Der Haß auf die Juden als Bereitschaft zum Opfer: Antisemitismus gestern und heute.
abschließende Veranstaltung der Aktionswochen gegen Antisemitismus in Dessau am 21. November im Alternativen Jugendzentrum
Mit dem Vortrag "Der Haß auf die Juden als Bereitschaft zum Opfer: Antisemitismus gestern und heute.", des Wiener Publizisten und Buchautors Gerhard Scheit, finden die Aktionswochen gegen Antisemitismus in diesem Jahr in Dessau ihren Abschluss. Der Referent wir am 21. November ab 18.00 Uhr im Alternativen Jugendzentrum e. V. Dessau (Schlachthofstr. 25) zu erleben sein. Insgesamt fanden unter diesem Label 5 Veranstaltungen in Dessau statt.
Die Schwäche der Juden, so hört man aus den Reihen der Hamas und der Hisbollah, bestehe darin, daß sie das Leben mehr als irgendwelche anderen Leute lieben und es vorziehen, nicht zu sterben.
Es gehört zu den elementaren Bestandteilen des Antisemitismus, daß die Juden als diejenigen stigmatisiert werden, die zum Opfer nicht bereit seien. Zugleich werden sie aber als Verkörperung des sich selbst vermehrenden Geldes, des Zinses und später des internationalen Finanzkapitals, imaginiert: ihr Bild steht in der abendländischen Kultur für den abstrakten Reichtum, der sich verselbständigt und eigene Bedürfnisse weckt, die nicht befriedigt werden sollen oder können; für ein Leben also, in dem nichts geopfert werden muß.
Die christliche Religion schuf die Voraussetzungen dieses Identifikationsmechanismus: als Jude wurde gekennzeichnet, wer das Selbstopfer von Jesus nicht anerkennen wolle. Es folgte die Säkularisierung des Judenhasses in der Phase der Nationalstaaten: die Juden werden ideologisch ausgegrenzt, weil sie nicht wirklich zum Opfer für den Staat und die deutsche Nation bereit seien. Solchen „pathischen Projektionen“ (Adorno/Horkheimer) konnte das reale Verhalten von Jüdinnen und Juden, konnten Taufe und Staatsbürgerschaft, Teilnahme an Kriegen und Soldatentod, nichts anhaben: der Antisemitismus entfaltete sich immer schon darin nachzuweisen, daß die Jüdinnen und Juden, die sich taufen lassen und Staatsbürger werden, doch keine richtigen Christen und keine wahren Deutschen werden können. Darum zielt er von jeher auf die Abstammung und das Physische (hier liegt seine Verwandtschaft mit dem Rassismus); und er kann diese Ziel nur in der physischen Vernichtung der Jüdinnen und Juden erreichen.
Im Nationalsozialismus wurde diese Vernichtung um ihrer selbst willen als millionenfacher Massenmord in die Tat umgesetzt. Der „sekundäre Antisemitismus“, der sich dann in Deutschland und Österreich verbreitet, nachdem die Vernichtungsmaschinerie durch die Alliierten gestoppt werden konnte, greift erneut auf die Identifikation mit dem Opfer zurück und betreibt sie nunmehr als Schuldumkehr: das eigentliche Opfer des Nationalsozialismus wäre die deutsche Volksgemeinschaft. Dem kommt schließlich von außen der Antizionismus der Islamisten entgegen: Israel wird als „der Jude unter den Staaten“ betrachtet, der die Opfer der Palästinenser nicht anerkenne und selbst umso weniger bereit sei, sich fürs Völkerrecht zu opfern.