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Aktionswochen gegen Antisemitismus

War die DDR judenfeindlich?




Am 04.12. 2004 versuchte im Rahmen der Aktionswochen gegen Antisemitismus (www.projektgegenpart.org berichtete) eine Veranstaltung im Dessau Galeriecafe die Frage zu klären: War die DDR judenfeindlich? Um es gleich vor weg zu nehmen, die Antwort fiel kurz aber prägnant aus: ja und nein.
Vor rund ca. 30 Gästen, referierte der Lokalhistoriker Werner Grossert auf Einladung des Elbe Saale Bildungsvereines e. V. (ELSA e. V.), just zu diesem Thema.
Der Moderator und Autor des Buches „Antisemitismus in Dessau/Anhalt“, Dr. Bernd Ulbrich, benannte in seinen Eröffnungsworten die Intention der Aktionswochen: „Historisches Judentum und der aktuelle Antisemitismus sind nicht zu trennen.“.


Werner Grossert eröffnete seinen Vortrag gleich mit einem Satz, der aus seiner Sicht den zu erwartenden kontroversen Charakter der Veranstaltung widerspiegelte: „Viele von uns haben bestimmt fest geprägte Stereotype zu diesem Thema im Kopf“. Grossert spielte damit offensichtlich auf die zahlreich Anwesenden mit DDR-Sozialisation an.
In Bezug auf die Deportation und spätere Vernichtung der Dessauer Juden im Nationalsozialismus und jüdische BürgerInnen aus der Region, findet Grossert klare Worte: „Wirklich alle hatten Opfer in der eigenen Familie zu beklagen, dass können wir uns nicht vorstellen“. Synagogen und jüdische Bibliotheken hätten auch hier gebrannt. Um die Vernichtungsdimension nachzuweisen, nennt er Zahlen. Vor den Nazis lebten in Halle 1100 Juden, in Magdeburg 1523 und in Dessau 400. Den Holocaust haben in der heutigen Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts gerade mal 37 überlebt, in Halle waren es 23 und in Dessau 7.
Grossert kritisierte, dass auf dem Territorium der ehemaligen DDR, viele Publikationen die das Schicksal der Juden in Ostdeutschland thematisierten, erst nach der Wende 1989/90 erschienen sind. Als Beispiel dafür führt er das Buch „Fremd unter meinesgleichen. Erinnerung eines Dresdner Juden.“ (ersch. 1991) von Helmut Eschwege an. Eschwege (geb. 1913) gehörte der sozialdemokratischen Jugendbewegung an und emigrierte später nach Palästina, wo er in der KP politisch aktiv war. Grossert spricht von unüberwindbaren politischen Gegensätzen zwischen Kommunisten und Zionisten, in denen Eschwege in Palästina persönlich involviert war. Nachdem Grossert feststellte, das Eschwege nach seiner Rückkehr in die junge DDR diese Gegensätze auch dort versuchte auszutragen, kommt er zu einem ernüchternden Resümee: „Das bitterste Buch, dass ich zum Thema gelesen haben“. 


Bezeichnend fand es Grossert, dass das erste Buch das sich explizit mit dem Holocaust beschäftigte, in der DDR erst 1966 erschien. Der Herausgeber, der schon genannte Helmut Eschwege, recherchierte 3 Jahre zu diesem Buch. Es dauerte jedoch ganze zehn Jahre, bis der Titel endlich erscheinen konnte. Die DDR-Zensur blockierte die Publikation also eine geschlagene Dekade. Eschwege, der übrigens auch dem Vorstand der Jüdischen Gemeinde Dresden angehörte, geriet im Rahmen der antisemitischen Slanskyprozesse erstmals ins Visier der Staatsorgane der DDR und wurde zu diesem Zeitpunkt erstmalig aus der Partei ausgeschlossen. Endgültig flog er 1958 aus der SED raus. Der Vorwurf der zum Ausschluss führte, er sei ein noch „nicht enttarnter Agent“.
„Wir haben ja auch kaum etwas aufgearbeitet“, schloss sich Grossert selbstkritisch mit ein und meinte damit den Umgang mit jüdischen Schicksalen in der DDR-Zeit.
Erst in diesem Jahr erschien der Titel „Eine unheimliche Liebe – Juden in der DDR“ von Vincent von Wroblewsky. Wroblewsky gründete in den 1980iger Jahren in der DDR die jüdische Gruppe „Wir für uns“.  Der Autor interviewte für das Buch nach der Wende viele Juden, die in der DDR lebten. So wusste seine Mutter, Esther Finkelstein, zu berichten, dass ihr in den 1980iger Jahren mehrmals zum 09. November ihre Wohnungsscheiben in Berlin-Lichtenberg eingeschmissen wurden. Einmal, so berichtet Grossert, flog gar eine Schweinesülzwurst durch das Fenster.
Walter Schmidt, ein Publizist und Wissenschaftler der sich ausführlich mit dem Umgang der DDR mit seinen jüdischen BürgerInnen beschäftigte, spricht von einem 3-Phasen-Modell. Diese einzelnen Abschnitte, Schmidt macht sie im Einzelnen in den Zeiträumen 1945-50, in den 1960iger/1970iger und in den 1980iger Jahren aus, seien in unterschiedlichen Intensitäten und Qualitäten gekennzeichnet durch Repressalien, Unterlassungen, einer Verhöhnung der Opfer der Shoa, Nachlässigkeiten und offensichtlichen Erinnerungslücken.
Gerade diese Lücken, so Grossert nicht ohne Verbitterung weiter, seien für ihn komplett unverständlich. Für ihn stand die DDR in der Tradition der Aufklärung und damit müsste eigentlich die Emanzipation der Juden ganz oben auf der Agenda gestanden haben.
Nicht ohne Widerspruch im Publikum wurde die anschließende Aussage Grosserts aufgenommen: „Die schlimmsten Judenfeinde waren hier weg (in der DDR, d. Aut.), die haben sich einfach verkrümelt“.
Auch die in der DDR vorgenommenen Eingruppierung von „aktiven Widerstandskämpfern des Faschismus“ und „Opfern des Faschismus“ brachte der Referent zur Sprache.
Dieses Opfer-Ranking, erst 1949/50 etabliert , dass insbesondere die kommunistisch und sozialdemokratisch orientierten Widerständler als aktive Opposition gegen den nationalsozialistischen Terror stilisierte und die Juden letztlich zu inaktiven und will fähige Betroffene degradierte, lehnte Grossert ab.
Der Vorwurf, der in der Sowjetunion, der DDR und anderen realsozialistischen Staaten formuliert wurde, alle jüdische Emigranten die im Westen Zuflucht vor den Nazis suchten seien „kosmopolitisch“ verirrt, sparte Grossert in seinen Ausführungen nicht aus.
Als bekannte und betroffene Persönlichkeiten dieser Treibjagd, nannte er Paul Merker, Leo Zuckermann und Victor Klemperer.
Antisemitische Vorgänge in der Frühzeit der DDR, dass konstatiert Werner Grossert eindrucksvoll, gab es auch in der Sowjetischen Besatzungszone in den Jahren 1045-47: „ Ich dachte solche Vorfälle könnte es nur im Westen gegeben haben, nein, so was gab es auch hier.“
So organisierte die VVN am 09. November 1947 eine Gedenkveranstaltung anlässlich einer kurz zu vor statt gefundenen Schändung des jüdischen Friedhofs in der Ostberliner Schönhauser Allee.  Im Herbst 1947 wurde der Friedhof im sächsischen Zittau stärker und intensiver verwüstet, als 1938.
Im Zusammenhang mit dem Slansky-Prozess sprach Grossert von einer „Verschwörungsverücktheit“. Er stellte fest, dass dieser unsägliche Prozess auch in der DDR nie ansatzweise eine Aufarbeitung erfuhr. In diesem Kontext stellte er ohne Ironie fest: „Dann starb 1953 zum Glück Stalin“.

Artikel:
Projekt gegenPart
Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus
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Tel.: 0340/ 26 60 21 3
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