Projekt Gegenpart Projekt Gegenpart
Das Internetportal für Dessau und Umgebung
Träger
Beratung und Unterstützung lokaler Akteure
Kooperationspartner & Initiativen gegen Rechts
Aktionsplan für Demokratie und Toleranz
Veranstaltungstips
Der antirassistische Newsletter für Dessau und Umgebung
Die Chronik >Sagt nicht, Ihr hättet von nichts gewußt!<

Fortsetzung Magdeburger Untersuchungsausschuss 14. Januar 2008

Teil 3

Der Personalleiter wird befragt

„Es entwickelte sich zu Beginn 2005 eine rege Personalfluktuation.“
Lutz Gutewort

Um 14.20 Uhr betritt PHK Lutz Gutewort den Saal im Landtag. Er arbeite seit 2003 im Dezernat Personal der Polizeidirektion Dessau [heute Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost, Anm. d. Red.]. Er habe die Ära Sven Gratziks in der Direktion mit verfolgt, seitdem dieser von seinem Studium auf der Polizeifachhochschule zurück gekommen sei und infolge dessen das Fachkommissariat Staatsschutz geleitet habe. „Es entwickelte sich zu Beginn 2005 eine rege Personalfluktuation.“, so der Zeuge und erläutert seine Einschätzung, dass er „24 Personalmaßnahmen“ für einen solch kleinen Bereich wie den Staatsschutz als sehr überdurchschnittlich empfinde. Der Zeuge führt, Gratzik zu Gute haltend, die innovativen Erneuerungen an, die dieser in der Abteilung eingeführt habe. Zum Beispiel, dass Gratzik die Abteilung neu strukturiert habe und sie in die Bereiche „GIA“ (Gefahrenabwehr – Informationsbeschaffung – Auswertung, Anm. d. Red.) und „Verfahrensbearbeitung“ geteilt habe.


Zur Bewertung des Führungsstiles des damaligen Leiters der Abteilung Staatsschutz Sven Gratzik führt der Zeuge aus, dass ohne dessen ausdrücklich Zustimmung niemand in das Fachkommissariat 4 (polizeilicher Staatsschutz / jetzt Fachkommissariat 5, Anm. d. Red.) gekommen sei oder dieses verlassen hätte können. Ferner führt er zu diesem Komplex aus, dass es während dieser Zeit Beamte gegeben habe, die bereits sechs Wochen nach Arbeitsbeginn im Staatsschutz  das Handtuch werfen wollten, selbst Beamte, die aus dem LKA für das FK 4 Dessau abgeworben wurden, hätten nach sechs Wochen wieder das Gespräch mit der Personalabteilung gesucht. Ein Beamter ist dem Zeugen Gutewort erinnerlich. Dieser habe gebeten, wieder in das LKA zurück zu dürfen oder auch irgendwo anders hin, er habe aber „auf alle Fälle“ wieder raus gewollt aus der Fachabteilung unter Gratziks Leitung, gibt Gutewort zu Protokoll. Heute seien, laut Zeugen, noch vier Beamte des alten Stammes in der Abteilung, alle anderen wären teils aus eigenem Ersuchen, teils auf Gratziks Drängen hin versetzt worden.


Das Mitglied des Untersuchungsausschusses, Guido Kosmehl, geht nun zunächst auf die Zahlenunterschiede bzgl. der Personalwechsel ein. Der Zeuge konkretisiert, dass 24 Personalmaßnahmen natürliche heiße, dass nicht 24 Mitarbeiter die Abteilung durchliefen, sondern Personalveränderungen, Eintritt wie Austritt aus dem jeweiligen Bereich, als einzelne Maßnahmen gezählt werde und somit eigentlich 12 Personalwechsel stattgefunden hätten. Ferner gibt der Zeuge zu Protokoll, dass zu den 17 Mitarbeitern des Staatsschutzes alle zählen würden, der eigentliche Stamm seien aber 14 Beamte inklusive der Abteilungsleitung. Zur Mehrarbeit in der Abteilung befragt gibt Gutewort zu Protokoll, das der Abteilungsleiter Gratzik damals nur für sich selbst, Ennulatt, Kappert und dem Beamten Höff (mittlerer Dienst) eine Vergütung der Überstunden beantragt hätte. Gutewort habe daraus geschlussfolgert, dass die Überlastungsanzeigen, die aus der Abteilung Staatsschutz derzeit bekannt gegeben wurden,  nur auf die Arbeitsweise Ennulatts, Kapperts und Gratziks zurück zuführen seien. Diese hätten entgegen den anderen Mitarbeitern wesentlich mehr Überstunden zu verbuchen gehabt. Laut dem Personalchef habe Sven Gratzik beispielsweise im Februar 2006 innerhalb eines Monats 80 Überstunden angesammelt.


Das Mitglied des Untersuchungsausschusses Siegfried Borgwardt hält dem Personalchef vor, dass die Summe der Überstunden nicht mit den Vergütungen übereinstimme. Laut Gutewort habe sich die Polizeidirektion damals entschieden, die Überstunden nur für Gratzik und Ennunlatt zu vergüten, nicht aber für den Kollegen Kappert. Die Nebentätigkeitsgesuche Sven Gratziks trotz Überbelastung hätten aus Sicht Guteworts ausschließlich steuerrechtliche Gründe gehabt, eine Ausübung der Tätigkeit sei ihm nicht bekannt. Dass diese angemeldete Nebentätigkeit „zur Ausübung der dienstlichen Tätigkeit“ gedacht gewesen sei, könne sich Gutewort nicht erklären. Nach seiner Auffassung werden die für Ermittlungen notwendigen Möglichkeiten, die diese Nebentätigkeit offeriert, auch von Seite der Behörde geboten. Die „Leistungsparameter“ der Abteilung Staatsschutz der Polizeidirektion seien unter der Leitung Sven Gratziks angestiegen, bestätigt der Zeuge auf Nachfrage Borgwardts Diesem Wandel wären einige Mitarbeiter nicht gerecht geworden und würden somit die „überdurchschnittlichen“ Personalwechsel des Fachkommissariats erklären.


Untersuchungsausschussmitglied Frau Dr. Helga Paschke lässt sich eingangs ihrer Befragung vom Zeuge Gutewort nochmals explizit bestätigen, dass die Personalwechsel der Abteilung nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Leiters Gratzik von statten gingen, diese Regelung habe laut Gutewort immer Bestand gehabt. Unregelmäßigkeiten bezüglich Aktennotizen aus Personalgesprächen kann der Personalleiter nicht aufklären. So ist nicht zu ermitteln, wieso teils Aktennotizen vorhanden sind, wenn aber der Mitarbeiter Herr Kloppe den Zeugen nach 20.00 Uhr angerufen habe, ihm mitgeteilt habe: „Ich kann nicht mehr.“, und Herr Gratzik dessen Versetzung mit: „Der packt es nicht.“, zugestimmt habe, wiederum keine Notiz in der Personalakte zur Folge hatte. Ferner bestätigt der Personalchef Gutewort, dass das Gesprächsprotokoll vom 05.Februar 2007 ihn auf dem regulären Dienstweg erreicht hätte.


Bernward Rothe hakt bei dem Zeugen zu einem Personalgespräch zwischen Gutewort und Swen Ennulatt nach. Ennulatt habe am 11. Januar 2007 ihm gegenüber geäußert, er wolle in den Höheren Dienst aufsteigen, die Leitung eines Polizeirevieres, wie es ihm angeboten wurde, würde ihn unterfordern. Diese Gespräche hätte Gutewort protokolliert. Christian Kappert wiederum hätte bei einem Personalgespräch bezüglich seiner weiteren Verwendung gemeint, er habe von Sach- und Vorgangsbearbeitung keine Ahnung. Das verwundere den Zeugen Gutewort, hatte doch Sven Gratzik dem Beamten Kappert bescheinigt, dass dieser Sach- und Vorgangsprozesse schnell und gut überblicken und erfassen könne. Kappert sei in Personalgesprächen angeboten wurden, sich auch zukünftig mit Rechtsextremismus beschäftigen zu können. Beispielsweise hätte er Prävention und Gefährdeansprachen oder als Ansprechpartner für Staatsschutzanliegen im Polizeirevier fungieren können. Diese Angebote habe Kappert laut Aussage des Personalchefs ausgeschlagen. Zum eingereichten Umsetzungsantrag Gratziks äußert der Zeuge, dass der Leiter des FK4s bereits Anfang des Jahres hätte versetzt werden sollen,  und zwar in das Polizeirevier Köthen. Seiner Tätigkeit als Leiter der Abteilung in der Polizeidirektion sei von der Führungsspitze ohnehin lediglich für zwei Jahre angedacht gewesen.

„Die Fluktuation war mit Weggang Herrn Gratziks beendet.“
Lutz Gutewort


Guido Kosmehl fragt den Personalchef der PD Dessau  (jetzt PD Sachsen-Anhalt Ost, Anm. d. Red.) weshalb er im Protokoll zu dem Personalgespräch mit Swen Ennulatt notiert habe, dass Ennulatt die Äußerungen bezüglich einer Unterforderung seiner Person „lächelnd“ getätigt habe. Dies erschiene dem Zeugen damals als wichtig, da Ennulatt auf ihn überheblich gewirkt habe. Auf ein „Kontaktverbot“ angesprochen, welches Sven Gratzik am 16.05.2007 zugestellt worden sei, führt der Zeuge aus: Gratzik habe die Angestellte Frau Wein privat angerufen, um sie zu fragen wie es im FK4 laufe und was mit der Unterschriftensammlung für den Polizeivize Hans-Christoph Glombitza sei. Frau Wein habe mit: „Lass mich da raus.“, abgewehrt und sich daraufhin an den Personalchef Gutewort gewandt. Dieser habe Gratzik mitgeteilt, er solle es unterlassen, Bedienstete der Direktion privat zu kontaktieren, um an Informationen zu gelangen und habe ihm das „Kontaktverbot“ schriftlich zugestellt. Als Gratzik Frau Wein daraufhin nochmals angerufen habe, hätte Gutewort dazu einen Aktenvermerk gefertigt, da dies einen Verstoß gegen das „Kontaktverbot“ dargestellt habe.
Auf Erich Reicherts Frage hin bestätigt der Zeuge: „Die Fluktuation war mit Weggang Herrn Gratziks beendet.“ Aktuell gäbe es Personalwechsel nur bedingt durch die Polizeistrukturreform, die ab Januar 2008 in Kraft getreten sei.

„Beide haben gesagt, dass sie weg wollten, keiner hat gesagt, dass sie mit dem Führungsstil Herrn Gratziks nicht einverstanden sind.“


Gudrun Tiedge will genau wissen, wer vehement aus der Abteilung weg wollte. Gutewort kann diesen konkreten Wunsch nur auf zwei Beamte zurückführen, Herr Kloppe und Herr Weber. Ferner bestätigt der Zeuge den Vorhalt: „Beide haben gesagt, dass sie weg wollten, keiner hat gesagt, dass sie mit dem Führungsstil Herrn Gratziks nicht einverstanden sind.“ Tiedge fragt den Zeugen, warum Herr Gratzik der Zugang in die Räumlichkeiten jener Abteilung verunmöglicht wurde, die er selbst bis August 2007 geleitet habe. Gutewort sei lediglich bekannt, dass Gratzik das Kommissariat bis April 2007 offiziell geleitet hätte, die Wahrnehmung des Dienstes sei ihm darüberhinaus verwehrt worden.


Guido Kosmehl geht nun nochmals auf die hohe Fluktuation des Personals ab 2005 im Dessauer FK 4 ein. Der Zeuge führt dazu aus, dass es seiner Meinung nach nicht notwendig gewesen sei die Leitung des FK4 zu verändern, aber ein Gespräch mit Sven Gratzik hätte von den Vorgesetzten gesucht werden müssen. Da von Gratzik selbst gesuchtes Personal aus dessen damaliger Abteilung schnell wieder weg wollte, habe der Zeuge Gutewort Ende 2006 mit dem Polizeivize Hans-Christoph Glombitza eine Unterhaltung gehabt und diesen dann dazu angehalten, das Gespräch mit Sven Gratzik zu suchen.
Gudrun Tiedge fragt den Zeugen wiederum, weshalb in Erwägung gezogen worden sei, einen Beamten, dem mangelnde Führungskompetenzen attestiert worden wären, statt der Leitung von 14 Mitarbeitern die Leitung eines Revieres mit 70 Beamten übertragen werden solle.

Auf Nachfrage des Ausschussmitgliedes Rothe bestätigt Lutz Gutewort, dass Sven Gratzik mittlerweile wieder im Dienst sei. Er leite aktuell wieder ein Fachkommissariat in der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd.


Der Abteilungsleiter der Verwaltung wird zum Fall befragt

Etwa 16.00 Uhr betritt Matthias Hesse den Saal des Untersuchungsausschusses. Er habe zum Zeitpunkt der hier verhandelten Geschehnisse die Abteilung Verwaltung in der Polizeidirektion Dessau geleitet. Aktuell sei er im Statistischen Landesamt eingesetzt.

„Ich habe Herrn Glombitza als einen Kollegen kennengelernt, der das Thema regelmäßig und rigoros in den Dienstbesprechungen angesprochen hat.“
Matthias Hesse


„Ich habe Herrn Glombitza als einen Kollegen kennengelernt, der das Thema regelmäßig und rigoros in den Dienstbesprechungen angesprochen hat.“, gibt der Zeuge bezüglich der Einstellung des damaligen Vizechefs der Polizeidirektion zum Thema Rechtsextremismus zu Protokoll.


Auf Nachfrage Guido Kosmehls gibt Hesse an, von dem Gespräch und dem daraus entstandenem Protokoll erstmals am 10. April 2007 konkret erfahren zu haben. Der Personalleiter Lutz Gutewort sei mit dem Protokoll zu ihm gekommen und beide seien daraufhin zur damaligen Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt gegangen. Weiter führt der Zeuge aus, dass er mit Georg Findeisen damals eine Fahrgemeinschaft gebildet habe, da sie beide aus der selben Stadt kämen. Findeisen habe auf einer Fahrt Mitte oder Ende März 2007 ihm gegenüber einmal ein brisantes Protokoll erwähnt, was ihm bekannt geworden sei, aber der Sachverhalt habe sich für Hesse damals nicht weiter erschließen lassen.


Gudrun Tiedge antwortet der ehemalige Abteilungsleiter der Verwaltung, er hab Sven Gratzik gesagt, dass er es „unglücklich“ fände, wenn dieser das Fachkommissariat, welches er derzeit theoretisch noch leitete, betreten würde. Ein Beamter des Polizeirevieres Köthen sei daraufhin am nächsten Tag instruiert worden, um die persönlichen Sachen Gratziks aus dessen ehemaligen Büro abzuholen. Sven Gratzik habe sich infolgedessen für den reibungslosen Ablauf bei Hesse telefonisch bedankt, so der Zeuge.
Auf Kosmehls Fragen hin gibt Hesse an, dass Georg Findeisen von dem Protokoll wohl erfahren habe, weil das Dezernat 21, in dem dieser sitzt, und das FK 4 eine gute Zusammenarbeit gepflegt hätten. Zwischen Findeisen und Gratzik habe seiner Auffassung nach, darüberhinaus eine „Arbeitsfreundschaft“ bestanden.
Der Zeuge Hesse habe laut eigenem Bekunden nicht mit Gratzik über die hohe Fluktuation in dessen Abteilung gesprochen. Nach seinen Informationen hätten ausschließlich die Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt und ihr Stellvertreter Hans-Christoph Glombitza das Problem mit dem damaligen Staatsschutzleiter Gratzik besprochen.


Die ehemalige Polizeipräsidentin sagt aus

„Aus meiner Sicht gab es zu keinem Zeitpunkt einen Schwerpunktwechsel in der Polizeidirektion Dessau.“
Brigitte Scherber-Schmidt

16.25 Uhr betritt die 49-jährige Brigitte Scherber-Schmidt den Ausschusssaal. Die Zeugin war zum Zeitpunkt der „Dessauer Staatsschutzaffäre“ Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Dessau [heute Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Ost, Anm. d. Red.]. Heute leitet sie das Referat 21 „Recht der Gefahrenabwehr/ Recht der Polizei“ im Innenministerium. „Aus meiner Sicht gab es zu keinem Zeitpunkt einen Schwerpunktwechsel in der Polizeidirektion Dessau.“, gibt sie als Eingangsstatement zu Protokoll. Um den „Tanker“ Polizeidirektion zu drehen, wäre ihrer Meinung nach mehr notwendig gewesen, als dass was ihr Stellvertreter gegenüber den drei ehemaligen Staatsschützern gesagt haben soll. Während ihrer Tätigkeit als Polizeipräsidentin sei kein Schwerpunktwechsel in der Arbeit der Polizeidirektion und speziell im Fachkommissariat „polizeilicher Staatsschutz erfolgt oder gar von ihr angewiesen“ worden.


Gudrun Tiedge hält der Zeugin die Aussage vor: Dass das Dezernat 21 der PD Dessau gemeint habe, das der Sachverhalt als so brisant eingeschätzt worden sei, dass dies unmöglich an der Polizeipräsidentin vorbei hätte bearbeitet werden können. Dazu gibt Scherber-Schmidt zu Protokoll, dass, als sie vom Gedächtnisprotokoll der drei Staatsschützer erfuhr, zuerst den Gedanken an einen Runden Tisch gehabt habe. Nach der Beratung mit Matthias Hesse, dem Leiter der Verwaltung, und einer dritten Person sei sie wiederrum davon überzeugt gewesen, bezüglich des Sachverhaltes den offiziellen Weg gehen zu müssen und habe daraufhin das vorliegende Protokoll an die Staatsanwaltschaft übergeben. Der Oberstaatsanwalt habe den Inhalt des Schriftstückes auf strafrechtliche Relevanz prüfen sollen. Anschließend habe die Polizeipräsidentin einen Beamten im Innenministerium kontaktiert, um ihn über den Sachverhalt und die von ihr eingeleiteten Schritte in Kenntnis zu setzen. Das angefertigte Gedächtnisprotokoll des Gespräches vom 05. Februar 2007, sowie die schriftliche Erklärungen der drei damaligen Staatsschützer habe Brigitte Scherber-Schmidt in einem Bericht dann an das Innenministerium gesandt.

„Ich war schlichtweg stocksauer, dass er so etwas zwei Monate mit sich herumtrug.“
Brigitte Scherber-Schmidt


Die Zeugin habe Sven Gratzik infolgedessen einmal darauf angesprochen, weil sie diese Vorgehensweise als Vertrauensbruch empfand: „Ich war schlichtweg stocksauer, dass er so etwas zwei Monate mit sich herumtrug.“, so Scherber-Schmidt dazu. Sie sei sich sicher, dass Sven Gratzik der Auffassung gewesen sei, dass die Weisungen von Hans-Christoph Glombitza mit der Behördenleitung hätten abgesprochen sein müssen, deswegen habe er sich nicht an sie, als Diensthöchste in der Direktion gewandt. Ein Protokoll zu diesem Gespräch sei nicht angefertigt worden. In der gleichen Woche hätte der Staatsschützer Kappert sie um einen Termin gebeten und wollte diesen zusammen mit der Polizeipfarrerin wahrnehmen. Scherber-Schmidt gibt zu Protokoll, dass sie sich trotz der Schweigepflicht der Polizeipfarrerin von dieser einen Hinweis erwartet hätte, „dass sich da was zusammen braut“. Kappert hätte geäußert, dass er nicht wisse, ob er mit einer anderen Leitungsspitze im Fachkommissariat Staatsschutz loyal zusammenarbeiten könne. Der Personalchef Lutz Gutewort habe dieses Gespräch führen sollen. Er hätte Kappert vier oder fünf Vorschläge unterbreitet, wo dieser hin wechseln könnte. Mit dem Staatsschützer Swen Ennulatt habe sie selbst kein Gespräch zu diesem Sachverhalt geführt. Die Zeugin ist der Auffassung, es sei „ihre Pflicht gewesen, sich damit an mich zu wenden.“ Und meint damit die drei Staatschützer Christian Kappert, Swen Ennulatt und Sven Gratzik. Mit Hans-Christoph Glombitza habe sie ebenfalls ein Gespräch diesbezüglich geführt, sie habe ihn aufgefordert, ein dienstliche Erklärung dazu abzugeben.

„Diesen Vorwurf, ich kann ihn heute noch nicht nachvollziehen."
Brigitte Scherber-Schmidt


Auf die Nachfragen Guido Kosmehls bestätigt die damalige Polizeipräsidentin, dass Differenzen wegen der Statistik zwischen der erstellenden und der kontrollierenden Behörde völlig normal seien. Zu dem Vorwurf, den die drei Staatsschützer Glombitza machten, meint die Zeugin: „Diesen Vorwurf, ich kann ihn heute noch nicht nachvollziehen.“ Sie empfinde ihn als „absurd“. Scherber-Schmidt gibt an, dass sie selbst nach dem ersten Presserummel einen Beitrag ins Intranet der Polizei gebracht hätte. Die scheinbaren Zusammenhänge mit dem Fall Oury Jalloh, bei dem sich zwei Polizeibeamte gegen den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit wehren müssen, empfinde sie als tragisch [mehr dazu unter www.prozessouryjalloh.de , Anm. d. Red.]. Die Polizeipräsidentin habe zu Sven Gratzik geäußert, dass er und sein Fachkommissariat gefälligst so weiter arbeiten sollten, wie vor dem Gespräch mit Glombitza. Wenn es trotzdem Probleme gäbe, solle er sich melden.
Auf die Fragen Bernward Rothes bestätigt die Zeugin, dass das Fachkommissariat unter Gratzik personell sehr gut gefördert worden sei. Zur hohen Fluktuation der Mitarbeiter aber habe die Polizeipräsidentin nie ein Gespräch mit dem damaligen Leiter Sven Gratzik geführt.

„Nach dieser Aktion wollte ich ihn nicht mehr als FK4-Leiter sehen.“
Brigitte Scherber-Schmidt


Gudrun Tiedge will von der Zeugin wissen, ob der Grund für ihr Eintrag im polizeiinternen Intranet Werbung für Glombitza oder Diffamierung der drei Staatsschützer gewesen sei. Scherber-Schmidt entgegnet, dass der Anlass ein großer Artikel auf Seite Drei in der Mitteldeutschen Zeitung gewesen sei, in dem Sven Gratzik gefordert habe: „Ich will meinen Job zurück.“ Die Zeugin gibt zu Protokoll, dass Gratzik eigentlich bis zur Polizeistrukturreform Januar 2008 hätte Leiter des Fachkommissariats bleiben sollen, aber „Nach dieser Aktion wollte ich ihn nicht mehr als FK4-Leiter sehen.“ Er hätte als Revierleiter eingesetzt werden sollen und habe sich auch nicht gegen diese Planung ausgesprochen. Ferner äußert Scherber-Schmidt zum Anlass des eingestellten Artikels, dass an irgendeiner Stelle die Beamten der Polizeidirektion natürlich auch haben wissen wollen, „Was denkt unsere Spitze dazu?“


Für die damalige Polizeipräsidentin Brigitte Scherber-Schmidt seien die diffamierenden Äußerungen ihres ehemaligen Stellvertreters Glombitza, bezüglich der Landeskampagne „Hingucken“ „die eine Sache“, viel schwerwiegender empfand sie jedoch den Vorwurf, er solle Ermittlungen gegen Rechtsextremismus gebremst haben. Die Versetzungen der drei Staatsschützer, so die Zeugin, hätten keinen Zusammenhang mit dem angefertigten Gedächtnisprotokoll gehabt.
Auf Nachfragen Jens Kolzes entgegnet die Zeugin, dass es eine Interviewgenehmigung für Sven Gratzik nie gegeben hätte. Wo keine Genehmigung vorläge, ginge das ihrer Auffassung nach schon in Richtung disziplinarrechtliche Vorprüfung.


Guido Kosmehl will von der ehemaligen Polizeipräsidentin wissen, weshalb sie in ihrem Artikel im Intranet nicht die Abwertungen Glombitzas in Hinblick auf die Landeskampagne „Hingucken“ für ein demokratisches und weltoffenes Sachsen-Anhalt thematisiert habe. Scherber-Schmidt habe zu diesem Zeitpunkt keine langen Abhandlungen machen wollen, ihr sei es einzig und allein um den Kernvorwurf gegen ihren Stellvertreter gegangen. Sie habe aufgrund dieser Vorwürfe die Richtung der gesamten Direktion ins Schwanken kommen sehen. Sie sei quasi nur die Übermittlerin gewesen, antwortet die heutige Referatsleiterin im Innenministerium darauf, weshalb sie sich genötigt gesehen habe, zu einem Zeitpunkt als eine unabhängige Stelle zu diesem Sachverhalt ermittelte, Ausführungen von Hans-Christoph Glombitza mit einem persönlichen Anschreiben von sich an die ermittelnde Stelle weiterzuleiten.

„Gab es ein Fax Ihrer Behörde, das den dreien untersagte mit unserer Fraktion zu reden?“
Gudrun Tiedge


Mit einem klaren „Ja.“ beantwortet Brigitte Scherber-Schmidt die abschließende Frage von Gudrun Tiedge: „Gab es ein Fax Ihrer Behörde, das den dreien untersagte mit unserer Fraktion zu reden?“

weiter hier...

News

 

projektgegenpart ist umgezogen

 

weiter...

3. Workshop für Bürgerbündnisse und lokale Akteure: "Vor Ort aktiv gegen Rechtsextremismus – gemeinsam oder einsam?"

weiter...

Amtsgericht Burg: Rechte Schläger wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt

weiter...

Neues von der Kampagne "Kein Bock auf Nazis"

weiter...

Verlegung der ersten Stolpersteine am 19. Mai 2008 in Dessau-Roßlau

weiter...

1708 Opfer rechter Gewalt in Ostdeutschland

weiter...

Spendenaufruf für Zeitzeugenarchiv

weiter...

gemeinsamer Spendenaufruf für Oury Jalloh

weiter...






News > Archiv