Vom Flecken Rajoch bis zum Riesen Google

Die rechtsextreme NPD und ihr Wahlkampf in Sachsen-Anhalt

Rund drei Sekunden dauert es, dann hat man das Örtchen Rajoch im Salzlandkreis mit dem Auto passiert. Die NPD hat das nicht gehindert, an den spärlich vorhandenen Laternenmasten ihre Parolen anzubringen. Bereits vor längerer Zeit haben die Aktivisten der neonazistischen NPD angekündigt, flächendeckend im Straßenwahlkampf präsent zu sein. Im martialischen Ton der Partei wurde eine „Schicksalswahl“ ausgerufen. Bei der Ansprache von Erst-und JungwählerInnen setzt sie dabei vor allem auf das Internet, schaltet Anzeigen beim Branchenprimus Google. Das Ziel der finanziell angeschlagenen Rechtsextremisten scheint klar, mit letzter Kraft über die "Fünf-Prozent-Hürde" und damit  in den sachsen-anhaltinischen Landtag einzuziehen.

Den  tatsächlichen Anfang in der Region  machten Mitte Februar einige Plakate  auf dem Lande.  Radis und Bergwitz im Landkreis Wittenberg, Kühren in Anhalt Bitterfeld und im Salzlandkreis  Schwarz und Lödderitz (mehr dazu hier...). Selbst in einem der kleinsten Flecken des Landes, dem bereits erwähnten Örtchen Rajoch, in dem nur circa dreißig Menschen leben, hat die NPD ihre Plakate gehangen Wahlwerbung angebracht und in einige Briefkästen geworfen. Dabei verfolgt sie offensichtlich die Strategie, in den Regionen des Landes  um Stimmen zu werben, in denen die demokratischen Parteien nur schwach oder gar nicht vertreten sind. In den anliegenden Städten Wittenberg und Gräfenhainichen bespielsweise, war von der rechtsextremen Partei im Stadtbild zunächst nichts zu sehen.



In einigen Gemeinden, wie in Bergwitz, das zur Verwaltungsgemeinschaft Kemberg gehört, wurden Plakate nur wenig später heruntergerissen und zerstört. Die Polizei hat nach Angaben der Sprecherin der Polizeidirektion Ost, Doreen Wendland, bereits Ermittlungen aufgenommen. Genau Angaben zu den beschädigten Wahlplakaten lagen der Polizeidirektion allerdings nicht vor. Insgesamt seien in der Region zwar etwa 190 Plakate zerstört worden, heißt es in einer Mitteilung. In diese Zählung sind aber die Plakate aller Parteien eingeflossen, eine Zählung nach den einzelnen Parteien liege der Polizei bisher nicht vor.

In der werbetechnischen Landpartie zum Wahlkampfauftakt wird eines deutlich: Besonders umworbene Zielgruppe der NPD sind  Erst- und JungwählerInnen. Dabei versucht die Partei an Erfahrungen aus anderen Regionen Ostdeutschlands anzuknüpfen, in denen sie stark vertreten ist. In ländlichen Regionen haben Beschäftigungsangebote für Jugendliche stark abgenommen und diese sind leichter empfänglich für die platten Parolen der Partei, die gegen das „System“ und die etablierten Parteien hetzt.

Am 28. Februar und am 1. März zog der fahrende Unterstützertross  schließlich auch durch Dessau-Roßlau. Drei Transporter, offenbar spendiert von der sächsischen Landtagsfraktion, und mit  einigen Neo-Nazikadern aus Sachsen besetzt (darunter auch Maik Scheffler aus Delitzsch), brachten NPD-Plakate in Dessau an. Damit hat der rechtsextreme Wahlkampf die drittgrößten Stadt im Land erreicht. In Magdeburg und Halle wurden auf dem Weg von den Dörfern in die Städte bereits einige Tage eher plakatiert. Der NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt ist ist bei allen seinen Aktionen offenbar auf die personelle und finanzielle Unterstützung aus  Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen angewiesen. Von den Helfenden im Wahlkampf, die Plakate hängen und Infostände betreiben, stammen die meisten nicht aus dem Land selbst. Ohne diese Hilfen wäre es der NPD in Sachsen-Anhalt gar nicht möglich, ihre Werbeaktionen  durchzuführen.


NPD-Plakatierung in einem Dessauer Gewerbegebiet

Auf ihren Plakaten verzichtet die NPD derzeit weitgehend auf die üblichen rassistischen Sprüche und verwendet stattdessen Slogans, die unverfänglicher klingen. „Höchststrafe für Kinderschänder“ und „Arbeit statt Armut“ sind die neuen Parolen der NPD im Wahlkampf, anstelle der alten Sprüche „Todesstrafe für Kinderschänder“ und „Arbeit zuerst für Deutsche“. Das menschenfeindliche Bild der Partei lässt sich trotzdem im Subtext leicht wiederfinden. Die Auseinandersetzung mit landesspezifischen Politikthemen ist hingegen nicht Sache der Partei, stattdessen wartet sie mit den Themenfeldern aus der Bundespolitik auf und setzt auf ihren Spitzenkandidaten Matthias Heyder.

 


Ein weiteres Mittel im Wahlkampf ist das von der NPD so genannte “Flaggschiff”. Dabei handelt es sich um ein altes Wohnwagenmobil, das über die Straßen fährt und die Menschen mit Tonbandsprüchen bombardiert. Auch in Dessau-Roßlau wurde der Agitationswagen bereits gesichtet (mehr dazu hier...). Die in internen Mails angekündigte „Materialschlacht“ findet bislang allerdings nicht statt. Dies  könnte nicht zuletzt mit der derzeit desolaten Situation der Partei zu tun haben. So hat die NPD in Sachsen-Anhalt finanzielle Unterstützung vom Landesverband in Niedersachsen bekommen und vom Fraktionsvorsitzenden der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs. Dieser hatte allerdings auf eine Bürgschaft und eine Rückzahlung innerhalb eines Monats nach der Landtagswahl bestanden. Der Wahlkampfleiter in Sachsen-Anhalt und Vorsitzende der NPD-Fraktion in Sachsen, Holger Apfel bezeichnete dieses Verhalten als „Kindergarten“ und der NPD-Parteivorsitzende Udo Voigt sagte, dass es “ein Witz” sei, dass ein “so gut begüteter Mann” wie Pastörs  eine Bürgschaft verlange. Offenbar plant Pastörs schon vor, denn der Partei droht die Zahlungsunfähigkeit.


Screenshot einer NPD-Anzeige beim Internetdienstleister Google.

Trotz dieser Schwierigkeiten schaltet die Partei weiterhin Anzeigen auf dem Suchmaschinenbetreiber Google. Bereits 2009 waren dort Anzeigen entdeckt worden und hatten für Unverständnis und Protest gesorgt. Lena Wagner, Sprecherin von Google Deutschland sagte damals: "Google ist eine Werbeplattform, die grundsätzlich jedem offen steht, der sich bei seiner Werbung an die Gesetze und unsere Werberichtlinien hält. Google erlaubt in Deutschland, allen nicht vom Bundesverfassungsgericht verbotenen Parteien bei AdWords zu werben, solange sie sich an die Richtlinien halten. Wir dulden jedoch keine Gewalt oder Hass fördernden Anzeigentexte.“

Zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat die NPD mit dem Slogan „Wir räumen auf“ erneut Anzeigen bei Google geschaltet, die direkt auf die Homepage des Landesverbandes führen.  Die Nachfrage von Projekt gegenPart, warum die Zusammenarbeit weiterhin fortgesetzt wird, blieb ohne Antwort. Google-Sprecher Oliver Klug hatte zwar eine rasche Stellungnahme angekündigt, anschließend aber nicht mehr reagiert. Ein wenig unverständlich scheint das schon, denn weder die erklärten politischen Ziele der NPD noch die immense Gewaltbereitschaft zahlreicher ihrer Anhänger, ist mit den Richtlinien des Google-Services in Einklang zu bringen.   

In den Richtlinien von AdSense, dem Werbeprogramm von Google, ist zu lesen, dass "Websites, auf denen Google-Anzeigen geschaltet werden, folgende Inhalte nicht enthalten oder damit verknüpft sein dürfen: (...) Rassistische sowie Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen verunglimpfende Inhalte".

Ob die NPD damit die „Fünf-Prozent-Hürde“ überspringen wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist unterdessen: Die Partei verstärkt ihre Bemühungen sichtlich und die Chancen für den Einzug steigen deutlich. Wenn sich Zivilgesellschaft nicht entschieden gegen die Rechtsextremen stellt, werden sie es künftig leichter haben, ihre menschenverachtenden Positionen zu verbreiten und in das Landesparlament einzuziehen.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich alle demokratischen Parteien, Initiativen und Einzelpersonen engagieren und für eine offene und tolerante Zivilgesellschaft werben. Mit der Teilnahme an der Landtagswahl und der Stimmabgabe für eine der demokratischen Parteien (mehr zur Kampagne hier...) oder mit dem demokratischen Protest gegen den Naziaufmarsch in Dessau (Aufruf hier...) können dafür ganz praktische Schritte unternommen werden.

verantwortlich für den Artikel:

 

Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt