Projekt Gegenpart Projekt Gegenpart
Das Internetportal für Dessau und Umgebung
Träger
Beratung und Unterstützung lokaler Akteure
Kooperationspartner & Initiativen gegen Rechts
Aktionsplan für Demokratie und Toleranz
Veranstaltungstips
Der antirassistische Newsletter für Dessau und Umgebung
Die Chronik >Sagt nicht, Ihr hättet von nichts gewußt!<

„Beim ersten Mal dachte ich: `Skandal`. Beim zweiten Mal dachte ich: Da ist nichts dran, wo man strafrechtlich ansetzen kann.“

 Magdeburger Untersuchungsausschuss befragt erneut Zeugen zur Dessauer Staatsschutzaffäre

Der Leiter des Zentralen Kriminaldienstes wird befragt

„Sie sagten ja wahrheitsgemäße Aussage, damit möchte ich beginnen.“, eröffnet der Kriminaldirektor Norbert Postler seine Ausführungen vor dem 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Das Gremium beschäftigt sich auch in seiner zweiten öffentlichen Sitzung ausschließlich mit der Dessauer Staatsschutzaffäre (mehr dazu hier…) und (hier…).

Postler gibt an, seit 1990 bei der Polizei tätig gewesen zu sein. In den Dienstjahren habe er bereits verschiedene Abteilungen geleitet. Zuletzt als Leiter im Zentralen Kriminaldienst (ZKD).

„Da gibt es mehrere Wahrheiten, ich kann ihnen nur meine präsentieren.“
Norbert Postler

„Für mich gibt es keine Dessauer Polizeiaffäre und auch keine im Land Sachsen-Anhalt.“
Norbert Postler

„Da gibt es mehrere Wahrheiten, ich kann ihnen nur meine präsentieren.“, sagt der Zeuge zur möglichen Staatsschutzaffäre an den Ausschussvorsitzenden Jens Kolze (CDU) gerichtet. Er hält für sich zudem unmissverständlich fest: „Für mich gibt es keine Dessauer Polizeiaffäre und auch keine im Land Sachsen-Anhalt.“, „Es sind Fehler passiert, es lief nicht alles glatt.“, aber „Es ist keine Affäre, es sind Fehler passiert.“ Diese Fehler, die die Polizei zu verantworten habe, würden schließlich in fortlaufenden internen Ermittlungen untersucht. „Das ist fast kaum noch auszuhalten“, sagt der Zeuge und meint damit den aus seiner Sicht hohen Druck, den insbesondere die Medien aufgebaut hätten. Die Kollegen in der Polizeidirektion würden das als Belastung ansehen. Explizit nennt Postler hier den Fall Oury Jalloh [Oury Jalloh verbrannte am 07. Januar 2005 in einer Zelle des Dessauer Polizeirevieres. An Händen und Füßen gefesselt, soll er, trotz starker Alkoholisierung, die feuerfeste Matratze, auf der er lag, selbst entzündet haben. Die genauen Hintergründe sind bis heute nicht geklärt, der Hauptangeklagte soll den Rauchmelder abgestellt haben. Andauernde Prozessbeobachtung unter www.prozessouryjalloh.de , Anm. d. Red.].

„Die besondere Tragik des Falls liegt in der Aussage des Herrn Glombitza.“
Norbert Postler

„Die besondere Tragik des Falls liegt in der Aussage des Herrn Glombitza.“, spielt der Zeuge auf Äußerungen an, die der ehemalige Leiter Polizei der PD Dessau laut einem Gesprächsprotokoll getätigt haben soll (mehr dazu hier…) und die die Dessauer Staatsschutzaffäre überhaupt erst ins Rollen gebracht hatte. Obwohl er mit seinem Vorgesetzten Glombitza oft nicht einer Meinung gewesen wäre, vor allem bei Fragen der Kriminalitätsbekämpfung, ist sich der Befragte sicher: „Fakt ist, dass der Herr Glombitza im Kampf gegen Rechts alles gemacht hat, auch mehr als das Innenministerium vorsieht, alles was geht.“  Der Beamte sagt dazu weiter: „Es gibt neben der Bekämpfung des Rechtsextremismus noch andere Straftaten.“ Die politische Kriminalität mache insgesamt nur 1,5% des Gesamtaufkommens aus, da gelte es abzuwägen und die knappen Ressourcen sinnvoll einzusetzen. Herr Wels, der Vertreter  des Herrn Glombitza, könne, laut Zeugen, viel zur Strategie Glombitzas gegen Rechtsextremismus sagen, dieser sei aber von Herrn Nitzsche nicht befragt worden.

“Das zeigt, das dem Kampf gegen Rechtsextremismus Priorität eingeräumt wurde.“, sagt der Beamte hinsichtlich der erfolgten Polizeistrukturreform. Damit spielt der Zeuge auf die Erweiterung der Staatsschutzabteilungen auf die Polizeireviere an.

Der CDU-Abgeordnete Siegfried Borgwardt ermahnt den Zeugen nun, zum Thema auszusagen und keine allgemeinen Bewertungen abzugeben. Guido Kosmehl (FDP) sieht das etwas anders. Der Zeuge versuche schließlich, „seine Sicht der Dinge darzustellen“ und dies sei vom Untersuchungsausschussgesetz des Landes gedeckt. Holger Stahlknecht (CDU) pflichtet seinem Kollegen Kosmehl bei. Schließlich wird die Befragung des Zeugen nach einer kurzen Debatte fortgesetzt.

Norbert Postler gibt an, vom 01. Januar 2006 bis 01. April 2007 zur Umsetzung der Polizeistrukturreform ins Innenministerium abgeordnet gewesen zu sein. In diesem Zeitraum habe seine Stellvertreterin Heusmann (mehr dazu hier…) maßgeblich die Geschicke des ZKD geleitet. „Nein gar nicht“, so der Zeuge zur Frage, ob es je eine Anweisung gegeben habe, der Bekämpfung des Rechtsextremismus keine Priorität mehr einzuräumen. Außerdem gibt der Befragte an, dass sich die Beamtin Heusmann mit ihm in wichtigen Personalfragen immer abgestimmt habe, auch während seiner Abwesenheit, ansonsten hätte sie die Tätigkeit eigenständig bewältigt. Postler bestätigt zudem, dass er als Leiter des ZKD eine Belastungsanalyse hinsichtlich der Staatsschutzabteilung in Auftrag gegeben habe. Der Grund sei eine Überlastungsanzeige des ehemaligen Staatsschutzleiters Sven Gratzik (mehr dazu hier…) gewesen. Postler habe sich gesträubt, Gratzik das Ergebnis mitzuteilen. „Herr Glombitza hat festgelegt, dass die vielen Fälle die beim Staatsschutz aufgelaufen sind, auf andere Kommissariate aufgeteilt werden.“, so der Beamte, später seien die Fälle auf Postlers Vorschlag hin in die Reviere abgegeben wurden. Ziel sei es dabei gewesen, die Fälle abzuarbeiten. Letztlich hätten sie der Polizeistrukturreform damit schon vorweggegriffen.

„Ich habe auch Fehler gemacht, selbstverständlich.“
Norbert Postler

„Sie sprechen davon, dass es Fehler gegeben hat, können sie sagen welche?“, beginnt Gudrun Tiedge (Die Linke) die Befragung des Zeugen. Postler verweist auf möglichen Fehlverhalten der Polizei bei einer rechtsextremen Gewalttat in Halberstadt, mit dem sich der Untersuchungsausschuss noch beschäftigen wird. Mögliche Fehler die die Polizeidirektion Dessau zu verantworten habe, benennt er nicht. In einer Behörde, würden Fehler nun einmal unvermeidlich: „Ich habe auch Fehler gemacht, selbstverständlich.“

„2300 Überstunden zeigt ja eine intensive Belastung.“
Norbert Postler

Postler bestätigt zudem, dass Sven Gratzik wegen dienstrechtlichen Verfehlungen die womöglich strafrechtlich relevant gewesen sein könnten, Strafanzeigen gegen Mitarbeiter des Staatsschutzes erstellt habe. Gratzik wäre in dieser Angelegenheit persönlich bei ihm vorstellig geworden. Das Netzwerk Staatsschutz, sei zudem auf Initiative Gratziks und Ennulatts hin ins Leben gerufen worden. Gratzik habe dieses Projekt dann umgesetzt. Die Aufstockung der Staatsschutzabteilung auf 14 Mitarbeiter sei dabei ein Ergebnis der Projektgruppe gewesen. „Wenn ich sage zum Schluss waren 15 drin, dass zeigt, dass wir aufgestockt haben.“, so der ZKD-Leiter. Der Beamte äußert sich zudem zu den Überstunden, die im Staatsschutz aufgelaufen seien: „2300 Überstunden zeigt ja eine intensive Belastung.“ Ferner ist dem Zeugen nicht erinnerlich, dass seine Stellvertreterin Frau Heusmann mit ihm über ein Treffen aller ZKD`s in Sachsen-Anhalt vom 11. oder 12. Dezember 2006 (mehr dazu hier…) gesprochen habe.

“Ich muss entschieden sagen, es gibt keine andere Zählweise.“
Norbert Postler

„Sie waren mit der Leitung unzufrieden, aber auch das ist eine Interpretationsfrage.“
Norbert Postler

“Ich muss entschieden sagen, es gibt keine andere Zählweise.“, sagt der Zeuge zur Frage Tiedges, ob ihm veränderte Modalitäten bei den Meldungen politischer Straftaten bekannt seien. Holger Stahlknecht wirft Tiedge nun vor, den Zeugen mit unzulässigen Suggestivfragen zu bestimmten Antworten zu drängen. Zurückkommend auf die Frage, antwortet Postler, dass es Interpretationsmöglichkeiten bei der Beurteilung politischer Straftaten geben könne. Er selbst habe von unterschiedlichen Interpretationen aber keine Kenntnis. Auf Nachfrage bestätigt der Zeuge nochmals die Anzeigen, die Sven Gratzik gegen Polizeibeamte erstellt haben soll. Ihm sei so eine Anzeige gegen einen VP-Führer erinnerlich und eine Anzeige gegen einen Mitarbeiter, der Reisekostenabrechnungen nicht korrekt ausgefüllt haben soll. „Ein anderer sagte, er könne keine Glatzen mehr sehen.“, erinnert sich Postler an eine Begründung eines Beamten, der die Staatsschutzabteilung unter Gratzik verlassen wollte. Aus seiner Sicht wäre diese Begründung aber nur vorgeschoben gewesen: „Sie waren mit der Leitung unzufrieden, aber auch das ist eine Interpretationsfrage.“

„Fakt ist, dass beide das gleiche gewollt haben.“
Norbert Postler

Norbert Bischoff  setzt die Befragung für die SPD-Fraktion fort und möchte wissen, wie aus Sicht des Zeugen der Polizeivize Glombitza zur Bekämpfung des Rechtsextremismus gestanden habe. „Fakt ist, dass beide das gleiche gewollt haben.“, schätzt Postler die Motivlage Glombitzas und des ehemaligen Staatsschutzleiters ein. Als Leiter Polizei habe Glombitza alles im Blick haben müssen, die gesamte Bekämpfung aller Kriminalitätsbereiche. „Das nicht alles machbar ist, was möglich ist.“, interpretiert der Zeuge die inkriminierte Aussage Glombitzas (mehr dazu hier…). Er verneint nochmals, dass Glombitza eine andere Sicht der Dinge bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus gehabt hätte. Lediglich habe er entgegen wirken wollen, dass sich bei einer Gruppe die sich speziellen Aufgaben widmen solle Elitedenken ausprägt. Glombitza hätte das lieber auf breitere Füße stellen wollen.

„Offiziell hat keiner zu mir gesagt, er möchte wegen Herrn Gratzik oder der Leitung raus.“
Norbert Postler

Guido Kosmehl (FDP) befragt den ZKD-Leiter weiter. „Offiziell hat keiner zu mir gesagt, er möchte wegen Herrn Gratzik oder der Leitung raus.“, so Postler zu der Personalfluktuation im Fachkommissariat 4. Vielmehr sei geäußert worden, man arbeite lange genug im Staatsschutz oder sie „können keine Glatzen mehr sehen.“ Außerdem gibt er an, dass alle Verfahren gegen die Beamten die der ehemalige Staatsschutzleiter angezeigt habe, inzwischen eingestellt seien. Kosmehl möchte wissen, ob der Staatsschutz nun tatsächlich personell aufgestockt wurde und nicht nur durch die Abordnung von Praktikanten und den Einsatz „szenekundiger Beamter Fußball“ temporär verstärkt worden sei. „Generell ist versucht wurden, die Richtlinie 14 Mann im Staatsschutz einzuhalten.“, so Postler dazu. Die „szenekundigen Beamten“ sowie die Praktikanten seien eher ein „Kniff“ gewesen, um darüber hinaus mehr Beamte vorhalten zu können. Der FDP-Politiker fragt nach einer Schwerpunktsetzung bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus in der Polizeidirektion Dessau. „Fakt ist, wir hatten das meiste Personal im FK 4. Mehr als die anderen Polizeidirektionen.“, so der Zeuge. Die Spannungen zwischen dem Staatsschutz und dem Leiter Polizei habe ihm seine Abwesenheitsvertretung Frau Heusmann nicht angezeigt. Die Verstimmungen zwischen ihr (Heusmann, Anm. d. Red.) und Herrn Gratzik habe sie aber erwähnt. Daraufhin habe er ihr fordernd den Hinweis gegeben: „Es sollte für sie gewissermaßen ein Führungspraktikum sein.“ „Soweit ich mich erinnere, war da der Herr Gratzik schon nicht mehr im FK 4.“, so Postler zur Frage, wie die Stimmung nach seiner Rückkehr aus dem Innenministerium am 01. April 2007 in der Direktion gewesen sei.

Der CDU-Vertreter Erich Reichert stellt  dem Zeugen nun Fragen, die die Charaktereigenschaften des Herrn Gratzik beleuchten sollen. Darauf hin interveniert Gudrun Tiedge und möchte die Fragen nicht zulassen. Sein Fraktionskollege Stahlknecht dazu: „Die Frage ist völlig zulässig.“ Schließlich stellt der Ausschussvorsitzende die Frage zurück und bittet den Abgeordneten Reichert, den Zeugen konkrete Aussagen Gratziks oder Glombitzas aus den Akten vorzuhalten.

„So ein Skinheadkonzert dauert mit Vorbereitung schon 10 Stunden.“
Norbert Postler

„Mit der Gesamtheit der Polizei muss der Rechtsextremismus bekämpft werden, nicht nur mit einer Eliteeinheit.“
Norbert Postler

Bernward Rothe (SPD) möchte von dem Beamten zunächst wissen, ob mögliche Statistikänderungen bei dem Treffen der Zentralen Kriminaldienste im Dezember 2006 eine Rolle gespielt haben könnten. Laut Zeugen sei es dabei nicht um Zahlen sondern um die qualitative Erfassung von Delikten gegangen. Rothe stellt Postler dann die Frage, warum im Staatsschutz 2300 Überstunden auflaufen konnten, wo doch die Abteilung personell recht gut ausgestattet sei. Die Summe an Überstunden sei 2006 fast ausschließlich durch Gratzik, Ennulatt, Kappert und einen weiteren Beamten entstanden. „So ein Skinheadkonzert dauert mit Vorbereitung schon 10 Stunden.“, begründet Postler und meint damit die oftmals ausgedehnte Vor-Ort-Präsenz der Staatsschutzbeamten. Der Bruch zwischen Herrn Gratzik und Herrn Glombitza kam seines Erachtens zustande, da Glombitza die Forderung nach mehr Personal für das FK4 nicht mehr erfüllen konnte. „Mit der Gesamtheit der Polizei muss der Rechtsextremismus bekämpft werden, nicht nur mit einer Eliteeinheit.“, sagt Postler weiter.

In der weiteren Befragung interessiert den Ausschuss nochmals die Personalfluktuation im Staatsschutz. „Das Ziel der Kollegen war, aus dem Staatsschutz rauszukommen, ohne größere Probleme. Ruckzuck.“, so Postler. Das habe er den Abgangsgesprächen mit den entsprechenden Beamten entnehmen können. „Das ist nicht wahr, dass wir belogen und betrogen haben.“, erinnere er sich sinngemäß an Aussagen eines Beamten, dem eine inkorrekte Fahrkostenabrechnung vorgeworfen worden sei. „Meine Anweisung war, für den Staatsschutz sind Überstunden zu genehmigen.“, so Postler weiter.

Der Abgeordnete Guido Henke (Linke) hält dem Zeugen nun einer Aussage Gratziks vor, in dem er davon gesprochen hatte, „latent rechte Tendenzen da raus zunehmen“ (mehr dazu hier…). Gratzik meinte damit eine von ihm angeregte Versetzung eines Staatsschutzbeamten, der sich abfällig über Minderheiten geäußert haben soll. Postler bestätigt die Bestrebung auch von seiner Position her. Er hält es für möglich, dass darin auch Wechselwünsche von Kollegen begründet lägen können. Es sei „eine schwierige Kiste der Polizei“, immer den Ton zu wahren, wenn man jahrelang auf ein und dem selben Themengebiet arbeite. 

„Den Vorwurf mache ich mir selber, dass nehme ich auf.“
Norbert Postler

„Ich bin eigentlich der Förderer von Herrn Gratzik.“
Norbert Postler

„Es ist was die Teilung anbelangt, in die Hose gegangen.“
Norbert Postler

“Ist Ihnen da aufgegangen, dass die Zahlen bei der politischen Kriminalität niedriger waren als 2006?“, fragt Gudrun Tiedge den Kriminaldirektor zu seiner Rückkehr in die Direktion im April 2007. Dies habe er wahrgenommen, aber mit niemanden darüber gesprochen. Dies sehe er selbst als Defizit an: „Den Vorwurf mache ich mir selber, dass nehme ich auf.“ Er selbst habe die Gesprächsnotiz, dass die 3 Staatsschützer von der Unterredung mit Glombitza gefertigt haben, nie gelesen: „ Man wollte mir das Protokoll zeigen, aber ich wollte es nicht lesen.“  Mit den 3 Staatsschutzbeamten habe er im Nachgang darüber nicht geredet, wohl aber mit Herrn Glombitza. „Herr Glombitza ist total betroffen, sein ganzer Beamtenabschluss ist durch die Medien gezogen.“, erinnert sich Postler an den Gemütszustand seines Vorgesetzten. „Er hofft immer noch, er wird durch den Ausschuss rehabilitiert.“, sagt der Zeuge zu  den möglichen Erwartungen Glombitzas. „Ich bin eigentlich der Förderer von Herrn Gratzik.“, antwortet der Kriminaldirektor auf die Frage Tiedges, ob er nicht doch mit den 3 Staatsschutzbeamten gesprochen habe. So habe Gratzik seinerzeit ein DNA-Projekt vorangetrieben, für das die PD Dessau damals federführend verantwortlich gewesen sei. Zur fachlichen Beurteilung der Staatsschutzabteilung unter Gratzik sagt Postler: „Gut, die Arbeit war gut“, aber auf Dauer sei es nicht leistbar gewesen. Dabei sei vor allem die Informationsgewinnung sehr gut gelaufen. Im Nachgang sieht Postler allerdings die inhaltliche Splittung der Abteilung in Verfahrensbearbeitung und GIA (mehr dazu hier...) kritisch: „Es ist was die Teilung anbelangt, in die Hose gegangen.“ Die Vorgangsbearbeitung sei mehrheitlich vernachlässigt worden. Gratziks Zusammenarbeit mit den „Opferverbänden“ sei wiederrum sehr gut gewesen.

„Ich bin ja ein Statistikfreak.“
Norbert Postler

“Hat es eine Anweisungen gegeben, auf die Statistik auf die ein oder andere Weise einzuwirken?“, möchte Holger Stahlknecht (CDU) dezidiert vom Zeugen wissen. „Nein“, so der Befragte. „Wenn man als Leiter vollkommen sein will, muss man alles im Blick haben“, so der Zeuge zur Frage, warum ihm die Brisanz der sinkenden Fallzahlen Rechts nicht bewusst war. Ihm sei das heute noch unerklärlich: „Ich bin ja ein Statistikfreak.“  

„Wir können Herr Gratzik nicht mit einer großen Fregatte betrauen.“
Norbert Postler

Erich Reichert (CDU) stellt nun seine Frage zum Charakter Sven Gratziks. Postler sagt aus, dass sich der Leiter des Staatsschutzes irgendwann verändert habe. „Mir hat seine Geradlinigkeit am Anfang sehr imponiert.“, stellt Postler fest. Gratzik sei erfolgsorientiert und suche in seinem Bereich Möglichkeiten, wenn nötig Leute auszuwechseln um die Erfolge gewährleisten zu können. „Meine und Herrn Glombitzas Lebensphilosophie ist aber eine andere.“, gibt der Zeuge zu Protokoll und erläutert dazu weiter: das Leben sei nun mal nicht so geradlinig und bei der Polizei gäbe es nun mal auch noch andere Aufgabenfelder. Außerdem gibt er an, dass die Entscheidung Gratzik zur Führungsakademie zu delegieren, damals nicht einstimmig gefallen wäre. Er und die Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt hätten eigentlich geplant, Gratzik die Leitung des Präventionsdezernates zu übertragen. Dies sei dann aber nicht möglich gewesen. „Wir können Herr Gratzik nicht mit einer großen Fregatte betrauen.“, paraphrasiert Postler seine damaligen Empfindungen. Gratzik sei der Mann, der ein Schnellboot führen und Projekte umsetzen könne. 

„Es ist temporär möglich, dass man vor Ort führt. Aber als Leiter sollte man am Schreibtisch sitzen."
Norbert Postler

Guido Kosmehl befragt den Kriminaldirektor Postler nochmals zum Führungsstil Gratziks. „Es ist temporär möglich, dass man vor Ort führt. Aber als Leiter sollte man am Schreibtisch sitzen. Das ist meine Meinung dazu.“, so der Zeuge. Außerdem habe Gatzik eine ständige Rufbereitschaft durchgesetzt, um zu vermeiden, dass bei politisch motivierter Kriminalität Fehler unterliefen.

„Die Problematik Gratzik ist im ZKD nur eine Episode.“
Norbert Postler

Siegfried Borkwardt (CDU) fragt Norbert Postler, ob die Staatsschutzabteilung innerhalb der Direktion eine gewisse Sonderstellung innegehabt hätte. „Natürlich“, so der Zeuge. „Herr Gatzik hat es verstanden, den Staatsschutz aufzuwerten.“, so Postler. „Die Problematik Gratzik ist im ZKD nur eine Episode.“, sagt der Kriminaldirektor weiter. Er habe im Gegensatz zu Glombitza auf Zeit gesetzt. Es habe eine klare Absprache mit der Polizeipräsidentin gegeben, dass Sven Gratzik den Staatsschutz nur 2 Jahre leiten solle. Danach hätte man eine andere Verwendung für ihn vorgesehen.

Gudrun Tiedge verweist nochmals auf die Richtlinien des Bundesinnenministerkonferenz, die seit einigen Jahren bundesweit eine einheitlich geregelte Zählweise der politisch motivierten Kriminalität vorschreibe. „Nein“, so der Zeuge zur Frage, ob es in der Polizeidirektion Dessau jemals Hinweise darauf gegeben habe, dass nicht mehr mit diesen Richtlinien gearbeitet werden solle. „Ich habe weder einen Anruf noch einen Erlass dazu bekommen.“, so Postler zur Frage, ob das LKA Sachsen-Anhalt für das Jahr 2006 Fallmeldungen in einer signifikanten Größenordnung der Direktion Dessau bemängelt habe.

„Diese Verfahrensweise hat sich bewährt und ist damals von der Polizeidirektion Halberstadt übernommen wurden.“
Norbert Postler

Frau Dr. Paschke (Linke) möchte noch einmal wissen, ob sich die Trennung zwischen Fallbearbeitung und Informationsbeschaffung im Staatsschutz bewährt habe und als modellhaft angesehen werden könnte. „Diese Verfahrensweise hat sich bewährt und ist damals von der Polizeidirektion Halberstadt übernommen wurden.“, so der Befragte. Zu nicht anlassbezogenen Ermittlungen des Staatsschutzes schätzt Postler ein: „Wenn ich Zeit habe ja, aber die war nicht da.“

„Hausverbot ist sicherlich nicht der richtige Ausdruck.“
Norbert Postler

Guido Kosmehl erfährt vom Zeugen, dass er sich während seiner Zeit im Innenministerium die Zahlen der politischen Kriminalstatistik nicht hat vorlegen lassen. Diese habe nur seine Stellvertreterin Frau Heusmann gesehen. „Hausverbot ist sicherlich nicht der richtige Ausdruck.“, so Postler zum Vorhalt aus der Akte, dass er gegen Gratzik Zutrittsbeschränkungen in der Direktion gegeben haben soll. Ihm sei nur bekannt, dass Gratzik der Zutritt zum speziell gesicherten Staatsschutzbereich untersagt gewesen sei. Er hätte ja klingeln können, meint der Kriminaldirektor dazu.

Auf Nachfrage Tiedges bestätigt Postler zum Ende seiner Befragung zudem, dass er und Frau Heusmann mit der Entscheidung Glombitzas, Fälle des Staatsschutzes auf andere Kommissariate zu verteilen, nicht einverstanden gewesen seien. Er habe vorgeschlagen, diese Delikte vom Revierkriminaldienst bearbeiten zu lassen. Dies wäre dann auch so beschlossen wurden.

weiter hier...

News

 

projektgegenpart ist umgezogen

 

weiter...

3. Workshop für Bürgerbündnisse und lokale Akteure: "Vor Ort aktiv gegen Rechtsextremismus – gemeinsam oder einsam?"

weiter...

Amtsgericht Burg: Rechte Schläger wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt

weiter...

Neues von der Kampagne "Kein Bock auf Nazis"

weiter...

Verlegung der ersten Stolpersteine am 19. Mai 2008 in Dessau-Roßlau

weiter...

1708 Opfer rechter Gewalt in Ostdeutschland

weiter...

Spendenaufruf für Zeitzeugenarchiv

weiter...

gemeinsamer Spendenaufruf für Oury Jalloh

weiter...






News > extra