Unter dem Motto „Slam Babylon“ wollten am 04. Dezember im Dessauer beatclub gleich mehrere bundesweit agierende Gruppen und lokale Sprechgesangs-Crews beweisen, das Hip Hop mehr ist als die Zuschaustellung halbnackter Körper in den einschlägigen Musiksendern. Dass dieses Konzept offensichtlich attraktiv erscheint und die HopperInnen zu Unrecht als personifizierte Spaßgesellschaft verschrien sind, bewiesen die 180 Gäste der Veranstaltung und dass trotz eines parallel stattgefundenen Events mit einer namhaften Crew. Die Initiativen „Beatz for Peace“ und „Hip Hop Partisan“ traten vor einigen Monaten an die hiesige Szene und andere Kooperationspartner heran und begeisterten mit ihrem Konzept schnell die Protagonisten. Neben der Streetworkerin des Dessauer Jugendamtes, Katrin Fuchs, und der Kommune, konnte noch die im Alternativen Jugendzentrum ansässige Netzwerkstelle gegen Rechts ins Organisationsboot geholt werden. Finanziell unterstützt wurde die ganze Sache vom Jugendbildungswerk der Rosa Luxemburg-Stiftung, die sich damit erstmals explizit ins Terrain einer Jugendsubkultur wagte.
Gegen 17.00 Uhr begann der lange Abend mit dem Hearing „Hip Hop – Jugendsubkultur im Wandel“. In einem offenen Gesprächskreis sollte u. a. der Frage nachgegangen werden, in wie weit nationalistische und rassistische Tendenzen in der bisher als nicht rechts bekannten Subkultur Fuß fassen konnten. Besonders erfreulich war dass außerordentlich hohe Interesse an dem Open Space, nahmen doch fast 50 Leute, darunter immerhin 25 aus der lokalen Szene, teil. Die Diskussion fing etwas abstrakt an, um dann schnell ein konkreten Fallbeispiel zu thematisieren. Just einige Tage vor dem Hearing war es den OrganisatorInnen gelungen, eine CD einer lokalen Hip Hop Crew zu erhalten. Die Texte auf diesem Machwerk sorgten in der Runde für Fassungslosigkeit, Unverständnis und blanke Ablehnung. In eindeutig nationalsozialistischem Vokabular werden auf der im Jahre 2003 erschienenen Scheibe antisemitische und rassistische Stereotype reproduziert. Von platter Homophobie und einer damit einhergehenden Frauenfeindlichkeit ganz zu schweigen. Die meisten Wortmeldungen dazu hatten einen Tenor: Das ist für uns kein Hip Hop. Mit vermeintlichen Tabubrüchen, die in letzter Zeit bei einem Teil der vorwiegend kommerziell orientierten Hip Hop-Szene immer mehr an Beliebtheit gewinnen, hätte dies nicht mehr zu tun. Immer wieder machte der Begriff der Grenzüberschreitung die Runde. Nicht so einig waren sich die DiskutantInnen, wie die Szene denn mit der Existenz einer solchen „Nazi-Rap“-Produktion umgehen sollte. Einige warnten davor, dass durch eine Informationskampagne diese Crew aufgewertet werden könnte und somit ungewollt einen regelrechter Run auf die CD ausgelöst werden würde. Der etwas abgedroschene Spruch: „Was verboten ist, reizt gerade“, ist sicherlich in diesem Kontext zu werten. Andere sprachen sich klar und eindeutig dafür aus, zu informieren und die CD und deren Inhalte, und zwar aus der lokalen Szene heraus, zu ächten. Dass, so war in einigen Wortmeldungen zu vernehmen, müsse einfach passieren um für den offenen und toleranten Charakter der hiesigen Szene klar Partei zu ergreifen. Dass Hearing beschäftige sich allerdings nicht nur mit diesem Thema. Den oben erwähnten Hip Hop Initiativen war es im Vorfeld genau so wichtig, die Rolle von Frauen in der doch sehr homophoben Hip Hop-Gemeinde kritisch zu beleuchten. Einige anwesende Frauen brachten die aus ihrer Sicht omnipräsente Benachteiligung und die fehlenden Partizipationsmöglichkeiten dann auch drastisch auf den Punkt.
Ein ungewöhnlicher Reim-Wettbewerb und Freestyle Battle schloss sich an. Gefragt waren nicht Texte über die letzte Party oder die verflossene LebensabschnittspartnerIn, sondern solche mit gesellschaftskritischen Gehalt. Insgesamt 11 Crews, u. a. Taxi Suflaki, Revue, Die Krisenpoeten, und WSR beteiligten sich an dem inhaltsschwangeren Wettbewerb. Die Qualität der abgelieferten Texte war dabei genau so unterschiedlich, wie die Ausstrahlungen der MC`s und DJ`s auf der Bühne. Offensichtlich schien der Ansatz der Veranstaltung, feminine Einflüsse nicht nur als „schmückendes Beiwerk“ zu betrachten, zumindest hier aufzugehen. Gleich drei MicCheckerInnen nahmen am Rhyme Contest teil. Eine Frauenquote, von dem mensch sonst nur träumen kann. Ach so, einen Sieger gab es natürlich auch noch: die Krisenpoeten aus Wittenberg.
Nach soviel inhaltlich schwer verdaulichen Programmpunkten kam die abschließende Party natürlich cool rüber. Für diese sorgen u. a. die Live Bands „Ying & Yanxtaz“, „Soul Essenz“ und „Aachen Inferno“.