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“Das wir nicht alles sehen müssen, diese Äußerung ist so gefallen“

Magdeburger Untersuchungsausschuss zum polizeilichen Umgang mit Rechtsextremismus befragt erste Zeugen//ehemalige Staatsschützer erheben schwere Vorwürfe//Statistik womöglich geschönt




Der ehemalige Staatsschutzleiter Sven Gratzik im Zeugenstand

Keine Angst, es kommt jetzt kein Powerpointvortrag“, mit diesen Worten eröffnet der ehemalige Abteilungsleiter des Staatsschutzes der Polizeidirektion Dessau (PD), Sven Gratzik (37), am 10. Dezember 2007 seine fast zweistündigen Vortrag im Rahmen seiner Zeugenaussage vor dem 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Magdeburger Landtages.

Der Ausschuss soll in mindestens sechs Fällen klären, ob es bei der Bekämpfung und Verfolgung rechtsextremer Delikte womöglich zu polizeilichen Ermittlungspannen gekommen sein könnte. Das Landesparlament beschloss am 13. September 2007 mit 26 Stimmen der Linkspartei die Einsetzung des Gremiums, die anderen Fraktionen enthielten sich.

Bei der Sitzung am 10. Dezember behandelt der Ausschuss ausschließlich den als „Dessauer Staatsschutzaffäre“ bekannt gewordene Fall. Drei ehemalige Staatsschützer der Polizeidirektion Dessau werfen dem ehemaligen Abteilungsleiter Polizei und Dessauer Polizeivize Hans-Christoph Glombitza (i. R.) dabei anhand eines Gedächtnisprotokolls vor, ihre Ermittlungen gegen die rechte Szene gebremst und zudem die Landeskampagne „Hingucken – Für ein demokratisches und tolerantes Sachsen-Anhalt“ diskreditiert zu haben.

Sven Gratzik ist der erste Zeuge der vom Ausschuss gehört wird und wohl einer der wichtigsten. Seit August 2004 habe er als Leiter des Fachkommissariats 4 den polizeilichen Staatsschutz in Dessau geleitet. Als er die Arbeit dort übernahm, habe er sich schon hin und wieder über die Sprachwahl einiger Kollegen gewundert. So habe es immer wieder abschätzige Bemerkungen über Ausländer gegeben und Personen aus dem linken Spektrum wären „als Zecken“ bezeichnet wurden. „Das fand ich nicht gut“, so der Zeuge dazu. Gratzik berichtet dem Gremium, wie er zusammen mit Anderen die „Projektgruppe Netzwerk Staatsschutz“ in Sachsen-Anhalt aufgebaut habe die sich unter anderem zum Ziel setzte, mit der Zivilgesellschaft, der Kommunalpolitik und Initiativen gegen Rechtsextremismus enger zusammen zu arbeiten, sowie die Arbeit der eigenen Abteilungen zu optimieren.


Sven Gratzik vor dem Magdeburger Untersuchungsausschuss

Zunächst stellt Gratzik den Personalbestand in seiner ehemaligen Abteilung dar. Dazu präsentiert er dem Ausschuss Statistiken, die die bearbeiteten Fälle einzelner Sachbearbeiter seiner Abteilung belegen sollen. Gratzik schränkt allerdings ein: „Ausschließlich die Fallzahlen sind kein taugliches Mittel, um die Arbeitsbelastung zu messen“. Manche Kollegen  hätten gerade einmal 0,7 Vernehmungen gehabt, während andere weit über 10 zu Buche stehen gehabt hätten. Er habe die Arbeit zunächst so verteilt, dass im Durchschnitt 15-20 Vernehmungen im Monat durch die Kollegen durchgeführt worden seien. Außerdem habe er die anlassbezogene Internetrecherche auf einschlägigen rechtsextremen Portalen veranlasst: „Das hat sich bewährt“, so der Zeuge. Zu seiner Motivation sagt der ehemalige Staatsschützer unmissverständlich: „Ich habe mich persönlich dazu bekannt, die Bekämpfung des Rechtsextremismus zur Chefsache erklärt zu haben“. Danach hätten sich die Fallzahlen in diesem Bereich der politischen Kriminalität in der PD Dessau verdoppelt. „Wenn ich intensiv in einen Bereich hineinschaue, sehe ich mehr“, so der 37jährige.

Gratzik schildert dann seine Wahrnehmungen, die er bei einer Führungskräftebesprechung der Polizei gemacht habe. Dort sei auch der Innenminister Holger Hövelmann (SPD) zu gegen gewesen und habe erläutert, dass die Bekämpfung des Rechtsextremismus in seinem Hause ein Schwerpunktbereich sei. „Naja, dass muss er doch nur sagen, dass meint er doch nicht ernst“, erinnert der Zeuge an eine Äußerung eines Kollegen. Das sei als „ein abwehrendes Raunen im Hintergrund“ zu verstehen gewesen. Er könne jedoch nicht sagen, welcher Polizist diese Äußerungen genau getätigt haben soll.

Der Ex-Staatsschützer erinnert sich, dass es in der PD Dessau „erster Irritationen Mitte 2006“ gegeben hätte. Damals habe er sich mit seinem Vorgesetzten Glombitza zu einem informellen Gespräch „beim Eis“ getroffen. Glombitza soll sich bei ihm über die hohen Fallzahlen der Kriminalität Rechts beschwert haben. Der Leiter Polizei soll dabei gesagt haben, dass das Fallaufkommen nur den Linken nutzten würde, die dann weiter Fördermittel bekämen. „Ich habe genau so geguckt wie Sie, Herr Kolze“, sagt Gratzik zur leicht irritierten Reaktion des Ausschussvorsitzenden Jens Kolze (CDU).

Ende 2006 kam es dann zur weiteren temporären Verstimmungen“, so der Zeuge zur Situation in der PD. Hintergrund seien erneut die Fallzahlen Rechtsextremismus gewesen, die sich nun im Vergleich zu 2004 verdreifacht hätten. Ende Oktober 2006 habe ihm ein Kollege offeriert, dass er ins Fachkommissariat 1 versetzt werden solle. „Ich fand das nicht toll, dass das Personal hier abgezogen werden soll“, kommentiert der Zeuge. „Naja, ich hätte Ihnen das später noch gesagt.“, soll die Kriminaloberrätin Heusmann dazu zu ihm gesagt haben. Die Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt habe wiederrum dazu gemeint, dass in anderen Fachkommissariaten gegenwärtig gar nichts frei gewesen sei. Es habe in diesem Kontext Anfang November 2006 zwischen ihm und der Leiterin des Zentralen Kriminaldienstes (ZKD), der Kriminaloberrätin Heusmann, ein Gespräch gegeben. In diesem hätte ihm die Vorgesetzte erklärt, dass „die Staatsschutzkriminalität kein Schwerpunkt mehr in der PD“ sei und dies auch mit der Behördenleitung so abgesprochen worden wäre. In einer weiteren Unterredung mit Heusmann habe diese zudem am 13. November 2006 geäußert: „Die Einsatzbereitschaft des Staatsschutzes im Bereich Rechtsextremismus ist nicht lobenswert“.

Gratzik erhebt zudem mehrmals den Vorwurf, dass er als Leiter der Staatsschutzabteilung ab einem gewissen Zeitpunkt vom polizeiinternen Informationsfluss abgeschnitten worden sein soll. Als Beispiel nennt er eine Untererdung in der Polizeihundeschule in Pretzsch. Er hätte als Abteilungsleiter eigentlich daran teilnehmen sollen. Wäre aber aus Krankheitsgründen oder weil er Urlaub gehabt hätte, verhindert gewesen. Sein Stellvertreter Swen Ennulatt habe sich kurzfristig entschieden, eine Serie von rechtsextremen Gewalttaten in Bernburg vor Ort aufzuklären. Den Beamten, der schließlich aus der Staatsschutzabteilung zu dieser Besprechung abgestellt worden sei, wäre jedoch die Teilnahme untersagt worden. Außerdem gibt Gratzik an, dass er zusammen mit seinen Kollegen Ennullat und Kappert dazu aufgefordert worden sei, eine Dauerrufbereitschaft vorzuhalten. Dies habe zu einer hohen Arbeitsbelastung mit zahlreichen Überstunden geführt.

Schließlich geht der Zeuge auf die Zählweise und die Statistikmodalitäten rechtsextremer Straftaten ein. So habe er sich Anfang 2007 darüber gewundert, dass die vom Landeskriminalamt (LKA) bearbeitete Statistik 35 Fälle überhaupt nicht enthielt, die seine Abteilung einige Wochen zuvor gemeldet habe: „Obwohl die Zahl der Straftaten im Dezember um 35 stieg, führte diese 35 zusätzlichen Fälle zu einer Reduzierung“. Gratzik nennt dem Ausschuss Beispiele. So sollen das LKA einen Fall aus der Statistik genommen haben, in dem eine Frau mit den Worten: „Du Negerschlampe, dein Negerkind bringe ich um“, beleidigt worden sein soll. Dies sei für ihn eindeutig rassistisch motiviert und deshalb ein eindeutiger Fall für die Statistik. In einem anderen Vorgang soll das LKA abgelehnt haben, den Vertrieb von SS-Uniformen- und Dolchen, die als Repliken angeboten worden sein sollen, als strafrechtlich relevant zu deklarieren. Das LKA habe seiner Abteilung mitgeteilt, dass der Vorgang „nicht geeignet ist, die Tatbestandskriterien des § 86a STGB (Verwendung von Symbolen verfassungswidriger Organisationen, d. Aut.) zu erfüllen“. Nach Intervention aus dem Staatsschutz Dessau, habe das LKA den Fall schließlich doch in die offizielle Statistik aufgenommen. In diesem Zusammenhang soll die Leiterin des Zentralen Kriminaldienstes mit Unverständnis über sein Vorgehen reagiert habe und zu ihm gesagt haben: „Das LKA hat vom Innenministerium die Anweisung bekommen, die Fallzahlen zu bereinigen“. Gratzik habe sie daraufhin gefragt, was das heißen solle. Seine Vorgesetzte habe ihm darauf geantwortet: „Du verstehst das schon.“

„Das LKA hat vom Innenministerium die Anweisung bekommen, die Fallzahlen zu bereinigen“

Gratzik kommt nun auf die Arbeitsbelastung beim Dessauer Staatsschutz zurück. Mitte Januar habe seine Wochenarbeitszeit 60 Stunden betragen. „60 Stunden sind nicht hinnehmbar“, so Gratzik dazu. Zu diesem Zeitpunkt hätte es auch Überlastungsanzeige aus seiner Abteilung gegeben.  Heusmann habe ihm daraufhin geantwortet: „Die Situation im Staatsschutz liegen an Ihren Führungsqualitäten“. In seiner Beurteilung von der Führungsspitze der Polizeidirektion stehe jedoch das Gegenteil. Gratzig habe das Gespräch eingangs als Schlichtungsversuch begriffen, Heußman habe ihm jedoch „lautstark aus dem Zimmer geschmissen“.

Schließlich sagt der Zeuge erstmals zum Gespräch mit Hans-Christoph Glombitza aus, dass ursächlich die Dessauer Staatschutz-Affäre ins Rollen brachte. Am 05. Februar 2007 habe der Leiter Polizei ihn und die Kollegen Ennulat und Kappert angewiesen, sofort zu ihm zu kommen.  „Es hat ja nichts gebracht“, soll Glombitza mit Verweis auf das informelle Eisessen zu Beginn gesagt haben. Aufgrund der Überlastungsanzeigen aus der Abteilung habe Glombitza zunächst die Recherche im Internet angesprochen. Dafür sei, laut Leiter Polizei, das LKA und das Bundeskriminalamt zuständig und nicht etwa eine Staatsschutzabteilung. Gratzik habe darauf geantwortet, dass die lokale und anlassbezogene Recherche auf regionalen rechtsextremen Portalen wichtig sei, um beispielsweise das Lagebild Rechtsextremismus zu vervollständigen und Skinheadkonzerte im Vorfeld aufzuklären. „Das hat dazu geführt, dass wir Straftaten aufklären konnten“, habe er seinem Vorgesetzten gesagt. Außerdem helfe diese Recherche, Teilnehmerzahlen bei rechtsextremen Veranstaltungen und Aufzügen im Vorfeld einschätzen zu können. Die Internetrecherchen wären immer „lokal gebunden“ gewesen und die darauf basierenden Prognosen der Kollegen hätten auch mehrheitlich zugetroffen. Er habe auch nicht verstanden, warum Glombitza hier von einer Arbeitsüberlastung gesprochen habe. „10 Anzeigen im Jahr 2006, dass ist doch keine Arbeitsüberlastung“, so der Zeuge. Darüber hinaus habe die Internetrecherche dazu gedient, Informationen von Informanten zu verifizieren. Ferner konnte die Abteilung somit auch den Internetverkauf verbotener CDs rechtsextremer Bands unterbinden.

Das wir nicht alles sehen müssen, diese Äußerung ist so gefallen“, ist sich Gratzik sicher. Sein Kollege Ennulat habe daraufhin angefragt, ob dies eine Anweisung sei, keine Ermittlungsverfahren mehr zu eröffnen. „Ich weiß, dass kann ich ihnen nicht anweisen, aber man kann einen Bericht auch langsamer schreiben“, soll Glombitza geantwortet haben. Gratzik gestikuliert vor dem Ausschuss und macht nach, wie der hochrangige Beamte das langsame Tippen dargestellt haben soll. Glombitza habe so zum Beispiel den Vergleich zum Ladendiebstahl bemüht und ausgeführt: Bei Supermarkt-Inventuren die Zahlen fehlender Produkte zu recherchieren.  „Und plötzlich ist Sachsen-Anhalt das Land der Ladendiebe“ habe er dazu resümiert, um schließlich zu äußern: „und sehen sie, jetzt ist Dessau der Höhepunkt des Rechtsextremismus“. Swen Ennullat habe dann die Landeskampagne „Hingucken“ angesprochen und geäußert: „Wir wissen diese Straftaten zu verhindern, deshalb kann es kein Fehler sein“. Darauf hätte Glombitza reagiert: „Der Innenminister ist ein politischer Akteur, der hat doch keine andere Wahl. Das dürfen sie alles nicht so ernst nehmen, dass ist doch alles für die Galerie“. Außerdem sei es in dem Gespräch noch über Beurteilungen von Mitarbeitern gegangen. Dazu habe Glombitza gesagt: „Wenn wir jetzt über Beurteilungen sprechen, da können wir uns doch nur kaputtlachen“.

“Das wir nicht alles sehen müssen, diese Äußerung ist so gefallen“
Sven Gratzik

Da waren wir völlig ratlos“, beschreibt Gratzik die Verfassung der drei Staatsschützer nach dem Gespräch. Er selbst sei danach erst einmal ein Runde um das Haus gegangen und die anderen beiden Kollegen hätten erstmal die Füße auf den Tisch gelegt und gemeint: „Der Alte hat doch gesagt, wir sollen nichts mehr machen.“ Der Abteilungsleiter habe sich bereits am nächsten Tag einen Termin bei seinem Vorgesetzten geben lassen. Da habe er ihm gesagt: „Meine Mitarbeiter sind demotiviert, der Innenminsiter hat gesagt, wir sollen es bekämpfen“. Gratzik habe gefordert, die Konsequenzen der Unterredung rückgängig zu machen. Darauf wäre Glombitza nicht eingegangen und habe gesagt: „Sie müssen mal begreifen, dass man mit feinen Stellschrauben, wie Personalreduzierung, die Fallzahlen Rechtsextremismus auch minimieren kann.“  Und der Leiter Polizei weiter: „Wenn ihren Beamten so demotiviert sind, dann entsorgen sie sie doch, dass können Sie doch so gut“, soll Glombitza zum Abschluss des Vieraugengespräches gesagt haben. Danach hätten sich die drei Beamten entschlossen, ein Protokoll zu erstellen.

 „Wenn ihren Beamten so demotiviert sind, dann entsorgen sie sie doch, dass können Sie doch so gut“

Mitte Ferbuar 2007 sei er dann bei der damaligen Polizeipräsidentin Scherber-Schmidt vorstellig geworden. „Herr Glombitza hat da so etwas erzählt, dass wir die Verfolgungsintensität Rechts senken sollen“, habe er der Präsidentin gesagt. Sie habe das jedoch nicht so gesehen. „Herr Glombitza habe auch bei den Revierleitern so seltsames erzählt. Die Zahlen sind wie sie sind“, habe Scherber-Schmidt geantwortet. Drauf hin habe er das Protokoll zunächst in der Schublade verschwinden lassen.

Probleme habe es aber weiter gegeben. So habe Glombitza einen für den 16. Februar 2007 bestimmten Antrag des Staatsschutzes auf Observation abgelehnt. Die Abteilung habe einen Rechtsextremen überwachen wollen, der eine maßgebliche Rolle in der rechtsextremen Musiklandschaft spiele und nach eigenen Angaben mehrere Skinheadkonzerte organisiert habe. „Es gibt da so ein Zentrum, Köthen“, konkretisiert Gratzik. So berichtet er von einem Skinheadkonzert mit 300 Neonazis, von denen die Polizei 250 namentlich feststellen konnte. Als die Beamten eintrafen, hätten die Rechtsextremisten Barrikaden errichtet und die Polizisten mit Flaschen beworfen. “Die Antwort  Herr Glombitzas darauf war frech“, erinnert sich Gratzik. Glombitza habe den Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die „Gefahrenabwehr rechtlich nicht relevant“ wäre. Sein Kollege Kappert habe dann auf den so genannten Skinheaderlass des Innenministeriums verwiesen. Außerdem seien in dieser Zeit Protokolle, die für alle Abteilungsleiter in der PD bestimmt gewesen wären, nicht mehr Staatsschutzleiter weitergeleitet worden. Ende Februar habe es zudem ein weiteres Gespräch mit der Leiterin des ZKD gegeben. „Hohe Fallzahlen schaden der PD“, soll die Vorgesetzte geäußert haben und diese seien unbedingt zu senken.

Dann habe er sich entschlossen, das „Protokoll wieder aus der Schublade“ zu holen. Er wäre mit dem Schriftstück zunächst zum Justizar der Polizeidirektion gegangen, um dieses „rechtlich zu würdigen und da nun zu gucken, was da nun zu machen ist“. Der Jurist habe gesagt: „Um Gotteswillen. Das darf auf keinen Fall umgesetzt werden, was da drin steht. Das ist absolut rechtswidrig.“ Schließlich habe Gratzik seinen Kollegen Ennullat geraten, sich jetzt für die höhere Dienstlaufbahn zu bewerben, da er „entsorgt werden soll“. Er hätte von einem Kollegen ersetzt werden sollen so Gratzik, der gemeint habe: „Zur Verfolgung eines Hakenkreuzes krauche ich nicht unter einen Balkon.“ Diesen Beamten hielt Sven Gratzik somit für keine ideale Besetzung des Postens: „GIA“ (Gefahrenabwehr – Informationsbeschaffung – Aufklärung, Anm. d. Red.)

„Um Gotteswillen. Das darf auf keinen Fall umgesetzt werden, was da drin steht. Das ist absolut rechtswidrig.“ 

Am 14. März 2007 habe eine Tagung stattgefunden, an dem seine Kollegen aus anderen Staatschutzkommissariaten teilgenommen hätten. Er habe diese Gelegenheit genutzt um zu erfahren, ob es womöglich auf dem politischen Parkett des Landes hinsichtlich der intensiven Bekämpfung des Rechtsextremismus einen Sinneswandel gegeben hätte. „Ein entschiedenes: Nein. Um Gottes Willen, wir haben den Auftrag“, erinnert er Gratzik sich an Reaktionen seiner Kollegen. Als er seinen Vorgesetzten Glombitza wegen einer Beurteilung, mit der er in einzelnen Punkten nicht einverstanden zu sein schien, aufsuchte, soll dieser zu ihm gesagt haben: „Denken Sie an die Galerie, ich habe Ihnen das schon einmal gesagt“.

Gratzik habe dann ein Gespräch mit Oberstaatsanwalt Christian Preissner von der Staatsanwaltschaft Dessau gehabt. „Herr Preissner war völlig schockiert. Natürlich nicht“, schildert der Zeuge seine Wahrnehmungen, als er dem Anklagevertreter vom Inhalt des Glombitzagespräches in Kenntnis setzte. „Er wird persönlich dafür sorgen, dass das so nicht durchgeht.“, habe der Oberstaatsanwalt daruf erwidert. Er wisse auch, dass Preissner in dieser Angelegenheit ein Telefonat mit der Polizeipräsidentin geführt habe.

Ich habe dann meine Umsetzung beantragt, aus persönlichen und dienstlichen Gründen“, sagt Gratzik nun sichtlich berührt.

Der Justiziar der PD habe ihm später nochmals geraten, das Protokoll nicht auf den Dienstweg zu bringen. „Ich bin froh dass ich nur Verwaltungsangestellter bin und damit nicht dem Strafverfolgungszwang unterliege.“, habe der Jurist geäußert. Gratzik habe sich jedoch anders entschieden und das Protokoll zu seiner Personalakte gegeben. Damit wäre es innerhalb der Polizeidirektion in Umlauf gekommen.

Der ehemalige Staatsschutzleiter schildert nun, dass „Informanten aus der rechten Szene“ erzählt hätten, dass er in das Polizeirevier Bitterfeld versetzt werden solle. Zu diesem Zeitpunkt habe er selbst von dieser Möglichkeit noch nicht gewusst. Er können sich nicht erklären, wie diese Information in die Szene gelangt sein könnte. Schließlich sei es jedoch nicht zu der Versetzung gekommen. Stattdessen wäre er am 24. Juni 2006 in das Polizeirevier Köthen als Leiter des Reviereinsatzdienstes umgesetzt worden.

Nun kommt eine Fortbildung der Konrad-Adenauer-Stiftung zur Sprache. An der Veranstaltung im Tagungszentrum Wendgräben mit dem Titel: „Die NPD eine Gefahr für die Demokratie“  habe er und weitere 5 Kollegen aus dem Staatsschutz teilnehmen wollen. Zuerst wäre diese Dienstreise auf Sonderurlaubsbasis auch genehmigt gewesen. Schließlich habe die Beamtin Heusmann bei der Polizeipräsidentin interveniert und eine Ablehnung des Antrages erwirkt. Er habe jedoch nicht so schnell aufgegeben. Nachdem nur noch drei Kollegen ihre Teilnahme bekundet hätten, habe er einen erneuten Antrag gestellt. Auch dieser wäre abschlägig beschieden worden. Er habe dann mit der politischen Stiftung ausgehandelt, dass im März eine erneute Veranstaltung für Polizeibeamte und Kommunalpolitiker angesetzt worden sei und wäre mit diesem Vorschlag zu seinem Vorgesetzten Hans-Christoph Glombitza gegangen. Dieser habe den Vorschlag begrüßt und zudem empfohlen, die Fortbildungsmaßnahme im April 2007 anzusetzen. Gratzik stellt im Ausschuss konstatiert fest, dass die Fortbildung jedoch nie umgesetzt worden sei.

Nun kommt er nochmals auf die Arbeitsweise und Motivationslage der Staatsschutzabteilung zurück. „Der hat mir gesagt, dass er ein Problem mit Schwarzen hat“, erinnert sich Gratzik an einen Kollegen, der seiner Abteilung zugeteilt worden wäre. Den habe er gleich in die Wüste geschickt. „Die jagen auch mal den Rechten im Wald hinterher“, sagt der Zeuge und beschreibt damit ungewöhnliche Methoden des Fachkommissariats 4 aus seiner Sicht. Als Beispiel nennt er ein rechtsextremes Treffen, bei dem er mit seinen Beamten einfach aufgetaucht sei. Die Rechtsextremen hätten so zumindest nicht die Möglichkeit gehabt, rechtsextreme Tonträger zu hören: „Die haben dann den ganzen Abend Wolfgang Petri gehört. Das war die einzige CD, die da war“. Der Staatschutz sei in der PD sehr beliebt gewesen, vor allem bei jungen Beamten. Viele hätten auf Grund fehlender Planstellen jedoch keine Möglichkeit bekommen, in der Abteilung anzufangen. „Da ist Kreativität gefragt, da muss man schon einmal auf das Naturschutzgesetz zurückgreifen“, sagt Gratzik zur innovativen Behinderung von Neonazikonzerten. Auch die Überprüfung der zu entrichtenden GEMA-Gebühren sei eine Option gewesen, Rechtsrockkonzerte zu verhindern.
Gratzik berichtet auch das er mit der Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Dessau ins Gespräch gekommen sei um noch mehr Geschädigte zu überzeugen, Strafanzeigen zu erstatten: „Manche hat Herr Steckel überzeugen können und mache nicht“. Schließlich habe auch dies dazu beigetragen, dass die Fahlzahlen Rechts in die Höhe geschnellt seien. „Die Bekämpfung des Rechtsextremismus stand ganz oben auf der Agenda“, fasst der Zeuge die Motivation seiner Abteilung zusammen.

„Der hat mir gesagt, dass er ein Problem mit Schwarzen hat“
Sven Gratzik

„Die haben dann den ganzen Abend Wolfgang Petri gehört. Das war die einzige CD, die da war“
Sven Gratzik

Außerdem berichtet er dem Gremium, dass unmittelbar vor dem Nitsche-Bericht (Leiter der Polizeifachhochschule in Aschersleben, der im Auftrag des Magdeburger Innenministeriums ein mögliches Dienstvergehen Glombitzas untersuchte; d. Autor) die Personalstärke im Fachkommissariat 4 plötzlich erhöht worden sei. Gratzik erzählt auch von einem Kollegen, der sich privat um das Wohl von Asylbewerbern gekümmert habe. Darauf habe Glombitza gesagt: „Wenn sie sich als Polizeibeamter um die Asylbewerber kümmern, dass ist ja so als ob sie sich um die Nutten zu kümmern“.

Nun beginnen die Ausschussmitglieder den Zeugen zu befragen.

Siegfried Borgwardt (CDU) möchte zunächst wissen, wie sich dass mit seiner angelehnten Beförderung verhalten habe und ob es in diesem Zusammenhang möglicherweise eine Konkurrenzsituation gegeben habe. Aus den Akten gehe hervor, dass Gratzik und ein weiterer Kollege zur Beförderung angestanden hätten. Dem Revierleiter habe er mit den Worten: „Norbert, ich trinke Whiskey“, gratuliert. Der 37jährige betont nochmals, dass man in einem Bereich mehr sehe, wenn genauer hingeschaut würde. Als Beispiel nennt er einen Einsatz seiner Kollegen im ehemaligen Landkreis Anhalt-Zerbst: „Die Kollegen kamen mit 20 Hakenkreuzen zurück“, nachdem er sie einmal zum „Kehraus“ geschickt habe. Außerdem sei für ihn auch die Bekämpfung von Propagandadelikten nicht zu vernachlässigen: „Das schlimmste was einem passieren kann ist, wenn man im Bahnhof durch ein Hakenkreuz begrüßt wird. Das sollte schon fix entfernt werden“.   

„Das schlimmste was einem passieren kann ist, wenn man im Bahnhof durch ein Hakenkreuz begrüßt wird. Das sollte schon fix entfernt werden“
Sven Gratzik

Angesprochen auf die qualifizierten und hochmotivierten Beamten seiner damaligen Abteilung sagt der Zeuge: „Will man Rechtsextremismus mit einer Elite bekämpfen oder mit Mittelmaß?“.

Der Ausschussvorsitzende Jens Kolze (CDU) kommt auf die von Glombitza womöglich kritisierte Internetrecherche des Staatsschutzes zu sprechen. Diese habe sich ausschließlich auf regionale Portale beschränkt. Natürlich sei es auch vorgekommen, dass man in den Link-Listen Verweise auf rechtsextreme Gruppierungen gefunden habe, die nicht in Sachsen-Anhalt aktiv gewesen seien. Bei strafrechtlich relevanten Verstößen habe man dann die Kollegen in anderen Bundesländern informiert.

Gudrun Tiedge setzt für die Linkspartei die Befragung fort und möchte vom Zeugen zunächst wissen ob er sich genau erinnern könne, welcher Beamte bei der Führungskräftebesprechung im Beisein des Innenministers dessen Äußerungen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus herabgewürdigt habe. Dies könne er nicht verifizieren. „Ich hatte jedenfalls einen anderen Eindruck: dass der Minister das ernst meinte“, so Gratzik. Die Abgeordnete bringt das informelle „Eisessen“ mit Glombitza zur Sprache. Er könne sich nicht mehr genau an das Datum erinnern. Der Zeuge bestätigt jedoch noch einmal, dass Glombitza gesagt habe das die hohen Fallzahlen nur den Opferverbänden nutzten würden, um weiter Fördergelder zu erhalten. „Im Gesprächsergebnis waren wir uns einig, dass es nicht zur Strafvereitelung kommen darf“, sagt Gratzik zu der Unterhaltung mit dem Leitenden Polizeidirektor. Glombitza habe bei der Unterredung darauf hingewiesen, dass der Staatsschutz in Dessau „sehr erfolgreich“ wäre und das „viele auf den Plan gerufen“ habe. Glombitza soll ihn außerdem in diesem Kontext gesagt haben: „Seien Sie vorsichtig“.

Gratzik berichtet der Linksparteipolitikerin auch, dass er seine Vorgesetzte Heusmann darauf hingewiesen habe, dass die Polizeipräsidentin ihm gegenüber gesagt habe, dass ihr keine Verfügung bekannt sei, die die Bekämpfung des Rechtsextremismus als polizeilichen Schwerpunktbereich nivelliert hätte. Er bestätigt nochmals, dass er beispielsweise ein PD-internes Protokoll, dass sich explizit mit Repressionsmaßnahmen gegen die rechte Szene befasst habe, nicht bekommen habe. Er habe sich das schließlich aus einer anderen Abteilung besorgt. Die Politikerin befragt den 37jährigen zur Statistikpraxis bei politisch motivierten Delikten. „Das war ein unüblicher Vorgang zum Jahresende“, sagt Gratzik zur Korrektur der PD-Zahlen 2006 durch das LKA. Er kennen einer solche Praxis aus den vorangegangenen Jahren nicht. Gratzik erläutert nun kurz die Verfahrensweise, so wie sie ihm bekannt sei. Die Zahlen würden routinemäßig ans LKA geschickt und dort von einem „Qualitätsprüfer“ bewertet. „Das hat mich verwundert, obwohl der Qualitätsprüfer daran saß, dass die Zahlen plötzlich nicht mehr drin waren“, so der Befragte. „Ich kann mich konkret daran erinnern, dass 19 Fälle nicht mehr drin waren“, sagt Gratzik zu den PD-Zahlen 2006. Er habe auch keine 19 Rückmeldungen erhalten, um die Fälle nochmals prüfen zu können. Diese wären einfach nicht mehr aufgetaucht. Gratzik sagt auch, dass es bundesweit einheitliche Kriterien zur Zählweise von politisch motivierter Kriminalität gebe, die von der „Kommission Staatsschutz“ erarbeitet worden seien. In diesen Richtlinien würde nicht stehen, dass Hakenkreuze „als nicht politisch motiviert“ eingeordnet werden sollten. An diesen Richtlinien könne nur die Innenministerkonferenz etwas ändern. Modifikationen seien ihm jedoch nicht bekannt. Im Zusammenhang mit den SS-Devotionalien berichtet der Zeuge zudem, dass er ein Gespräch mit seiner Vorgesetzten Heusmann geführt habe. Diese habe ihm erzählt, dass das Innenministerium das LKA angewiesen habe, die „Statistik zu schönen“. Auf seine Nachfrage hin, wie dass zu verstehen sei, habe Heusmann nur geantwortet: „Das verstehst Du schon“. Wer das aus dem Innenministerium angewiesen haben könne, wisse er nicht.

„Ich kann mich konkret daran erinnern, dass 19 Fälle nicht mehr drin waren“
Sven Gratzik

Bevor Guido Kosmehl (FDP) sich dem Zeugen zuwendet, beantragt er zunächst eine weitere Befragung des ehemaligen Staatsschützers. Der bisherige Verlauf habe gezeigt, dass noch viele Fragen offen wären, die der Ausschuss heute unmöglich alle behandeln könne. „Wir sind ohne Ergebnis auseinander, weil wir keine Lösung gefunden haben“, so Gratzik zu seinem gemeinsamen Eisessen mit Glombitza. Der FDP-Politiker weist darauf hin, dass die verweigerte Teilnahme eines Dessauer Staatsschützers an dem Treffen in der Polizeihundeschule Pretzsch in den Akten nicht auftauche und regt an, die entsprechenden Unterlagen beiholen zu lassen. Danach kommt er auf die LKA-Überprüfung der Fallzahlen zu sprechen. Er wisse aus einem Zeitungsbericht, dass der zuständige Staatssekretär „von einem normalen Vorgang“ gesprochen habe. Gratzik betont nochmals, dass ihm eine solche Vorgehensweise nicht bekannt sei und weiderholt zudem, dass seines Wissens nicht 11, sondern 19 Fälle nicht in der Statistik auftauchen würden.

Für die Galerie Herr Gratzik“, scherzt ein Zuschauer nach der Mittagspause mit dem ehemaligen Staatsschutzleiter. Gratzik antwortet: „Ja, genau für die Galerie“ und wird vom 10. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss weiter befragt.

Bernward Rothe (SPD) möchte vom Zeugen wissen, ob er die Arbeitsergebnisse- und Voraussetzungen des Dessauer Staatsschutzes mit den entsprechenden Abteilungen in anderen Polizeidirektion vergleichen könne. Anhand von Zahlen könne er das nicht, betont aber, dass eine wirksame Bekämpfung der politischen Kriminalität nicht allein zu bewerkstelligen sei. „Sind die Verdreifachungen der Fallzahlen ein qualitativer oder ein quantitativer Anstieg“, fragt Rothe den Zeugen. Gratzik antwortet, dass es sich dabei sowohl um rechtsextreme Gewalttaten, aber auch um Propagandadelikte handele. „Es kann nicht sein, dass plötzlich etwas nach unten geht, was eigentlich nach oben gehen müsste“, sagt der 37jährige zu den Fallzahlen der PD Dessau. Zum Zeitpunkt des Nitsche-Berichtes seien in seiner Abteilung insgesamt 16 Beamte tätig gewesen. Gratzik erläutert auch, dass der Staatsschutz in Dessau zur Aufklärung schwerwiegender rechtsextremer Gewalttaten „überdurchschnittlich oft Ermittlungsgruppen“ eingesetzt habe. Es komme immer darauf an, „wie die Behördenleitung die Staatsschutzarbeit gewichte“. Bis Ende 2006 sei seine Abteilung innerhalb der PD gefördert worden. „Hatten Sie einen privilegierten Zugang zur Behördenleitung“, will der SPD-Politiker wissen. Gratzik gibt an, von seinem Vorgesetzten Glombitza sehr oft direkt auf rechtsextreme Ereignislagen angesprochen worden zu sein. Bernward Rothe fragt zum Gedächtnisprotokoll der Unterredung mit Glombitza: „Warum ist es nicht mit dem 4. Teilnehmer, Herrn Glombitza, abgestimmt worden?“ Gratzik darauf: „Mir war schon klar was da drin steht, dass dürfen Sie mir glauben“. Und weiter führt er aus: „Ich war ja gefangen zwischen der Anweisung des Innenministers und dem Gespräch mit Herrn Glombitza“. Der Landtagsabgeordnete will von Gratzik wissen, warum er das Protokoll nicht der Polizeipräsidentin oder dem Innenminister direkt auf den Tisch gelegt habe, dienstrechtlich sei so etwas schließlich möglich. „Ende Februar hatte es die Behördenleitung auf dem Tisch“, so Gratzik. „Ich weiß nicht, wem ich es noch geben sollte“, führt er weiter aus. Außerdem habe er die Sache intern klären wollen.

„Mir war schon klar was da drin steht, dass dürfen Sie mir glauben“
Sven Gratzik

„Ich war ja gefangen zwischen der Anweisung des Innenministers und dem Gespräch mit Herrn Glombitza“
Sven Gratzik

D
r. Helga Paschke (LINKE) setzt die Befragung fort. Sie möchte wissen, ob er sich je um ein Gespräch mit dem Innenminister bemüht habe, um die Fragen zu klären. Dies bejaht Gratzik. Am 11. Mai 2007 sei ihm mitgeteilt wurden, dass es ein Gespräch geben würde. Doch später wurde seinem Rechtsanwalt vom Abteilungsleiter Polizei im Magdeburger Innenministerium (MI) darüber informiert, dass es ein solches Gespräch nicht geben würde. Die Abgeordnete will vom Rechtsanwalt Christian Rasch wissen, ob es dafür eine nachvollziehbare Erklärung gegeben habe. „Keine plausible“, so der Rechtsbeistand.

Gudrun Tiedge fragt den Zeugen erneut nach dem „Grundtenor“ des Gespräches mit Glombitza am 04. Februar. Gerade die Äußerungen, dass man „nicht alles sehen müsse“ und „langsamer schreiben könne“ hätten ihn stark verunsichert. „Das war natürlich fast ein Kulturschock“, so Gratzik. Er wäre zutiefst verunsichert gewesen, ob es nun auf der politischen Ebene einen Paradigmenwechsel gegeben hätte. „Wie soll ich das sonst verstehen?“, so Gratzik auf die Frage, ob er die Äußerungen Glombitzas als Aufforderung verstanden habe, bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht mehr genau hinzuschauen. Der Leiter Polizei im MI  habe ihm mit den Worten: „Nein dürfen Sie nicht“, auch den Antrag verwehrt, den Nitsche-Bericht einsehen zu dürfen. Außerdem könne er sich daran erinnern, dass Nitsche sich beim Gespräch mit ihm „kaum Notizen gemacht“ habe. Ein zweites anberaumtes Gespräch, sei mit dem Beamten aus der Polizeifachhochschule nicht zu Stande gekommen.

Ich bin nicht der Typ, der Berichte langsamer schreibt“, begründet Gratzik seinen Entschluss, sich aus dem Staatsschutz umsetzten zu lassen. Er habe sich zudem beim Innenministerium beworben, um dort erneut im Bereich des Staatsschutzen arbeiten zu können. Dies sei jedoch abgelehnt worden.

„Ich bin nicht der Typ, der Berichte langsamer schreibt“
Sven Gratzik

Holger Stahlknecht (CDU) fragt den Zeugen sehr nachdrücklich, wer aus seiner Sicht denn nun die Bekämpfung des Rechtsextremismus in der PD Dessau konkret „ausgebremst“ habe: „Waren es Herr Glombitza und Frau Heusmann, ja oder nein?“ „Auch“, antwortet der Zeuge zunächst. „Welche Personen haben Sie noch behindert. Namen, Personen. Los bitte“, lässt Stahlknecht nicht locker. „Technisch kommen da nur wenige Personen in Frage“, so der Befragte. Schließlich räumt der Zeuge ein, eine Behinderung nur bei Herrn Glombitza und Frau Heusmann mit Gewissheit ausmachen zu können. „Ende 2006 spricht dagegen“, so Gratzik auf die Frage des CDU-Mannes, ob es sich womöglich um „ein bilaterales Problem“ zwischen ihm und Glombitza gehandelt haben könnte. Schließlich spreche vor allem die Aussage Heusmanns, dass die Bekämpfung der politischen Kriminalität kein Schwerpunktthema mehr sei, gegen diese These. „Wollten Sie damit bezwecken, auf Ihren Fall aufmerksam zu machen“, fragt Stahlknecht den Zeugen und spielt damit auf eine Unterredung mit Innenminister Hövelmann an, um die Gratzik nach der Verwirrung um die LKA-Statistik gebeten haben soll. Dies sei nicht der Fall, vielmehr habe er damit bezwecken wollen, dass dem Minister die Zahlen und Fälle zur Kenntnis gelangen sollen.

Gratzik berichtet auch, dass ihm ein Kollege des Personalrates wegen seiner Bewerbung beim LKA gesagt habe: „sinngemäß, die halbe Polizeiführung will Sie köpfen“.

„sinngemäß, die halbe Polizeiführung will Sie köpfen“

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Augen Auf! > Ausgabe 48 - 23. Dezember 2007