Zwölf weitere Erinnerungs-Steine in Dessau-Roßlau

Mit kurzen Andachten wurden neue Stolpersteine der Öffentlichkeit präsentiert

Eine große Menschenansammlung füllte am 27. September 2012 den Bürgersteig in der Kavalierstraße in Dessau-Roßlau. Unweit der Museumskreuzung hatten sich die Menschen versammelt, um gemeinsam neue Stolpersteine einzuweihen. Mit diesen Stolpersteinen soll in vielen Städten in Deutschland und Europa an die Opfer des Holocausts und der Verfolgung und Ermordung von Millionen Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen, und Andersdenkender in der Zeit des Nationalsozialismus gedacht werden. „Wer vor einem Stolperstein in einer Straße steht und den darauf geschriebenen Namen lesen will muss sich ein wenig verbeugen und verbeugt sich damit automatisch vor den Opfern“, erklärte Günter Donath in seiner Rede zur Eröffnungsveranstaltung das Prinzip dieser Form des Gedenkens. Donath sprach stellvertretend für den Kreis derer, die als Werkstatt Erinnerungskultur federführend für die Verlegung der Stolpersteine in Dessau-Roßlau verantwortlich zeichnen (mehr hier...). Und er ergänzte weiter, dass die Menschen, die aus ihren Häusern vertrieben, verschleppt und ermordet wurden durch diese Form der Erinnerung ihren Namen an dem Ort zurück erhielten, an dem sie zuletzt freigewählt in Deutschland lebten, und dass sie dadurch zumindest ein Andenken erhielten.


Ruth Beedle und Stefan Bown bei der Auftaktveranstaltung.

Zur Veranstaltung in der Kavalierstraße hatten sich zahlreiche Menschen eingefunden, nicht nur aus Dessau-Roßlau und der Umgebung der Stadt auch aus London waren Ehrengäste angereist. Ruth Beedle und Stefan Bown sind Urenkel der Familie, an die seit dem 27. September 2012 ein Stolperstein in Dessau erinnert, die Namen Emma und Hermann Gutmann sowie der ihrer Tochter Meta stehen nun auf einer kleinen Messingplatte eingelassen in den Bürgersteig vor dem Haus. In ihren kurzen Statements betonten beide vor allem die Bedeutung der Erinnerung und des Gedenkens. In seiner Ansprache freute sich Bown insbesondere über die große Zahl junger Menschen, die zur Feierstunde anwesend waren, da sie doch gleichzeitig für das Wachhalten der Erinnerung und den Neubeginn einer demokratischen Gesellschaft stünden. Zahreiche Jugendliche des Gymnasiums Philanthropinum hatten sich mit der Ausgestaltung und Rezitation von Texten sowie mit der musikalischen Begleitung an der Veranstaltung beteiligt.



So lobt auch Stadtratspräsident Stefan Exner in seiner Rede das Engagement für die Erinnerung und hebt die Verantwortung hervor, die für eine demokratische Gesellschaft aus der Zeit des Nationalsozialismus erwachse und hob damit zugleich das Engagement der Dessau-Roßlauer Bürgerschaft hervor. Denn nur durch die Spenden der Bürgerinnen und Bürger werde die Verlegung der Stolpersteine ermöglicht. Auch Oberbürgermeister Klemens Koschig hob die Beteiligung der Bewohner der Stadt hervor und konstatierte in seiner Rede, dass das Engagement gegen Geschichtsvergessenheit und neue rechtsextreme Bestrebungen sich nicht zuletzt durch solch eine Erinnerungsveranstaltung deutlich zeige.

David Soussan, ehemaliger Oberrabbiner des Landes Sachsen-Anhalt, wies in seiner Ansprache auch über die rein lokale Bedeutung der Erinnerung hinaus und beschrieb die Gedenkstätte Yad Vashem in Israel als die zentrale Gedenkstätte der Juden an die Shoa und als den Ort, an dem die Opfer bei ihrem Namen erinnert werden und die Juden alle Erinnerung an die Shoa sammeln, um diese wach zu halten.



Nach der ersten Station an der Kavalierstraße wurden noch an sieben weiteren Orten der Stadt Stolpersteine eingeweiht, jeweils mit einem kurzen Moment der Andacht und mit einigen Worten der Erinnerung an die, die aus den Häusern vertrieben, verfolgt und ermordet wurden. Doch gerade in einigen dieser Zeremonien zeigte sich, weshalb das Konzept der Stolpersteine nicht unumstritten ist und auch auf Ablehnung stößt. So sollen die Stolpersteine zwar eigentlich die Erinnerung an die Verfolgung wachhalten und gleichzeitig den abstrakten Opferzahlen einen konkreten Namen an einem konkreten Ort entgegensetzen, doch im Rahmen der Veranstaltung zeigte sich, wie die Opfer den Erinnernden aus dem Blick geraten. Wenn beispielsweise in der kurzen Zeremonie für den Stein der an Manfred Linz erinnern soll, unweit des Anhaltischen Theaters am Friedensplatz 16, zur kulturellen Begleitung Texte von Wolfgang Borchert über die Schrecken des Krieges rezitiert wurden, so als seien die traumatisierten Erfahrungen eines Landsers der deutschen Wehrmacht, und damit der Täter, in irgendeiner Form gleichbedeutend mit dem Leid der Opfer. In einer solchen Form setzen sich die vermeintlich hohen Ziele des Gedenkens doch dem Verdacht der Gleichmacherei und der Nivellierung der Opfer aus.


Kurze Andacht am Stolperstein für Manfred Linz.

In Dessau-Roßlau werden seit dem Jahr 2008 Stolpersteine verlegt (mehr hier...). Das Konzept hat der Künstler Gunter Demnig entworfen, der seit etwa 15 Jahren Stolpersteine entwirft und verlegt. In Dessau-Roßlau erinnern nun 59 Stolpersteine an die Verfolgten und Opfer im Nationalsozialismus.

 

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Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt