„Wir haben ein Zeichen gesetzt und nicht nur reagiert“

Netzwerk GELEBTE DEMOKRATIE  protestiert mit Mahnwache LICHTER GEGEN RECHTS gegen Neonazikundgebung in Dessau-Roßlau

Eins ist an jenem 07. März 2013, genau 68 Jahre nach dem alliierte Bomberverbände Luftangriffe auf die Stadt flogen, schon einmal sicher: engagierte Bürger und Bürgerinnen haben einen historischen Ort besetzt. Vor den Toren des Friedhofs III im Dessauer Stadtteil Süd stehen, wie noch im Jahr zuvor (mehr dazu hier…), keine Neonazis, sondern Demokraten und Demokratinnen die genau hier mit einer Mahnwache die aberwitzige Inszenierung von Geschichtsverfälschung und Realitätsverlust verhindert haben. An jenem Friedhof also, auf dem von den Nazis verschleppte Zwangsarbeiter_innen, aber auch Soldaten der Roten Armee,  bestattet sind.



Rund 40 Rechtsextremisten aus der Region und dem gesamten Bundesland blieben der Stadt dennoch nicht erspart. Die haben sich ca. 700 Meter entfernt in Reih und Glied und mit Blickrichtung zur Fahrbahn in der Heidestraße positioniert. Umgeben von einem großen Polizeiaufgebot und mit brennenden Fackeln in der Hand, leugnen sie einmal mehr die Verbrechen des deutschen Nationalsozialismus und verhöhnen damit die Millionen von Opfern.

Vor dem durch die Zeit gezeichneten Friedhofstor, gesichert mit altersschwachen Ketten, stehen zunächst nur zwei handvoll Leute. Ein gelbes Banner mit der Aufschrift `Demokratie ist was Du draus machst`, wirkt zunächst etwas verloren. Doch nach und nach gesellten sich immer Menschen dazu. Rentner_innen und Mitzwanziger, ein Leitender Oberstaatsanwalt, eine Verwaltungsfachfrau einer Bundesbehörde, eine Angestellte der Stadtverwaltung, diverse Kommunalpolitiker_innen, Pfarrer im (Un)- Ruhestand und alternative Jugendliche.  Schon ein wenig analytisch geschulter Blick an die umliegenden Laternenmasten offenbart ganz augenscheinlich die Motivation, prangt es doch dort in großen Lettern: BUNT STATT BRAUN.





Wenig später wird ein Transparent entrollt, das einen Teil der lokalen Historie benennt und auch den unschlüssigsten Passanten eins mit auf dem Weg gibt. Dessau war im 3. Reich eine Stadt, die ihren Anteil am Holocaust, der systematischen Ermordung der europäischen Juden, nicht verleugnen kann. Mit dem Schädlingsbekämpfungsmittel Zyklon B ermordeten die Nationalsozialisten mindestens 1 Millionen Menschen in deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagern. Dessau war Hauptproduktionsstandort dieses Giftgases (mehr dazu hier…).



Für diese schiere Erkenntnis, übrigens ganz ohne Banalisierung oder Dämonisierung, stehen die Teilnehmer der Mahnwache mit ihrem Gesicht leidenschaftlich auf der Straße respektive dem Fußweg.  Schließlich werden Kerzen entzündet, Lichter, die symbolisch den Opfern des NS-Terrors gewidmet sind.







Für ein ganz anders Bild, nämlich für eins in der Tradition der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft, des Hasses und der Menschenfeindlichkeit , sorgt andernorts eine ganz in schwarz gekleidete Truppe. Rechtsextremisten aus dem Kameradschaftsspektrum aus Dessau sind ebenso gekommen, wie solche aus Zerbst, Bitterfeld ,Halle/Saale, dem Burgenlandkreis und dem Saalekreis angereist, nicht ohne sich im Vorfeld ein Katz- und Mausspiel mit der Polizei zu liefern, traf der braune Autokonvoi sich doch vorher an einer Raststätte im Westen der Stadt. Die Nazis, die schließlich mit Polizeibegleitung zu ihrem Kundgebungsort geleitet worden, folgten dabei einem Aufruf des bekennenden Aktivisten Alexander Weinert (mehr dazu hier…) und (hier…), der das ewiggestrige Treiben zugleich anmeldete.


Neonazis des rechtsextremen Kameradschaft “Freie Nationalisten Dessau und Anhalt-Bitterfeld” (mehr dazu hier…) am 07. März 2013 in Dessau-Roßlau


Auf ihren Transparenten transportieren die Menschenfeinde von rechts dabei die bekannten Parolen, die für die Selbstvergewisserung in der Szene nach wie vor identitätsstiftend sind. Von „Alliierten Bombenterror“, wahlweise „Dem Gedenken an die deutschen Opfer“ oder der Aufforderung „Kein Vergeben – Kein Vergessen“ ist da die Rede. Wie seit Jahren in Dresden oder kürzlich erst wieder in Magdeburg: Das gleiche geschichtsklitternde Schmierentheater, in dem die Verursacher des 2. Weltkrieges ebenso wenig zur Sprache kommen, wie das unsägliche Lied das vom nationalsozialistischen Deutschland ausging. Diese selektive Wahrnehmung der eigenen Vergangenheit kann nur einmal mehr als das bezeichnet werden, was sie wirklich ist: eine pathologische und in sich geschlossene Wahnvorstellung im Rang einer Verschwörungstheorie.


Geschichtsklitterung als geschlossene Wahnvorstellung im Rang einer Verschwörungstheorie

„ Heute haben wir endlich einmal ein Zeichen gesetzt, haben nicht nur reagiert und sind den Nazis hinterhergehäschelt“, sagt ein Mitglied des Netzwerks GELEBTE DEMOKRATIE zum Abschluss der Aktion LICHTER GEGEN RECHTS. Da sind die Kerzen und andere Protestutensilien schon wieder im Kofferraum verstaut und die Gespräche kreisen um den 09. März 2013. Nur zwei Tage später steht der demokratischen Alltagskultur in Dessau-Roßlau die nächste Herausforderung bevor, wollen da die Nazis doch mit einer perfiden Inszenierung in Form eines so genannten Trauermarsches durch die Straßen ziehen.







Die Stadt ist darauf vorbereitet (mehr dazu hier..) und wird trotz des angekündigten Schmuddelwetters den vielfältigen und friedlichen Protest zelebrieren - BUNT STATT BRAUN.



 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt