“Gleichgültigkeit ist ein anderer Name für Verantwortungslosigkeit”80 Menschen erinnern am 11. Juni 2014 in Dessau-Roßlau an Alberto Adriano und Hans-Joachim Sbrzesny Der 10. Juni 2000 war ein Pfingstsonnabend. Die Fußball-Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden lief gerade an, und während Alberto Adriano das Eröffnungsspiel bei Freunden in Dessau sieht, verpassen am Hauptbahnhof zwei 16-Jährige und ein 24-Jähriger ihre Züge. Was danach geschah, rekonstruierte das Oberlandesgericht Naumburg wie folgt: „An ihren damals szenetypischen Outfits – schwarze Springerstiefel, kurz geschorene Haare, bei einem zudem ein angedeutetes Hitlerbärtchen – erkennen sich die drei unschwer als Kameraden“. Sie betrinken sich, grölen das Afrikaner verhöhnende Afrika-Lied der Neonazikultband Landser, die 2005 zur kriminellen Vereinigung erklärt wurde. Schließlich trafen die Neonazis in den ersten Stunden des 11. Juni 2000 im Stadtpark auf Alberto Adriano Neonazis und schlugen und traten in einer unmenschlichen Gewaltorgie so lange auf den Familienvater ein, dass er wenige Tage später seinen schweren Verletzungen erlag. Gleich neben dem Gedenkstein für Alberto Adriano und unter schattenspenden Bäumen hängt ein großes Transparent. Darauf finden sich 182 Namen - scheinbar unsortiert und ohne Zusammenhang. Erst die Überschrift deutet daraufhin, was dem Vorbereitungskreis des TAGES DER ERINNERUNG 2014 um das Multikulturelle Zentrum, dem Ausländerbeauftragten der Stadt Dessau-Roßlau, dem Evangelischen Kirchenkreis Anhalt, dem hiesigen Migrantenrat und dem Verein Miteinander, wichtig ist: „182 Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt“. Seit der Wiedervereinigung sind nach der Zählung von Medien und zivilgesellschaftlichen Initiativen in Deutschland 182 Menschen der Gewalt rechter Schläger zum Opfer gefallen. Das sind 7 Menschen pro Jahr, die auf Grund ihrer Herkunft, Lebensentwürfe, Weltanschauungen, sexuellen Orientierung oder ihres sozialen Status jäh aus dem Leben gerissen worden. Nach einem interkonfessionelle Gebet mit dem Imam Indjai Amadi, dem Vorbeter der Jüdischen Gemeinde Dessau, Herr Räznikow und der Kreisoberpfarrerin Annegret Friedrich-Berenbruch legten die Besucher_innen Blumen und Kränze an der Alberto Adriano gewidmeten Stele nieder. Szenen- respektive Tatortwechsel. Fast genauso viele Menschen fanden sie wenig später an einer Parkbank am Dessauer Hauptbahnhof ein. Dort war in der Nacht zum 01. August 2008 Hans-Joachim Sbrzesny von der rechten Szene nahestehenden Tätern solange misshandelt worden, bis er starb. Hier reflektierte Joachim Liebig, Präsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, zunächst kritisch, dass es wohl viel zu lange gedauert habe, bevor die Stadt und deren Initiative erstmals öffentlich an diese brutale Tat erinnerten: "Hans-Joachim Sbrzesny wurde das mörderische Opfer zweier Menschen. Die Begründung für die Tat ist an Perfidität nicht zu überbieten. Die beiden Täter handelten aus einer rassistischen und nationalistischen Motivation heraus." Zugleich betonte der Kirchenpräsident wie wichtig es sei, öffentlich an alle Todesopfer rechter und rassistischer Gewalt zu erinnern: "Es darf nicht hingenommen werden, dass sich in unserer Gesellschaft Rassismus Bahn bricht. Es wäre vielleicht zu viel, den Tod von Hans-Joachim Sbrzesny dafür in den Dienst zu nehmen, es war sein Tod. Viel wichtiger sind die kleinen rassistischen Gesten und Bemerkungen im Alltag, denen es zu begegnen gilt.“ Die Aufforderung, „solchen menschenfeindlichen Einstellungen entschlossen und klar entgegenzutreten", muss dem Vorbereitungskreis sicherlich nicht zweimal ins Stammbuch geschrieben werden. Der trifft sich demnächst, um den TAG DER ERINNERUNG am 11. Juni 2015 in Dessau-Roßlau zu planen. verantwortlich für den Artikel: |
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„Frau trifft…Engagement und Courage gegen Rechtsextremismus“ Ausstellungseröffnung am 18. November im Frauenzentrum Wolfen |
15 Punkte für eine Willkommensstruktur in Jugendeinrichtungen Handreichung des Projekt ju:an der Amadeu-Antonio-Stiftung |
„Antisemitismus in der DDR und die Folgen“ Konferenz vom 26. bis 27. November 2015 in der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur |
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HATE SPEECH – zum Umgang mit Menschenverachtenden Postings im Web 2.0 Workshop am 20. November 2015 in der Volkshochschule Dessau |
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Einladung zur Veranstaltung „Lieder gegen das Vergessen“ Erinnerung an den Novemberpogrom von 1938 und Gedenken an die Opfer des Holocaust aus Dessau-Roßlau |
Projekt GegenPart – Mobiles Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt