut wissen wie er zu der Interpretation komme, dass das MI in diesem Fall die zuständige Stelle sei.

Schließlich konfrontiert Kosmehl den 56jährigen mit der Aussage Ennullats in der dieser angibt, in einem Widerspruchsbescheid vom 26. September 2007 vom Ministerium erfahren zu haben, dass er auf Grund der versagten Konferenzbescheinigung sein Studium nicht fortsetzen könne. Kosmehl zitiert nun aus diesem Bescheid und meint dazu: „Das heißt aus meiner Sicht, dass das MI ihre Entscheidung zur Kenntnis genommen hat, aber nicht neu entscheiden hat.“

„Das Schreiben vom 28. August ist für mich relevant in dieser Sache.“
Rainer Benedix

"Herr Benedix, Sie sind der Geheimschutzbeauftragte der PD Dessau gewesen und damit die Stelle, die entscheidet.“
Guido Kosmehl 

Schließlich gibt Benedix an, nach dem 10. August 2007 beim Verfassungsschutz gewesen zu sein, um sich mit den dortigen Beamten über den Fall Ennullat zu unterhalten. Daraufhin stellt der Ausschussvorsitzende Jens Kolze (CDU) Nichtöffentlichkeit her, um den Zeugen zu diesem Gespräch zu befragen.

Danach führt Benedix aus, vom Polizeiprozessbeobachter der die Hauptverhandlung um den Feuertod Oury Jallohs in einer Dessauer Polizeizelle begleitet, erfahren zu haben, dass Ennullat vor dem Landgericht ausgesagt habe, an der Polizeiführungsakademie zu studieren. „Ich kann es doch nicht ausschließen.“, antwortet der Zeuge auf die Frage Gudrun Tiedges, ab er aus diesem Umstand schließe, dass das MI für Ennullat schließlich doch eine Konferenzbescheinigung ausgestellt hätte. Schließlich wäre er nicht die einzige Stelle, die darüber entscheiden würde. Außerdem gibt Benedix an, die Geheimschutzakte Ennullats zur Zeit nicht zu verwalten. Die liege im Verfassungsschutz.

Auf Nachfrage Kosmehls räumt der Zeuge ein, auf der Pro-Glombitza-Unterschriftenliste unterschreiben zu haben. Dies hätte seine Neutralität im Fall Ennullat nicht beeinträchtigt. Er persönlich habe sich dafür ausgesprochen, dass Ennullat eine Dienstposten in der PD Dessau antrete. Ennullat habe zunächst in seiner Abteilung begonnen und er habe den jungen Beamten damals angeleitet. „Es trat dann ein Fakt ein wo ich feststellen musste, dass Herr Ennullat über den Dingen steht.“, sagt er zu späteren Entwicklung des ehemaligen Staatsschützers. Analog habe er eine solche Veränderung auch bei Sven Gratzik beobachtet. „Die Sache hat sich von Seiten der drei Personen absolut verselbständigt.“, beurteilt Rainer Benedix das Wirken der Beamten Gratzik, Ennullat und Kappert.

„Es trat dann ein Fakt ein wo ich feststellen musste, dass Herr Ennullat über den Dingen steht.“
Rainer Benedix

Dr. Helga Paschke (Linke) will vom Geheimschutzbeauftragten wissen, warum er denn erst am 10. August 2007, am Tage der Ennullat-Anhörung, in der Behördenleitung nachgefragt habe, ob Bedenken gegen den Beamten vorlegen. Dies wäre hinsichtlich einer adäquaten Vorbereitung eines Gespräches doch recht kurzfristig. „Herr Ennullat sollte von mir am 10.08. ermächtigt werden.“, gibt der Befragte an. Außerdem räumt Benedix ein, vom Innenministerium nie eine Information bekommen zu haben, dass Magdeburg nun „Herr des Verfahrens Ennullat“ sei: „Dieses Zulassungsverfahren ist halt unabhängig von mir, das ist so ein Zwitterverfahren. Juristisch ist es falsch, das weis ich.“ 

„Dieses Zulassungsverfahren ist halt unabhängig von mir, das ist so ein Zwitterverfahren. Juristisch ist es falsch, das weis ich.“  
Rainer Benedix

Gudrun Tiedge möchte nochmals mehr zum Erlass des MI wissen, der die Konferenzbescheinigungen für die Aufstiegsanwärter Sachsen-Anhalts geregelt habe. „Herr Ennullat war handschriftlich eingefügt.“, erinnert sich der Zeuge. Außerdem fragt die Abgeordnete nach, ob er am 09. oder 10. August 2007 aus dem MI einen Anruf bekommen habe in dem er aufgefordert worden sei, seine möglichen Entscheidung zur Erteilung der Konferenzbescheinigung für Ennullat zu überdenken. Dies verneint Rainer Benedix. Der 56jährige Beamte wird nach 3 Stunden Befragung entlassen. Der Ausschuss kündigte zudem an, ihn nochmals zu hören.

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