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Eine Beerdigung als Schulterschluss von Neonazis und rechtem Rockermilieu

Der langjährige Rechtsrockunternehmer Henry Behr wurde am 18. Oktober auf dem Friedhof in Gräfenhainichen beigesetzt. Er betrieb zuletzt den neonazistischen Heimdall-Versand, der von Wittenberg aus operierte. Zuvor war er Betreiber des Neonazi-Versandes Front-Records. Die Trauerstunde mit bis zu 100 Teilnehmern machte erneut die Verbindungen von Neonazimilieu und teils kriminellen Rockerstrukturen deutlich. Denn mit „Turonen“, „Underdogs MC“, „Freeway Riders“, „Brigade 8“ und „Rowdys Leipzig“ waren einige Mitglieder rechtslastiger Motorradclubs und Neonazis zugegen.

Anwesend war etwa der Rechtsrock-Musiker Stefan Lahmer, Bassist der Gruppen „Kraftschlag“ und „Schusterjungs“. Letzere tritt als vorgeblich unpolitische Oi-Band auf. Lahmer ist dem „Underdogs MC“ zuzurechnen. Dieser Motorradclub fällt seit Jahren durch seine personellen Überschneidungen zur extrem rechten Szene auf, aber auch ganz praktisch durch das Organisieren von Rechtsrockkonzerten. So organisierte das Leipziger Chapter mehrere Konzerte mit der Bremer Rechtrock-Band Kategorie C, deren Sänger Hannes Ostendorf ebenso bei Behrs Beerdigung zugegen war.

Stefan Lahmer werden gute Kontakte zu Kategorie C nachgesagt. Zuletzt besuchte eine Delegation des Underdogs MC auch Bremen, dies wurde wegen eines Angriffs auf die Rocker bekannt. Auch in Halle fanden in der Vergangenheit Rechtsrockkonzerte im Clubhaus des dortigen „Underdogs“-Chapters statt. Hier wird die Verbindung zwischen der extremen Rechten und Rocker-Strukturen deutlich, die auch die Behörden bereits seit mehr als 10 Jahren im Blick haben. Bedenkenswert ist zudem auch die Beteiligung des hallischen Chapters an Auseinandersetzungen im Rockermilieu, die in einem Mordanschlag auf deren „President“ gipfelte.

Mit der im vergangenen Jahr aufgelösten „Brigade 8“ gab es auch in der Region Anhalt eine neonazistische Struktur, die sich an Motorradclubs orientierte. Mittlerweile firmiert die Gruppe unter dem Dach der „Freeway Riders“, deren „Prospect-Chapter“ „Mittel-Elbe“ von ehemaligen Mitgliedern der „Brigade 8“ gegründet werden. Henry Behr firmierte hier als „Vice-President“, sein Bruder als „President“. Hier scheint es sich um ein in der Familie geteiltes Hobby zu handeln, war doch auch dessen Sohn in Club-Kluft bei der Beerdigung seines Onkels anwesend.

Bei der Beerdigung waren auch Mitglieder des „Freeway Riders“ Chapter Wesermünde anwesend. Im Jahr 2020 kam es zu Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern des Chapters, denen Verbindungen zu den Hammerskins nachgesagt werden, wie sie im Übrigen auch Henry Behr gehabt haben soll. Bei den Hausdurchsuchungen wurden Neonazi-Musik und Kleidung sichergestellt. Das Chapter Wesermünde veröffentlichte zu Behrs Tod auch eine Gedenknotiz.

Zudem waren Mitglieder des Leipziger Motorradclubs „Rowdys Eastside“ anwesend, die 2022 überregionale Aufmerksamkeit erhielten. Damals zeigte die Schlagersängerin Melanie Müller bei einem Konzert – das im Übrigen auf dem Areal eines früheren Außenlagers des KZ Buchenwald stattgefunden haben soll – mehrfach den Hitlergruß.

Mit Stefan F. und Marcus Rußwurm aus Thüringen waren zwei Neonazis vor Ort, die laut EXIF-Recherche der Neonazi-Rockergruppe „Turonen“ aus Thüringen angehören sollen. Diese verfügen über gute Kontakte zum in Deutschland verbotenen internationalen Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“. Rußwurm soll laut Exif-Recherche auf seinem Hinterkopf auch „Combat 18 Deutschland“ tattoowiert haben. Bei dieser 2020 verbotenen Organisation handelte es sich um den bewaffneten Arm von „Blood & Honour“. Gegen einige Personen aus dem Umfeld der „Turonen“ wurden auch Ermittlungen wegen Drogenhandels und Prostitution geführt. Marcus Rußwurm spielte zudem in der ebenfalls „Blood & Honour“ nahestehenden Rechtsrockband „Unbeliebte Jungs“. Zudem gehört er zu den Verurteilten im sogenannten Ballstädt-Prozess. Stefan F. wiederum teilte mit Henry Behr neben seiner neonazistischen Ideologie auch das geschäftliche Interesse an Rechtsrock. Er soll bereits seit den 2010er-Jahren mit Tonträgern aus dem Blood & Honour Umfeld gehandelt haben. Mit den Brothers Of Honour war auch eine weitere Neonazi-Rockergruppe vor Ort, die als Nachfolgeorganisation von Combat 18 gehandelt wurde.

Auch wenn es in den vergangenen Jahren, wohl auch aufgrund seiner Erkrankung, eher ruhig um Henry Behr schien, zeigte die rege Teilnahme von Neonazis an seiner Beerdigung, welch herausgehobene Rolle er in der Szene hatte.