„Hier wird unter Gewinnaspekten eine Unterbringung organisiert.“


Kritik an Bedingungen im Flüchtlingsheim Möhlau // 50 Gäste folgen spannender und hoffnungsvoller Podiumsdiskussion // Verantwortungsträger im Landkreis sichern Prüfung von Alternativen zu

Spätestens seit Mitte diesen Jahres sind die Lebensbedingungen, in denen Menschen aus anderen Ländern im Flüchtlingsheim in Möhlau verharren, öffentlich thematisiert und  kritisiert worden. Menschenunwürdige Zustände haben auch viele Interessierte erst sehr spät wahrgenommen – für die Bewohner des Heimes sind sie leider seit vielen Jahren bittere Realität. Während bei zahlreichen Akteuren im Land mit dem bundesweit niedrigsten Ausländeranteil wohlwollend von der Integration Zugereister berichtet wird, klingt dies für die Bewohner solcher „Gemeinschaftsunterkünfte“ oft wie blanker Hohn. Dass mangelnde interkulturelle Alltagspraxis im „Land der Frühaufsteher“ die Verfestigung von Vorurteilen zur Folge hat statt diese zu widerlegen, ist bekannt. Im Landkreis Wittenberg blieb Isolation durch abgeschiedenen Unterbringung im Wald, mangelnde Angebote für Sprachkurse, oft verzögerte medizinische Versorgung und das Austeilen von Gutscheinen dennoch seit mehr als zehn Jahren unveränderte Praxis.


Screenshot des Videobeitrages zu Beginn der Veranstaltung

Ob es sich eine weltoffene und tolerante Gesellschaft leisten kann, Menschen aus unterschiedlichen Ländern, mit verschiedenen kulturellen Einflüssen oder einfach nur mit einer Vielfalt an Lebensentwürfen an den Rand der Gesellschaft zu drängen und ihnen die Teilhabe zu erschweren oder zu verunmöglichen, diskutieren am Nachmittag des 03. November 2009 in der Evangelischen Akademie in Wittenberg Betroffene, Zuständige und Verantwortliche erstmals gemeinsam. Auf dem Podium nehmen neben der Integrationsbeauftragten der Landesregierung, Susi Möbbeck, die Landtagsabgeordnete Corinna Reinecke (SPD), die Geschäftsbereichsleiterin und Vertreterin des Landrates Anke Tiemann, die Heimbewohner Salomon Wantchoucou und Toure Dramane und für den Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt Rechtsanwalt Dr. Christoph Kunz Platz.


etwa 50 Interessierte verfolgen die Diskussion in der Evangelischen Akademie in Wittenberg

Bevor die durchaus ambivalente Debatte so richtig in Fahrt kommt, drückt Mario Bialek für den Veranstalterkreis, die „Initiative runder Tisch Flüchtlingsheim Möhlau“, seine Erwartungen aus: „Wir hoffen dass die Bewohner des Heimes am Ende der heutigen Veranstaltung das Gefühl haben, mit ihren Bedürfnissen und Problemen ernstgenommen zu werden und damit der Weg für eine tatsächliche Integration wenigstens in Aussicht steht.“ Nach einem zwölfminütigen Videobeitrag, der Eindrücke der Isolation in Bild und Ton verdeutlicht, eröffnete Moderator Tobias Thiel als Mitarbeiter der Evangelischen Akademie den Gesprächskreis.

„Wir setzen das um, was der Gesetzgeber uns an Rahmenbedingungen lässt.“ (Anke Tiemann)

„Integration heißt auch Kommunikation und bereit zu sein sein, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das setzt stets die Bereitschaft voraus, andere Kulturen kennenlernen zu wollen und auch selbst dafür einen Beitrag zu leisten", umreißt Lantagsabgeordnete Corinna Reinecke ihre Vision von Integration in Sachsen-Anhalt. Die Wittenbergerin erhofft sich zudem, „mit ersten Schritten aus der Runde zu gehen“. Für Rechtsanwalt Christoph Kunz ist Integration „ein zweiseitiger Prozess und hat auch viel damit zu tun, inwieweit diese Gesellschaft auch überhaupt offen ist für Integration“. Anke Tiemann stellt eingangs klar, nicht ohne auf Widersprüche in Theorie und Praxis hinzuweisen: „Wir setzen das um, was der Gesetzgeber uns an Rahmenbedingungen lässt.“


Tobias Thiel, Anke Tiemann, Dr. Christoph Kunz und Corinna Reinecke auf dem Podium (v.l.n.r.)

„Integration ist dann gelungen, wenn die Potentiale, die diejenigen die zu uns kommen mitbringen, auch eingebracht werden können in die Gesellschaft und die Gesellschaft auch bereit ist die zu nutzen“, plädiert indes Susi Möbbeck. Dass eine „ganze Menge an rechtlichen Rahmenbedingungen geändert werden müssen“, scheint für die Integrationsbeauftragte der Landesregierung klar zu sein. Vor allem deshalb, erläutert die SPD-Politikerin weiter, weil durch diese Vorgaben Zugewanderte oftmals darin gehindert würden, ihre Fähigkeiten, Kompetenzen und kulturellen Erfahrungen sinnvoll in das demokratische Gemeinwesen integrieren zu können: „An vielen Stellen haben wir diese Hindernisse, die dazu beitragen, dass Menschen gar nicht sich in Gänze in die Gesellschaft einbringen, gar nicht partizipieren können und damit auch in Isolation gezwungen werden.“ Toure Dramane, der seit 1998 im Heim in Möhlau lebt, fordert zunächst eine Antwort darauf, was die Verantwortlichen im Landkreis Wittenberg „in den letzten drei Jahren für die Integration getan haben“. Eine erschöpfende Beantwortung seiner Frage bleibt vorerst aus. Für Salomon Wantchoucou von der Flüchtlingsinitiative Möhlau ist es wichtig, zunächst die Fluchtgründe zu benennen. Viele Migranten kämen demnach nicht freiwillig und verließen ihre Herkunftsländern wegen „Katastrophen, Krieg und politischer Verfolgung“. Wohl auch deshalb, kritisiert der Aktivist die Zustände im Heim scharf: „Wenn es keine gewollte Integration gibt, ist das nur ungerecht.“

„Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass wir eine Veränderung des Zuwanderungsrechtes benötigen.“ (Susi Möbbeck)

„Werden wir derzeit, wie wir damit umgehen, diesen Menschen gerecht?“, fragt Tobias Thiel angesichts materieller Not oder politischer Verfolgung im Herkunftsland in den Raum. Susi Möbeck fühlt sich angesprochen und antwortet unmissverständlich: „Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass wir eine Veränderung des Zuwanderungsrechtes benötigen.“ Die Integrationsbeauftragte findet, dass die ausschließliche Begrenzung auf das Asylrecht schon lange nicht mehr zeitgemäß sei und nicht mehr an den ökonomischen und demographischen Interessenlagen der Bundesrepublik orientiert wäre: "Wir wissen alle, dass auch die deutsche Gesellschaft perspektivisch auf Zuwanderung im erheblichem Maße angewiesen sein wird.“ Der Weg über das Asylrecht ende für viele Menschen „oft genug in Gemeinschaftunterkünften wie Möhlau und einem langjährigen Aufenthalt in Deutschland ohne jegliche gesicherte Perspektive“. Die SPD-Politikerin ist überzeugt, dass mehr direkte und gesteuerte Zuwanderungsmöglichkeiten helfen könnte, die „unwürdigen Zustände der langjährigen, zum Teil über zehnjährigen Duldungssituation ganz erheblich zu mindern oder perspektivisch sogar auzulösen“.


Toure Dramane und Susi Möbbeck auf dem Podium

„Die Ausländerbehörde hat alles zu tun, um die Ausreisepflicht durchzusetzen – das ist unsere Aufgabe bei rechtskräftig abgelehnten Asylanträgen.“ (Anke Tiemann)

„In dem Augenblick, wo der Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist […], sind wir als örtliche Ausländerbehörde auch gehindert, Integration zu betreiben“, so Landkreisvertreterin Anke Tiemann. Sie verweist in ihrer Argumentation auf die Entscheidungshoheit des Bundesamtes für Migration und wird schließlich noch deutlicher: „Die Ausländerbehörde hat alles zu tun, um die Ausreisepflicht durchzusetzen – das ist unsere Aufgabe bei rechtskräftig abgelehnten Asylanträgen. Und an diesem gesetzlichen Auftrag kommen wir als Behörde nicht vorbei. Eine Änderung kann es da nur geben, wenn sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern.“ Tobias Thiel besteht auf eine persönliche Einschätzung der Diskutantin. Anke Tiemann lässt sich darauf ein und ist davon überzeugt, „dass wir zumindest dem Anspruch gerecht werden, für eine menschwürdigen Unterbringung zu sorgen“. Vorwürfe und Argumentationen, die die Bedingungen in Möhlau als „menschenunwürdig" bezeichnen oder von einer gefängnisgleichen Isolationssituation sprechen, weißt sie jedoch zurück: "Das erscheint mir doch übertreiben.“


Dr. Christoph Kunz und Corinna Reinecke auf dem Podium

„Der Gedanke ist im Ausländerrecht da, die Integration von ausreisepflichtigen Flüchtlingen soll eher verhindert werden, damit diese dann zurückgeführt werden können.“ (Dr. Christoph Kunz)

Der Dessauer Rechtsanwalt Christoph Kunz, der in seiner beruflichen Praxis immer wieder mit Asylverfahren zu tun hat, spricht dagegen aus seiner Erfahrung von einer schwierigen Situation vieler Flüchtlinge in Deutschland. Nicht ohne darauf zu verweisen, dass sich in den letzten Jahren auch einiges geändert habe. So sei insbesondere der Flüchtlingsschutz ausgebaut worden und „es gibt jetzt für Geduldete die Möglichkeit nach vier Jahren Aufenthalt in Deutschland eine allgemeine Beschäftigungserlaubnis zu bekommen.“ Darüber hinaus sei es seit 2009 möglich, dass gedultete Flüchtlinge nach Abschluss einer Ausbildung eine Aufenthaltsberechtigung beantragen könnten. Mittlerweile gäbe es im Sinne einer humanitäreren Auslegung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durchau Spielräume, um einen gesicherten Aufenthalt in Deutschland zu erlangen. An der strukturell restriktiven Konzeption des deutschen Asylrechtes, ändere dies jedoch wenig: „Der Gedanke ist im Ausländerrecht da, die Integration von ausreisepflichtigen Flüchtlingen soll eher verhindert werden, damit diese dann zurückgeführt werden können.“ Dass die örtlich zuständigen Behörden wie Landkreise und Kommunen dennoch genügend eigene Entscheidungshoheit hätten, steht für das aktive Mitglied des hiesigen Flüchtlingsrates fest: „Sie sind nicht gezwungen, die faktische Integration dadurch zu behindern, dass man eine abseitsgelegene Gemeinschaftunterkunft aufrecht erhält.“


Screenshot des Videobeitrages zu Beginn der Veranstaltung zeigt Stacheldraht vor dem Heim

Solange es einen Flüchtlingsrat und eine Härtefallkommission gibt, die über Einzelschicksale beraten, so Corinna Reinecke, „habe ich zur Kenntnis zu nehmen, dass Unzufriedenheit mit der Situation herrscht“. Auch die Landespolitikerin sieht hier Widersprüche und ambivalente Voraussetzungen, appeliert jedoch auch an die Verantwortung der örtlichen Stellen: „Auf der einen Seite die ausreisepflichtige Umsetzung im Auge zu haben heißt doch aber auch, für die Zeit die die Menschen hier verbringen erträgliche Rahmenbedingungen zu gewährleisten." Susi Möbbeck verweist nochmal mit Nachdruck auf die Verpflichtung, in Sachsen-Anhalt "einen menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen zu realisieren". Dazu gehöre auch, die Lebendbedingungen in den Heimen immer wieder zu hinterfragen und hart zu prüfen: „Wenn Menschen in Gemeinschaftsunterkünften fernab von Ortschaften isoliert leben, hat das auch Auswirkungen darauf, wie sie von der Bevölkerung wahrgenommen werden." Dies könne Vorbehalten, Ängsten und Abwehrreaktionen noch zusätzlichen Auftrieb verleihen: "Das führt nicht dazu, dass die deutsche Gesellschaft offener und bereiter dafür ist, sich mit anderen Menschen auseinander zu setzen.“


etwa 50 Interessierte verfolgen die Diskussion in der Evangelischen Akademie in Wittenberg

„Wir werden das nochmal prüfen.“ (Anke Tiemann)

Vor knapp zehn Jahren sei der Wittenberger Kreisstag zu der Auffassung gelangt, dass die zentrale Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft in Möhlau die wirtschaftlichste Variante sei und dadurch zudem der Betreuungsaufwand am besten abzudecken wäre, so Anke Tiemann. An diesem Beschluss fühlt sich die Verwaltungsmitarbeiterin nach wie vor gebunden. Dennoch hat sie heute eine ganz handfeste Zusagen im Gepäck. Eine Arbeitsgruppe soll sich demnach mit der Unterbringungssituation im Landkreis befassen: „Wir werden  prüfen, ob die Bedingungen unter denen wir damals zu dem Ergebnis gekommen sind, heute im Jahr 2009 noch stimmig ist. Und das soll auch bis zum nächsten Frühjahr im politischen Raum, mit dem Kreistag gemeinsam passieren.“


Moderator Tobias Thiel fragt nach

„In Wittenberg ist keine Rede von Integration, sondern nur von Abschiebung.“ (Toure Dramane)

„Was konkret hindert denn Integration, wo fühlen sie sich konkret eingesperrt?“, richtet Moderator Tobias Thiel die Frage an die beiden Heimbewohner. Für Toure Dramane scheint vor allem die unterschiedliche Anwendung des geltenden Rechts gegenüber Flüchtlingen kritikwürdig zu sein. Während mancherorts die Handlungsspielräume der Behörden positiv genutzt würden, erteilt er dem Landkreis Wittenberg schlechte - ja desaströse - Noten: „Abschiebung oder du bleibst im Heim, eine andere Alternative gibt es nicht.“ Selbst wenn er in den zurückliegenden Jahren den gesetzlichen Auflagen nachgekommen und diese erfüllt habe, hätte es keine Möglichkeit gegeben, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen: „In Wittenberg ist keine Rede von Integration, sondern nur von Abschiebung.“ Zudem kritisiert der Flüchtling die fehlende Betreuungsstruktur. Demnach sei seit bereits 7 Jahren kein Ansprechpartner des zuständigen Sozialamtes mehr im Heim ansässig. Dies hätte zur Folge, dass die Bewohner ihre Gutscheine und Krankenunterlagen für den Arztbesuch in Gräfenhainichen abholen müssten, obwohl sie selbst kaum finanzielle und infraktrukturelle Möglichkeiten hätten, dorthin zu gelangen.


Salomon Wantchoucou und Susi Möbbeck auf dem Podium

„Sie haben vergessen, dass wir Flüchtlinge auch nur Menschen sind.“ (Salomo Wantchoucou)

Salomo Wantchoucou schließt sich dieser Kritik vorbehaltlos an. Er unterstreicht, dass das Heim in Möhlau ein sehr isolierter Ort sei, der Kontakte zur Außenwelt nahezu unmöglich mache. Diese unmenschlichen Bedingungen über Jahre ertragen zu müssen, führe zu Frustration die nicht selten mit psychologischen Erkrankungen einhergehen würden. Wantchoucou berichtet zudem in einer ergreifenden Schilderung von einem Flüchtling aus Möhlau, der zurück an die Elfenbeinküste abgeschoben worden sei und dort aufgrund der Verhältnisse sein Leben verloren habe: „Sie haben vergessen, dass wir Flüchtlinge auch nur Menschen sind.“ Für ihn sei dies alles mit der christlichen Tradition der Stadt Wittenberg nicht vereinbar. „Wir wollen Freiheit und Gerechtigkeit“, bringt Wantchoucou emotionsgeladen zum Ausdruck und fordert die korrekte Anwendung der bestehenden Gesetzte und die Einhaltung internationaler Abkommen.


Screenshot des Videobeitrages zu Beginn der Veranstaltung

„Da passt auch das gesetzliche System nicht zusammen.“ (Anke Tiemann)

Etwas „stigmatisierendes und ausgrenzendes“ hat für Rechtsanwalt Kunz die Vergabe von Gutscheinen, mit denen die Flüchtlinge im hiesigen Landkreis ihre Lebensmittel erwerben müssen. In den meisten anderen Landkreise die er kenne, gehöre diese Praxis bereits der Vergangenheit an. Susi Möbeck weißt hier nochmals auf die regionale Zuständigkeit hin: „Das Thema Gutscheine das sehe ich schon so, dass hier der Landkreis deutliche Handlungsspielräume hat." Für die Integrationsbeauftragte gehört die Gutscheinpraxis generell abgeschafft, da diese Maßnhame oft auch als Sanktion gegen Flüchtlinge eingesetzt werde. Auf einen nahezu skurilen Umstand in puncto Arbeitserlaubnis weißt Anke Tiemann hin. „Da passt auch das gesetzliche System nicht zusammen“, meint sie und spielt damit auf die Möglichkeit geduldeter Flüchtlinge an, eine entsprechende Erlaubnis zu beantragen. Dies wäre jedoch nur durch die Mitwirkung des Flüchtlings zur Identitätsfeststellung möglich - was wiederum die Abschiebung des Flüchtlings zur Folge hätte. Susi Möbbeck widerspricht hier aus Erfahrung, „dass es eben in vielen Fällen an der Mitwirkung des Herkunftslandes hängt, ob die Identität festgestellt werden kann oder nicht“ Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-qformat:yes; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin-top:0cm; mso-para-margin-right:0cm; mso-para-margin-bottom:10.0pt; mso-para-margin-left:0cm; line-height:115%; mso-pagination:widow-orphan; font-size:11.0pt; font-family:"Calibri","sans-serif"; mso-ascii-font-family:Calibri; mso-ascii-theme-font:minor-latin; mso-fareast-font-family:"Times New Roman"; mso-fareast-theme-font:minor-fareast; mso-hansi-font-family:Calibri; mso-hansi-theme-font:minor-latin;} und dieser Missstand oft nicht den Flüchtlingen selbst anzulasten sei.


Toure Dramane und Susi Möbbeck auf dem Podium

„Dass hier auch deutlich unterschiedliche Entscheidungskulturen in verschiedenen Landkreisen vorliegen, das kann man feststellen.“ (Susi Möbbeck)

„Dass hier auch deutlich unterschiedliche Entscheidungskulturen in verschiedenen Landkreisen vorliegen, das kann man feststellen. Das stelle ich in meiner Arbeit ganz praktisch daran fest, aus welchen Landkreisen mich vorwiegend Menschen um Beratung bitten und was für Probleme jeweils dahinter stecken.“, so Susi Möbbeck zu unterschiedlich interpretierten Handlungsspielräumen in der Gesetzesauslegung. „Ein bisschen Farbe ändert nichts an Isolation“, greift sie einen Satz eines Flüchtlings im zuvor gezeigten Videobeitrag auf und bestätigt: „Das trifft aus meiner Sicht die Wahrnehmung von Seiten der Bewohner in der Gemeinschaftsunterkunft, die irgendwo im Wald leben ganz eindeutig.“ Kritik an Gebäude und Unterbringung spitzte sich häufig genau dort zu, „wo Isolation dahinter steht“. Deshalb wirbe sie selbst vehement dafür, eine „Unterbringung nicht außerhalb der Ortschaften und in der Isolation vorzunehmen“.

„Das finanzschwache Land Berlin bringt seine Flüchtlinge seit langen grundsätzlich dezentral, also in Wohnungen, unter. Gerade weil es billiger ist.“ (Dr. Christoph Kunz)

Am konkreten Fall in Möhlau gibt die Kreis- und Landtagsabgeordnete Corinna Reinecke zu, sei die Evaluierung und die Prüfung der Unterbringung seit Jahren vernachlässigt worden: „Ich möchte einfach in Aussicht stellen, dass sich der Kreistag damit intensiv beschäftigen wird – sowohl der Fachausschuss als auch die anderen Gremien – und das wir dann Alternativen abprüfen.“ Die moralischen und menschlichen Aspekte müssten den fiskalischen gegenübergestellt und abgewogen werden. Dr. Christoph Kunz bringt dagegen noch ein Beispiel, dass auch für den hiesigen Landkreis handlungsleitend werden könnte: „Das finanzschwache Land Berlin bringt seine Flüchtlinge seit langen grundsätzlich dezentral, also in Wohnungen unter. Gerade weil es billiger ist.“ In der späteren Publikumsrunde bekräftigt das Kreistagsmitglied Jörg Schindler (LINKE) dazu, dass in Berlin die dezentrale Unterbringung Einsparungen von einer Millionen Euro im Monat möglich mache. Auf die Zahl der Flüchtlinge im Landkreis Wittenberg gerechnet würde dies Einsparungen von 300.000 Euro im Jahr bedeuten, habe Schindler in seiner Fraktion ausgerechnet. Zudem, argumentiert Rechtsanwalt Kunz, wirke sich eine dezentrale Unterbringung positiv auf den Gesundheitszustand der Flüchtlinge aus und mindere damit die Kosten im Gesundheitssystem.

„Ich glaube es gibt keine Zweifel daran, dass die Bedingungen in Heimen für Kinder alles andere als optimal sind.“ (Susi Möbbeck)


Angesichts der mittlerweile stark rückläufigen Zahlen von Flüchtlingen im Land glaubt Susi Möbeck, müsse vor allem die soziale Integration im Vordergrund stehen. Dazu gehört für die SPD-Politikerin die zentrumsnahme Unterbringung von Flüchtlingen in den Kommunen und Städten. So ließe sich leerstehende Wohnraum im Sinne einer gewollten Integration sinnvoll nutzen. Zugleich fordert sie vom Landkreis Wittenberg eine schnell umzusetzende Regelung für die dezentrale Unterbringung von Familien mit Kindern, die jetzt noch in Möhlau leben. Dies sei im übrigen auch eine Empfehlung, die das Magdeburger Innenministerium an alle Kreise des Landes kommuniziert habe: „Ich glaube es gibt keine Zweifel daran, dass die Bedingungen in Heimen für Kinder alles andere als optimal sind.“


Salomon Wantchoucou und Toure Dramane auf dem Podium

„Hier wird unter Gewinnaspekten eine Unterbringung organisiert.“ (Susi Möbbeck)

Möbbeck hat mittlerweile viele Flüchtlingsunterkünfte im Land kennengelernt und zeigt sich immer wieder erstaunt darüber, wie extrem unterschiedlich die Situation in den Gemeinschaftsunterkünften sei. Und dies, obwohl alle Landkreise genau den gleichen Unterstützungssatz für die Unterbringung der Menschen vom Land erhalten würden. Die Integrationsbeauftragte macht das augenscheinliche Gefälle in der Qualität vor allem an der Trägerschaft fest: "Mein Eindruck ist, dass die Unterkünfte die von privaten Betreiber betrieben werden wirklich schlecht abschneiden im Vergleich. Hier wird unter Gewinnaspekten eine Unterbringung organisiert.“ Susi Möbbeck bringt ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die zukünftige Arbeitsgruppe im Landkreis sich mit anderen Verwaltungen austauscht. Einen Bedarf für diesen Schritt, sieht sie dabei allemal: „Ich kann ihnen auch sagen, dass nach meinem Eindruck die Gemeinschaftunterkunft Möhlau, was die räumlichen und die gebäudlichen Rahmenbedingungen angeht, mit die schlechteste Unterkunft ist.“ Ob sich die notwendigen grundlegenden Renovierungsarbeiten, die über Jahre vernachlässigt wurden, tatsächlich lohnen, sieht Möbbeck eher skeptisch: „Da habe ich ganz große Zweifel.“ Anke Tiemann will das differenzierter betrachtet wissen: „Alle möglichen Varianten müssen auf den Prüfstand. […] Wir werden uns auch in anderen Landkreisen umtun und die dortigen Erfahrungen für uns mit verwerten.“ “

„Wir sind täglich daran, Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten vorzunehmen.“ (Marcel Wiesemann)

Konkrete Fragen in der offenen Runde richteten sich vor allem an den Betreiber der Unterkunft, der im Publikum der Veranstaltung beiwohnt. Eine, die so oder so ähnlich noch öfters im Raum stehen sollte: „Warum sieht das Haus so aus, wie es aussieht?“ Marcel Wiesemann, der Geschäftsführer der KVW Beherbergungsbetriebe, stellt sich als Zuständiger in Möhlau vor und führt aus: „Wir sind täglich daran, Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten vorzunehmen. Es ist also nicht so, dass wir dasitzen und Däumchen drehen.“ Angesichts des bekannten Zustandes der Unterkunft, wird im Publikum erste Kritik laut. „Mit dem Geld was sie da verdienen, hätte ich auch ein leichtes Lachen“, entgegnet ihm ein junger Mann. „Ich sage ihnen ganz ehrlich, es ist knapp“, entgegnet Wiesemann. Die Reaktion im Publikum: Ein lautes Raunen und viele unverständliche Blicke. Man versuche „so gut uns das gelingt“ Ordnung in die Gemeinschaftsunterkunft zu bringen, so der Betreibervertreter. Das in Möhlau wohl einiges im Argen liege, räumt Wiesemann unumwunden ein. So sei auch aus seiner Sicht durch die Vernachlässigungen im Heim „im Laufe der Zeit durchaus in Mitleidenschaft gezogen“ worden.


Heimbetreiber Marcel Wiesemann

Salomon Wantchoucou findet in seinem Abschlussstatement harte Worte. Der mangelnden Respekt den Flüchtlingen gegenüber lastet er dabei vor allem der Ausländerbehörde an, die mit ihrer Abschiebepraxis eine Mitschuld am Tod jener, die nach der Ausweisung ihr Leben verloren haben, tragen würde. Für Toure Dramane ist auch am Ende der Veranstaltung noch die Frage offen, weshalb die Anwendung der gesetzlichen Rahmenbedingungen durch die Ausländerbehörde im Landkreis Wittenberg sich von der in anderen Regionen des Landes so stark unterscheide. Susi Möbbeck sagt indes zu nachprüfen zu wollen, warum im Landkreis so viele Geduldete bisher nicht unter die Bleiberechtsregelung gefallen seien wodurch sie einen Anspruch hätten, dass ihre Verfahren vor der Härtefallkommission in Magdeburg verhandelt werden würde. Für die Integrationsbeauftragte sind die Ausführungen des Heimbetreibers wenig glaubwürdig und äußert ihm gegenüber unmissverständlich hier "akute Mängel" zu sehen. Das hindert sie jedoch nicht daran, ein konkretes Angebot zu formulieren. Sie stehe dem Landkreis bei der Entwicklung eines zeitgemäßen Unterbringungskonzeptes jederzeit mit Rat und Erfahrung zur Seite.

„Nur mit vielen Akteuren werden wir hier an einer Lösung arbeiten können.“ (Corinna Reinecke)

„Hier wird gesagt es wird sich was ändern, aber morgen gilt das nicht mehr.“ (Heimbewohnerin)

„Wir werden versuchen ein Lösung zu finden, die den Bewohnern gegenüber soweit wie möglich gerecht wird, ohne dass wir den Rahmen den uns das Gesetz hier auferlegt verlassen", so die Stellvertreterin des Landrates abschließend. Anke Tiemann wiederholt zudem ihr Versprechen, die Situation in Möhlau im nächsten halben Jahr ernsthaft überprüfen zu wollen. Daran knüpft auch Christoph Kunz große Erwartungen und kündigt an, dass der Flüchtlingsrat die nächsten Schritte kritisch begleiten will. „Nur mit vielen Akteuren werden wir hier an einer Lösung arbeiten können“, bindet Corinna Reinecke die Diskussion zusammen und kündigt konkrete Maßnahmen an. Dazu gehöre die Initiierung einer "Beratungskette" die es ermöglichen soll, alle nötigen Gremien und Istanzen - vom Kreistag bis zu den Betroffenen - aktiv einzubeziehen. Da kann sich auch Moderator Tobias Thiel nur anschließen: „Ich finde es sehr spannend, dass wir eine Reihe von Ergebnissen haben.“ Gleichzeitig mahnt er jedoch auch eine Verbindlichkeit an und greift dazu einen Satz einer Heimbewohnerin auf: „Hier wird gesagt es wird sich was ändern, aber morgen gilt das nicht mehr.“

verantwortlich für den Artikel:

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt